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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §35;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/20/0473 Ra 2017/20/0476 Ra 2017/20/0475 Ra 2017/20/0474Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in den Rechtssachen der Revision
1. des H M (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/20/0472), 2. der A S
(protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/20/0473), 3. der H M
(protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/20/0474), 4. der A M
(protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/20/0475), 5. der S M (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/20/0476), alle vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl-Lueger-Platz 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 2017, Zlen. W243 2166418-1/2E (zu 1.), W243 2166425- 1/2E (zu 2.), W243 2166419-1/2E (zu 3.), W243 2166415-1/2E (zu 4.) und W243 2166422-1/2E (zu 5.), jeweils betreffend Versagung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft in Damaskus), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die Dritt- bis Fünftrevisionswerberinnen sind deren minderjährige Kinder.
2 Mit Bescheid vom 5. April 2017, bestätigt durch die Beschwerdevorentscheidung vom 6. Juli 2017, wies die Österreichische Botschaft Damaskus die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, weil deren Bezugsperson in Österreich, der seit 4. Juli 2016 asylberechtigte Sohn bzw. Bruder der revisionswerbenden Parteien, bereits volljährig sei.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das BVwG habe zwar Feststellungen im Zusammenhang mit dem beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Vorabentscheidungsverfahren zu A und S, C-550/16, getroffen, es befinde aber in denkunlogischer Weise, dass der gegenständliche Fall anders gelagert sei und habe deswegen von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Das Urteil des EuGH zu A und S, C-550/16, könnte präjudiziell sein und eine solche Auslegung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nach sich ziehen, die letztlich zur Gewährung eines Einreisetitels zugunsten der revisionswerbenden Parteien gemäß § 35 AsylG 2005 führen würde.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 17.10.2017, Ra 2016/01/0216, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen bereits mehrfach Stellung genommen. Er ist dabei auch auf das jüngst ergangene Urteil des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, eingegangen und hat dargelegt, dass es für die Beurteilung der Minderjährigkeit einer in Österreich asylberechtigten Person, auf die sich Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 beziehen, auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge, nicht aber auf jenen der Antragstellung, ankommt. Auch nach der Familienzusammenführungsrichtlinie sei es nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 über dessen Wortlaut hinaus zu erweitern. Um das unionsrechtliche Ziel einer Familienzusammenführung zu erreichen, sei es hinreichend, dass den revisionswerbenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt werde, was bei unionsrechtskonformer Interpretation des nationalen Rechts nicht ausgeschlossen sei (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, mwN, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
11 Von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das BVwG mit seiner Entscheidung im Ergebnis nicht abgewichen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200472.L00Im RIS seit
17.07.2018Zuletzt aktualisiert am
19.07.2018