Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des M in O, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 2. Oktober 1997, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1997, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Beschwerdeführer, der nach einem längeren Auslandsaufenthalt im Bezug von Notstandshilfe stand, wurde am 2. Juli 1997 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift über das Nichtzustandekommen einer angebotenen Beschäftigung aufgenommen. Darin ist unter anderem zu lesen:
"Mir wurde am 19.6.1997 eine Beschäftigung bei der Firma BC Industriemontagen GmbH, Adresse ..., als Tischlerhelfer mit monatlich S 20.000,-- brutto, Arbeitsbeginn 7.7.1997 angeboten.
Stellungnahme zur Nichtannahme der Beschäftigung: Ich habe mich im Tag geirrt (2.7.1997 angenommen) daher auch keine tel. Mitteilung, Jobbörse am 1. Juli 1997."
Mit Bescheid vom 16. Juli 1997 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 7. Juli 1997 bis 17. August 1997 verloren habe; Nachsicht werde nicht erteilt. In der Begründung wurde nach auszugsweiser Wiedergabe der im Spruch genannten Gesetzesstellen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Arbeitsaufnahme bei der Firma BC Industrie verweigert. Berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsicht lägen nicht vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe durch seine derzeitige Unausgeglichenheit den Vorstellungstermin versäumt und bitte um Entschuldigung. Da er eine fixe Anstellung in St. Pölten habe, habe er die Zuweisung nicht für so wichtig als sonst üblich angesehen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Darstellung der Rechtslage und des Verwaltungsgeschehens folgender Sachverhalt festgestellt: Am 2. Juli 1997 sei mit dem Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle eine Niederschrift aufgenommen worden, in der er angegeben habe, das Beschäftigungsverhältnis sei deshalb nicht zustande gekommen, weil er den Vorstellungstermin vergessen habe. Aus der diesbezüglichen Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am 19. Juni 1997 mit einem schriftlichen Hinweis auf die am 1. Juli 1997 in den Räumen der regionalen Geschäftsstelle stattfindende Jobbörse der Firma BC Industrie hingewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer sei bereits mehrmals bezüglich der Einhaltung seiner Beratungstermine ermahnt worden und auf die daraus resultierenden Konsequenzen hingewiesen worden. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei mit dem Beschwerdeführer am 10. September 1997 eine Niederschrift aufgenommen worden. Hiebei habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er über den Termin der Jobbörse von der regionalen Geschäftsstelle informiert worden sei, aber darauf vergessen habe, weil er mit seiner Mutter vollkommen isoliert lebe.
Der Beschwerdeführer habe auch nach dem vereinbarten Termin keinen Kontakt mit der Firma aufgenommen.
Im Rahmen ihrer rechtlichen Erwägungen führte die belangte Behörde aus, der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe auf den Vorstellungstermin vergessen, sei irrelevant. Der Beschwerdeführer sei nämlich seitens der regionalen Geschäftsstelle wiederholt auf die Einhaltung seiner Beratungstermine und auch auf die daraus resultierenden Folgen hingewiesen worden. Der Termin 19. Juni 1997 sei dem Beschwerdeführer schriftlich bekanntgegeben worden.
Der Beschwerdeführer stehe entgegen der von ihm in der Berufung vorgebrachten Behauptung in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Er beziehe bereits langjährig Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG, z.B. Arbeitsaufnahme binnen angemessener Frist, lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/08/0136), sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage tretenden) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.
Unter "Vereitelung" iSd § 10 Abs. 1 AlVG ist daher ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt; das Nichtzustandekommen muss in einem darauf gerichteten oder dieses zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG verlangt ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg. 13722/A - ständige Rechtsprechung).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund unterliegt es keinem Zweifel, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er den vereinbarten Vorstellungstermin nicht wahrnahm, den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG verwirklichte (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0252). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Vorstellungstermin "vergessen" hat, vermag den Beschwerdeführer angesichts der nicht bestrittenen Feststellungen, wonach er bereits mehrmals zur Einhaltung der Termine ermahnt und der Termin schriftlich bekannt gemacht worden sei, nicht zu entschuldigen. Einer Prüfung, ob im Falle einer rechtzeitigen Kontaktaufnahme des Beschwerdeführers mit dem vom Arbeitsmarktservice vermittelten Arbeitgeber (im Rahmen der Jobbörse) ein Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen wäre, bedarf es in diesem Fall (mangels geeigneter objektiver Anhaltspunkte für ein Nichtzustandekommen) nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, 94/08/0087).
Der Beschwerdeführer bringt (noch) vor, dass ihm von der regionalen Geschäftsstelle des AMS eine Einstellförderung zugesagt worden sei und er am 1. August 1997 bei einem Garten- und Landschaftsplanungsbüro hätte zu arbeiten beginnen können. Er wirft in diesem Zusammenhang der belangten Behörde vor, den diesbezüglichen Sachverhalt infolge von Verfahrensmängeln nicht erhoben zu haben und dadurch zu einer unrichtigen Beurteilung gelangt zu sein.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Auch aus der Beschwerde geht hervor, dass der Beschwerdeführer - wenn man seinen Ausführungen folgen würde - über keine fixe Einstellungszusage verfügte, sondern nur über eine solche, die von Bedingungen abhängig war, vor allem von einer "Förderung" durch das Arbeitsmarktservice. Der Beschwerdeführer durfte daher nicht davon ausgehen, dass seine Arbeitslosigkeit jedenfalls zum 1. August 1997 beendet sein werde und er sich daher um weitere Arbeitsplätze nicht mehr bemühen müsse. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer mit 1. August 1997 auch keine Beschäftigung aufgenommen. Die Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, ist daher unbedenklich. Die unbestimmten Angaben in der schriftlichen Berufung dazu und das Unterbleiben weiterer Angaben insbesonders bei der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen des Berufungsverfahrens boten der belangten Behörde keinen Anlass, diesbezüglich irgendwelche Ermittlungsschritte zu setzen.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, es liege jedenfalls der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 AlVG vor, weil er eine fixe Zusage über den Arbeitsbeginn bei Dipl. Ing. S. als Bürogehilfe mit Arbeitsbeginn für den 1. August 1997 gehabt habe, geht daher ins Leere.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998080035.X00Im RIS seit
18.10.2001