TE Vwgh Beschluss 2018/6/28 Ra 2018/19/0332

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des S A M, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. April 2018, W105 2117097-2/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 4. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er habe in Afghanistan eine außereheliche Beziehung mit einer jungen Frau begonnen. Die Familie dieser Frau habe ihn nach Bekanntwerden dieser Beziehung mit dem Tod bedroht. Während seines Studiums der Zahnmedizin in Kabul habe eine islamistische Gruppe versucht, ihn anzuwerben. Nachdem er dies abgelehnt habe, habe er flüchten müssen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 30. November 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 16. April 2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, die Beweiswürdigung des BVwG, in der sein Fluchtvorbringen nicht als glaubhaft erachtet worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Das BVwG werfe ihm in der Beweiswürdigung vor, sein Fluchtvorbringen wäre "knapp, höchst vage und unkonkret gewesen". Das BVwG habe ihm jedoch gar nicht ausreichend Zeit eingeräumt, seine Fluchtgründe darzulegen, sondern ihm bei seinem Versuch, diese zu schildern, sogar mit dem "Verhandlungsabbruch" gedroht.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0538, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis, in der sich das BVwG mit Widersprüchen und sonstigen Ungereimtheiten in den Aussagen des Revisionswerbers auseinander gesetzt hat, unvertretbar erfolgt wäre.

9 Nach der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, gegen die nach der Aktenlage keine Einwendungen erhoben wurden und deren Vollständigkeit und Richtigkeit auch in der Revision nicht konkret bestritten wird, wurde der Revisionswerber im Zuge seiner Einvernahme zwar aufgefordert, auf die ihm jeweils gestellten Fragen zu antworten und nicht zu anderen Themen abzuschweifen. Es wurde ihm jedoch die Möglichkeit gegeben, seine Fluchtgrunde umfassend zu schildern. Der Revisionswerber legt im Übrigen auch in der Revision nicht dar, konkret welche weiteren Angaben er noch hätte machen können.

10 In der Revision wird weiters vorgebracht, das BVwG habe sich auf nicht mehr aktuelle bzw. "ungeeignete Länderinformationen" gestützt und daher übersehen, dass der Revisionswerber bei einer Rückkehr nicht in der Lage sei, seine notdürftige Existenzgrundlage zu sichern.

11 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das BVwG seiner Entscheidung die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat (vgl. näher etwa VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0267, mwN). Nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ist der gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber, der in Afghanistan über Berufserfahrung verfügt und in Kabul die Universität besucht hat, ausgehend von der aktuellen Situation in seinem Herkunftsstaat bei einer Rückkehr nach Kabul in der Lage, sich durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu sichern. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Länderberichte, auf die das BVwG sich bei diesen Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan stützte, zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr aktuell oder aus einem anderen Grund als Grundlage für die getroffenen Feststellungen nicht geeignet gewesen wären. Soweit die Revision sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass sich aus einem Bericht der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ("Afghanistan - Fact Finding Mission Report") eine geänderte Lage in Afghanistan ergebe, ist zu entgegnen, dass selbst nach den Ausführungen in der Revision dieser Bericht erst Ende April 2018 - somit erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Fall - veröffentlicht wurde.

12 Der Revisionswerber wendet sich unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision weiters gegen die Rückkehrentscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0077, mwN). Der Revisionswerber vermag nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des BVwG auf einer mangelhaften verfahrensrechtlichen Grundlage bzw. unvertretbar erfolgt wäre.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190332.L00

Im RIS seit

18.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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