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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des R A in W, vertreten durch Mag. Rafael Sokolski, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Liechtensteinstraße 12/2/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Jänner 2018, Zl. L513 2164586-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 31. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 26. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters wies es den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 "mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 6 AVG 1991" zurück. Die Revision wurde gemäß § 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber von Angehörigen des IS oder von näher bezeichneten Milizen wegen seiner früheren Tätigkeit als Friseur oder wegen seiner Tätigkeit als Musiker bedroht und verletzt worden sei. Im Fall einer Rückkehr könne keine individuelle Gefährdung des Revisionswerbers festgestellt werden, insbesondere nicht in Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In der Begründung zur Zulässigkeit der Revision wird ausschließlich vorgebracht, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe. Es sei weder dem Beschwerdevorbringen substantiiert entgegengetreten worden, noch auf die umfangreich dokumentierte Verfolgung von Musikern und Friseuren sunnitischer Glaubensrichtung, insbesondere in Bagdad, eingegangen worden. Ebenso wenig habe das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers, es fehle die Schutzfähigkeit des irakischen Staates, thematisiert. Wäre dem Revisionswerber die Möglichkeit gegeben worden, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung seine Fluchtgründe zu wiederholen, hätte er allfällige - vermeintliche - Widersprüche aufklären und das Gericht von seiner Glaubwürdigkeit überzeugen können.
7 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind:
8 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0410, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass ein Revisionswerber, der - wie im vorliegenden Fall - ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, konkret anzuführen hat, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0007, mwN).
10 Eine derartige Darstellung findet sich in den Ausführungen zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision nicht. Der Revisionswerber zeigt nicht auf, inwiefern die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen wären.
Im Übrigen setzte sich das Bundesverwaltungsgericht - entgegen dem Revisionsvorbringen - mit der behaupteten Verfolgung von Musikern und der Gefährdung als Friseur auseinander und verwies dabei unter anderem auf die Ausführungen des BFA zur Gefährdung von Personen, denen "Kollaboration" oder "unislamisches Verhalten" vorgeworfen werde. Auch wird mit der Rüge des Revisionswerbers, es sei die fehlende Schutzfähigkeit des irakischen Staates nicht thematisiert worden, kein Abweichen von der Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht begründet. Für das Bundesverwaltungsgericht waren spezifische Feststellungen zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Herkunftsstaates deshalb nicht geboten, weil es anhand seiner Feststellungen zum Ergebnis gekommen ist, dem Revisionswerber drohe keine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. private Gruppierungen.
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190090.L00Im RIS seit
19.07.2018Zuletzt aktualisiert am
03.08.2018