TE Bvwg Beschluss 2018/7/10 W150 2128647-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W150 2128647-2/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX 1998, alias Haroon HASHEMI, geb. XXXX 1999, alias XXXX , geb. XXXX 1992, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, ZVR-Zahl 460937540, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, Verfahrens Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedenfalls spätestens am 10.07.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Hauptbahnhof in Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war der BF minderjährig.

2. Am 12.07.2015 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Dari übersetzte, statt. Dort gab der BF an, sein Name sei XXXX , geboren am XXXX .1999, in der Provinz Panjsher, XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem. Er sei ledig und spreche Dari. Er habe neun Jahre die Schule besucht und sei zuletzt als KFZ Lehrling tätig gewesen. Er habe vor ca. drei Monaten Afghanistan verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gekommen. In Griechenland und Ungarn sei er von den Behörden aufgegriffen worden (EURODAC Treffer), habe dort aber keinen Asylantrag gestellt. Zum Fluchtgrund gab der BF an, dass die Sicherheitslage in Kunduz sehr schlecht sei und er in einem sicheren Land leben wolle. Die Lebensumstände in der Heimat seien auch sehr schlecht. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor dem Krieg und Angst getötet zu werden.

3. Aufgrund des optischen Erscheinungsbildes des BF wurde eine Altersfeststellung durchgeführt. Das Gutachten der Medizinischen Universität Wien vom 02.10.2015 ergab ein höchstmögliches Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt (02.10.2015) von 17,6 Jahren. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum laute XXXX .1998. Somit könne zum Zeitpunkt der Antragstellung (10.07.2015) von einem Mindestalter von 17,37 Jahren ausgegangen werden. Eine Minderjährigkeit könne nicht mit dem höchstmöglichen Beweismaß ausgeschlossen werden.

4. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wr. Neustadt, am 04.05.2016, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, brachte der BF unter anderem vor, dass er gesundheitliche Probleme habe. Er habe Schläge gegen den Kopf erlitten und sei seither leicht reizbar. Er nehme Medikamente, den Namen dieser kenne er jedoch nicht. Er leide seit zwei Jahren an dieser erhöhten Reizbarkeit. Er verletze sich dabei auch selber. Er sei bei einigen Psychologen gewesen, auch sei er im Spital in XXXX gewesen und einige Male bei einem Arzt in XXXX . Er sei gegen die Wand gesprungen und habe sich selbst verletzt. Er habe gegen die Wand geschlagen und sich die Hand gebrochen. Einmal sei er von einem Turm gesprungen und habe seinen Knöchel geprellt. Vom Turm sei er ohne konkrete Absicht gesprungen. Wenn er einen Anfall habe, denke er nicht nach. Seit der medikamentösen Einstellung habe er sozial eigentlich keine Schwierigkeiten mehr. Er besitze eine Tazkira, doch befinde sich diese in Kunduz. Sonstige Dokumente habe er niemals besessen. Seine bisher getätigten Angaben würden der Wahrheit entsprechen, doch wisse er nicht, ob alles korrekt protokolliert worden sei. Angesprochen auf sein Geburtsdatum gab er an, dass er sich der Altersfeststellung beuge und gebe nun das daraus resultierende Alter an. Der BF gab an, keine Tazkira zu besitzen. Er habe nur einen Ausweis im Scheckkartenformat der XXXX Schule in XXXX besessen, wo sein Geburtsdatum mit dem ausländischen Geburtsdatum geschrieben worden sei. Er habe neun Jahre die XXXX Schule besucht und spreche Dari, Paschtu, Urdu, Englisch und ein wenig Deutsch. Er sei KFZ Mechaniker und habe mit seinem Vater von klein an in diesem Bereich gearbeitet. In XXXX habe er eine Spezialschule namens XXXX besucht. Er sei dort mit einem Schulfreund gemeinsam gewesen. Der Vater des Freundes sei ein ehemaliger hochrangiger Mujaheddin gewesen. Eines Tages habe es einen Angriff auf den Freund gegeben, als sie das Schulgebäude verlassen hätten. Der BF und sein Freund seien geschlagen und dabei schwer verletzt worden. Dem BF seien die Hände gebrochen worden. Er sei mit einem Stock angegriffen worden und mit drei Nähten am Kopf aufgewacht. Der BF sei ein Monat lang im Koma gelegen und habe danach ca. 6-7 Monate im Spital verbringen müssen. Er sei etwa sechs Monate im XXXX krankenhaus in Kabul gewesen. Als es dem BF besser gegangen sei, habe der Vater gesagt, dass der BF nicht mehr nach XXXX zurückkehren könne, da sich andere Leute selbst verteidigen könnten und der BF nur der Sohn eines armen Mannes sei. Der Onkel väterlicherseits habe den BF bei der Flucht unterstützt. Die Mutter des BF sei verstorben, der Vater habe ihn aber sehr oft besucht. Der Freund des BF sei in der Zwischenzeit in ein europäisches Land geflüchtet. Engeren Kontakt gebe es aber nicht. Der BF und sein Vater seien der Meinung gewesen, dass der BF in XXXX nicht mehr sicher gewesen sei, da die Leute auch nicht davor zurückgeschreckt seien den Sohn eines Kommandanten anzugreifen. Der Vater habe dem BF dann den Kontakt zu diesem Freund verboten, um nicht noch weitere Angriffe zu provozieren. Der BF habe in Traiskirchen zweimal Kontakt zu seinem Vater gehabt. Abschließend gab der BF an, dass er zu seinem Fluchtgrund in der Erstbefragung aufgrund seiner Müdigkeit keine Angaben gemacht habe.

Der BF wurde über die aktuellen Länderfeststellungen und den weiteren Verlauf des Verfahrens informiert. Dazu gab er an, dass er nicht einmal in Kunduz leben habe können, als die Taliban noch nicht dort gewesen seien. Jetzt sei die Situation noch schlechter.

5. Der BF legte einen Kurzbericht der Station der Psychiatrie und Psychotherapeutischen Medizin des XXXX vom 17.03.2016 vor. Diagnostiziert wurde eine F43.2. Anpassungsstörung mit aggressiven Durchbrüchen. Als besondere Bemerkung wurde festgehalten, dass der BF in Afghanistan mit einem Stock auf den Kopf geschlagen und aus suizidaler Absicht aus dem 3. Stock gesprungen sei. Des Weiteren wurde ein Überweisungsschreiben eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, XXXX vom 07.04.2016 vorgelegt. Diagnostiziert wurde eine F60.3, emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Im Befund wurde wie folgt festgehalten: "Soweit aufgrund der Sprachbarrieren erkennbar unauffällige Auffassung, Konzentration, und Merkfähigkeit, Pat. ist allseits orientiert, in der Stimmung eher ängstlich, psychomotorisch leicht angetrieben, Duktus ist kohärent und zielführend, Denken formal und inhaltlich o.B., produktive Symptome fehlen." In der Folge wurden Medikamente verschrieben und festgehalten, dass eine CT-Untersuchung veranlasst und der BF wieder bestellt wurde.

6. Mit Schreiben der ehrenamtlichen Begleiterin des BF vom 03.05.2016 wurde unter anderem mitgeteilt, dass der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie den BF am 07.04. auf Grund von Sprachproblemen nur medikamentös eingestellt hat und wegen seiner Kopfverletzung ein Schädel CT angeordnet wurde, welches am 12. Mai stattfinde. Außerdem sei er bei XXXX wo eine Psychotherapie in seiner Sprache möglich ist, angemeldet.

7. Mit Schreiben vom 12.12.2013 wurde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation bezüglich "Schuljahr Afghanistan" dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vorgelegt.

8. Mit Bescheid vom 26.05.2016, Zl. 1077539705/150838147 - zugestellt durch Hinterlegung am 06.06.2016 - wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, wies den Antrag bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Festgestellt wurde unter anderem, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Er sei gesund und arbeitsfähig. In seinem Fall bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative und könne er seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Dort habe er soziale Anknüpfungspunkte. Beweiswürdigend wurde zum Gesundheitszustand festgehalten, dass seine Ausführungen zur Frage, wie es zur seiner psychischen und zur Aggression angeblich führenden Beeinträchtigung gekommen sein soll, nicht glaubhaft seien. Freilich seien auch die Auswirkungen, die seine Beeinträchtigung verursachen sollen, dermaßen widersprüchlich vorgebracht, dass einzig davon ausgegangen werden könne, dass er die eben diese behauptete Beeinträchtigung bloß vorschiebe, um mit Ausreden seine grundsätzlich an den Tag gelegten Aggressionen und seine Konfliktbereitschaft zu erklären. Insbesondere seien die unterschwellig in den Raum gestellten Selbstverletzungen und suizidalen Absichten nicht glaubhaft, zumal er sich in diesem Bereich massiv widerspreche. Wie sich insgesamt herausgestellt habe, leide der BF entweder an einer Anpassungsstörung mit aggressiven Durchbrüchen (siehe Kurzbericht des XXXX vom 17.03.2016) oder an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Überweisungsschreiben von Dr. Omasitis XXXX vom 07.04.2016). Aus dem Überweisungsschreiben gehe hervor, dass er allseits orientiert mit unauffälliger Auffassung, Konzentration und Merkfähigkeit seien, was jedenfalls eine Einvernahmefähigkeit erkennen ließe. Seinen Behauptungen während der Einvernahme am 04.05.2016 entsprechend, seien seit der medikamentösen Einstellung keine sozialen Schwierigkeiten aufgetreten, weshalb er somit auch die angeführte psychische Beeinträchtigung ganz offensichtlich im Griff habe. Dass er an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide, sei schließlich nicht zuletzt deshalb festzustellen, dass von Seiten der diversen, ihn untersuchenden Ärzte offensichtlich nichts Akutes festgestellt worden sei, das dringende medizinische Eingriffe unabdingbar gemacht hätte. Die Feststellung, dass er gesund und arbeitsfähig sei, ergebe sich aus der Beweiswürdigung, aus der klar hervorgehe, dass er an keiner wesentlich beeinträchtigenden Erkrankung leide und habe diese Feststellung auch aus den allgemein bekannten Bedingungen in Kabul getroffen werden können. Insgesamt sei aus den Ausführungen des BF kein glaubhaftes Fluchtvorbringen erstattet worden. Da sich insbesondere in Kabul keine sonstige Gefährdungslage feststellen lassen habe können, könne der BF dort seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Rechtlich beurteilend wurde ausgeführt, dass der BF keine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung in keinster Weise glaubhaft machen habe können, weshalb der Antrag auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen sei.

Subsidiärer Schutz wurde dem BF ebenso nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan bestehe. Der BF verfüge über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in der Heimat. Sohin sei die Entscheidung mit einer Ausweisung zu verbinden gewesen.

Auch lag keine Voraussetzung für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor. Ebenso wurde die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG als zulässig erachtet.

9. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF am 10.06.2016 mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

10. Mit Schriftsatz vom 17.06.2016 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

11. Mit Urteil vom 08.03.2017 (rk. 01.09.2017) des Landesgerichtes Wr. Neustadt wurde der BF wegen §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, § 83 Abs. 1 StGB, § 105 Abs. 1 StGB, § 107 Abs. 1 StGB, §§ 15, 127 StGB zu einer Haftstrafe von insgesamt 48 Monaten, davon 16 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

12. Mit Beschluss des BVwG vom 22.01.2018 wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Dabei wurde unter Verweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (siehe etwa VwGH 28.04.2011, 2011/01/0028; 15. März 2010, Zl. 2006/01/0355, mwN), insbesondere festgehalten, dass ein psychologisches Gutachten hätte erstellt werden müssen, um den genauen psychischen Gesundheitszustand des BF und der notwendigen Behandlung feststellen zu können. Ohne fachärztliches Gutachten könne nicht beurteilt werden, welche Konsequenzen die psychische Erkrankung auf das Aussageverhalten des BF habe. Dass das Bundesamt die Einvernahmefähigkeit aus dem Überweisungsschreiben abgeleitet habe, vermöge an der Einholung eines Gutachtens nichts zu ändern, weil das die bei der Behandlung aufgetretenen Sprachprobleme nicht berücksichtigt habe. Im fortgesetzten Verfahren werde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher einen Facharzt für Psychiatrie beiziehen müssen, um den aktuellen Gesundheitszustand und die Einvernahmefähigkeit des BF zu untersuchen. So sei zu erheben, ob die Verhandlungs- bzw. Vernehmungsfähigkeit des BF wegen eines Krankheitsbildes beeinträchtigt und der BF in der Lage sei, gleichbleibende, konkrete Angaben zu seinen Ereignissen aus der Vergangenheit zu machen. Diese Ermittlungsergebnisse seien folglich im Rahmen der Beweiswürdigung zu verwerten. Erst nach Beantwortung dieser Fragen werde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu erheben haben, ob im Herkunftsstaat des BF, falls nötig, eine ausreichende Gesundheitsversorgung und Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sei. Die belangte Behörde habe die notwendige Ermittlung des Sachverhalts unterlassen, sodass eine abschließende nachvollziehbare Beurteilung des Vorliegens eines asylrelevanten bzw. den subsidiären Schutz begründenden Sachverhalts gar nicht möglich war.

13. Das BFA gab in der Folge ein psychiatrisch/neurologisches Sachverständigengutachten bei einer FA für Psychiatrie und Neurologie, gerichtlich beeidete Sachverständige für die Fachgebiete Neurologie, Psychiatrische Kriminalprognostik und Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, in Auftrag mit den Fragestellungen ob beim BF aktuell eine psychische/Geistige Erkrankung vorliege, dieser einvernahmefähig sei, er in der Lage sei, seine Rechte im gegenständlichen Verfahren bzw. auch vor anderen Ämtern wahrzunehmen oder er eines Sachwalters bedürfe und ob der BF wegen eines Krankheitsbildes beeinträchtigt, bzw. überhaupt in der Lage sein, gleichbleibende, konkrete Angaben zu Ereignissen aus der Vergangenheit zu machen.

In ihrem Gutachten vom 20.04.2018 beantwortete die Sachverständige die Fragen wie folgt:

-) der BF leide an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, die mit einer verminderten Impulskontrolle und Frustrationstoleranz, eingeschränkten Konfliktlösungsstrategien, streitsüchtigem Verhalten und der Tendenz zu Selbstverletzungen einhergehe;

-) eine psychische Erkrankung, die die Einvernahmefähigkeit relevant beeinträchtigen würde, liege nicht vor;

-) aus gutachterlicher Sicht liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Errichtung einer Sachwalterschaft nicht vor;

-) beim BF liege keine psychiatrische Erkrankung vor, die die Aussagefähigkeit beeinträchtigen würde. Der BF sei ausreichend in der Lage zu beurteilen, gleichbleibende, konkrete Angaben zu Ereignissen aus der Vergangenheit zu machen.

14. Am 30.05.2018 wurde der BF vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, ergänzend einvernommen; dabei wurde ihm auch Parteiengehör zum medizinischen Gutachten eingeräumt. Diesbezüglich brachte der BF dabei nichts vor.

15. In der Folge erließ das BFA mit Datum vom 07.06.2018 - zugestellt durch Ausfolgung in einer Justizvollzugsanstalt am gleichen Tag - einen neuerlichen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheid, wie jenen vom 26.05.2016, zur Verfahrens Zl. 1077539705/150838147 mit dem Unterschied, dass die Spruchpunkte 1 bis 3 nunmehr in 5 Spruchpunkte gegliedert wurden. Weiters, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt wurde, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), gemäß § 18 Absatz 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt VII.), gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.11.2016 verloren habe (Spruchpunkt VIII.) und gegen den BF gemäß § 53 Abs.3

Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde. In der Begründung zog das BFA zusätzlich zu den bisherigen Beweismitteln beweiswürdigend entsprechend den Vorgaben des BVwG die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen heran und stellte fest, dass die seinerzeit ohne Vorliegen dieses Gutachten getroffenen Einschätzungen richtig gewesen wären, aus medizinischer Sicht kein Rückkehrhindernis bestehe und der BF auch arbeitsfähig sei, da er in der Gefängnisschlosserei arbeite. Weiters stellte das BFA die zur Verurteilung gelangten durch den BF begangenen aktenkundigen Straftaten fest, wodurch wegen besonders schwerer Verbrechen ein Asylausschlussgrund vorliege.

16. Gegen den obzitierten Bescheid richtet sich die am 22.06.2018 fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der beantragt wird, dass 1) der gegenständliche Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass dem Antrag des BF auf internationalen Schutz Folge gegeben werde und ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkennt werde; 2) in eventu der Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass ihm gem. § 8 Abs. 1 Z 1AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; 3) in eventu der Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass ein Aufenthaltstitel gem. §§ 55, 57 AsylG gewährt werde; 4) in eventu der Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass der Bescheid betreffend der gem. § 52 Abs.2 Z 2 FPG gefällten Rückkehrentscheidung aufgehoben werde; 5) in eventu der Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass die gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt Abschiebung gem. § 46 aufgehoben werde; 6) in eventu die Befristung des Einreiseverbotes von 10 Jahren aufgehoben bzw. herabgesetzt werde; 7) die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG zuerkannt werde und eine mündliche Verhandlung anberaumt werde.

Im Einzelnen führte der BF dazu zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant im Wesentlichen aus, dass die allgemeine Sicherheitslage im Heimatland sehr miserabel und kritisch sei und er im Falle einer Rückkehr einer sehr großen Gefahr ausgesetzt werde und auch die Gefahr bestehe, dass er gezwungen werden könne, für die Taliban arbeiten zu müssen. Ihm drohe als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder körperlichen Unversehrtheit infolge unwillkürlicher Gewalt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative Kabul sei dem BF, der dort keine Verwandte habe, nicht zumutbar.

17. Mit Schreiben vom 25.06.2018, eingelangt am 03.07.2018, legte das BFA den gegenständlichen Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und verzichtete auf Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF, ein afghanischer Staatsangehöriger, hält sich zumindest seit dem 10.07.2015 im Bundesgebiet auf. Seine Identität steht nicht fest.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen - auszugsweise, soweit hier für das Provisorialverfahren von Belang - auf den Quellen, die schon das BFA seinem Bescheid zugrunde legte, nämlich dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018:

Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

Krankenhäuser in Afghanistan

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

Krankenhäuser in Kabul:

• Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

• Ataturk Children's Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

• Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

• Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

• Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

• Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

• Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

• Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

• Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

• Rabia-i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

• Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

Das ICRC:

-

stellt medizinische Unterstützung dem staatlich geführten Sheberghan Krankenhaus im Norden und dem regionalen Mirwais Krankenhaus im Süden zur Verfügung

-

stellt technische und finanzielle Unterstützung für 47 ARCS Kliniken (Afghan Red Crescent Society) und lokalen Freiwilligen, die Menschen in Konfliktgebieten medizinische Hilfe anbieten, zur Verfügung

-

stellt auf Anfrage medizinische Arzneiwaren, jenen Krankenhäusern zur Verfügung, in denen Massenverletzte sind

-

unterstützt im Süden das Betreiben eines Taxidienstes, der Verwundete in Krankenhäuser bringt

-

sendet medizinische Ausrüstungen in jene Konfliktgegenden, um Notfälle zu behandeln

-

betreibt sieben physikalische Rehabilitationszentren (diese werden oftmals als orthopädische Zentren in Afghanistan bezeichnet), in diesen werden Rehabilitation und soziale Integration für tausende Menschen mit Amputationen oder anderen Behinderungen angeboten

-

bildet Physiotherapeut/innen aus, die Menschen mit Rückenmarkverletzungen zu Hause besuchen (ICRC 2.9.2016).

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

-

AA - Auswärtiges Amt: Afghanistan - Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 28.11.2016, (Unverändert gültig seit: 11.11.2016)

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8845A1EEE2FAECF7D8808747FED28C35/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html?nn=343328#doc343208bodyText5, Zugriff 28.11.2016

-

Good Impact (17.12.2016): Sozialunternehmen - Wie Afghanistans größtes Mobilfunkunternehmen das Land verändert, http://goodimpact.org/magazin/wie-afghanistans-gr%C3%B6%C3%9Ftes-mobilfunkunternehmen-das-land-ver%C3%A4ndert, Zugriff 22.12.2016

-

ICRC (2.9.2016): The ICRC in Afghanistan - Overview, https://www.icrc.org/en/document/icrc-afghanistan-overview, Zugriff 28.11.2016

-

IOM - International Organization for Migration (11.10.2016):

INFORMATION - on the treatment opportunities for paranoid schizophrenia in Afghanistan. Zugriff 28.11.2016

-

IOM - International Organization for Migration (21.9.2016):

ZC222/21.09.2016,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18098970/Kabul_-_Medizinische_Versorgung%2C_Arbeitsmarkt%2C_Wohnsituation%2C_Bildung%2C_21.09.2016.pdf?nodeid=18364612&vernum=-2, Zugriff 25.1.2016

-

Max Planck Institute (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 30.10.2015

-

Time (31.8.2016): Inside One of Afghanistan's Largest Hospitals, http://time.com/4428860/inside-one-of-afghanistans-largest-hospitals/, Zugriff 28.11.2016

-

The Guardian (1.12.2016): Fresh hope for Kandahar newborns as Afghan healthcare gets a shot in the arm, https://www.theguardian.com/global-development/2016/dec/01/fresh-hope-kandahar-newborns-afghanistan-healthcare-mirwais-hospital?platform=hootsuite, Zugriff 22.12.2016

-

The Guardian (7.1.2015): Killing, not curing: deadly boom in counterfeit medicine in Afghanistan, http://www.theguardian.com/world/2015/jan/07/counterfeit-medicine-afghanistan-corruption-border-controls-drugs-poor, Zugriff 19.1.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Afghanistan, http://www.state.gov/documents/organization/253169.pdf, Zugriff 28.11.2016

-

WB - The World Bank (2.11.2016): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview, Zugriff 22.11.2016

-

The World Bank Group (10.2016): AFGHANISTAN Country Snapshot, http://documents.worldbank.org/curated/en/584381476781571691/pdf/109246-WP-AfghanistanCountrySnapshots-highres-PUBLIC.pdf, Zugriff 22.11.2016

Ethnische Minderheiten, insbesondere Hazara

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

...

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle, in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

...

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben bzw. dem Umstand, dass durch ihn keine unbedenklichen Dokumente vorgelegt werden konnten, noch sonst auftauchten. Weiters aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten.

2.2. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen auf den genannten aktualisierten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2.3. Der sonst im vorliegenden Provisorialverfahren maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Anzuwendendes Verfahrensrecht:

3.1.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.1.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.2. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

3.4. Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Wie eine Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsaktes ergibt, ist eine psychische Erkrankung des BF evident. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens muss prima facie davon ausgegangen werden, dass für den BF aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und mangelnder familiärer Unterstützung ein Gefährdungsrisiko bestehen kann. Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.5. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.7. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W150.2128647.2.00

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten