TE Vwgh Beschluss 2018/6/28 Ra 2017/19/0447

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 2005 §3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des K O in V, vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Lidmanskygasse 39, gegen das am 16. August 2017 mündlich verkündete und am 24. August 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. I408 2147578-1/9E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Revisionswerbers, die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abzutreten, wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist sudanesischer Staatsangehöriger. Er stellte am 5. August 2014 gemeinsam mit seiner Ehefrau und den sechs minderjährigen Kindern Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden vom 30. Jänner 2017 wurden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Antragstellern jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29. Jänner 2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

3 Die dagegen erhobenen Beschwerden vom 13. Februar 2017 richteten sich jeweils ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten.

4 Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 16. August 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

In der schriftlichen Ausfertigung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass keine Verfolgung auf Grund der Religion, Rasse oder politischen Einstellung des Revisionswerbers vorliege. Selbst in einem Staat herrschende "allgemein schlechte Verhältnisse" oder "bürgerkriegsähnliche Zustände" würden für sich alleine keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründen. Die vom Revisionswerber und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Fluchtgründe seien weder glaubhaft noch würden sie wegen des Neuerungsverbotes zum Tragen kommen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, dass die geltend gemachten asylrelevanten Gründe nicht gehörig beachtet worden seien. Die vorgebrachten Fluchtgründe seien als nicht glaubhaft angesehen worden, obwohl der Revisionswerber von Beginn geschildert habe, dass er von der Regierung diskriminiert und belästigt worden sei. Dreimal seien Männer in Militäruniform zu ihm nach Hause gekommen. Auch habe der Revisionswerber stets betont, dass man in seiner Heimat nichts hätte sagen können, weil man sonst erschossen worden wäre. Da all diese Umstände bisher in keiner Weise ausreichend erörtert worden seien, liege diesbezüglich eine eklatante Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

7 Mit diesem Vorbringen wendet sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0051, mwN).

8 Dass im vorliegenden Fall eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung vorliege, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Mit der allgemeinen Rüge, wonach gewisse Umstände nicht ausreichend erörtert und seine Fluchtgründe zu Unrecht als unglaubwürdig angesehen worden wären, vermag er nicht darzulegen, inwiefern die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

9 Der Revisionswerber führt weiters aus, die Behörde wäre, wenn sie sein Vorbringen nicht schlüssig erachtet hätte, dazu verhalten gewesen, ihn näher zu befragen und Unklarheiten aufzuklären. Er sei nunmehr von der Rechtsansicht der Behörde (gemeint wohl: des Bundesverwaltungsgerichtes) überrascht worden.

10 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil eine derartige Verpflichtung weder für die Behörde noch für das Verwaltungsgericht besteht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Behörde (und auch das Verwaltungsgericht) dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts nicht zur Kenntnis bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. dazu, aber auch zur Unionsrechtskonformität dieser Rechtslage VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089).

11 Soweit der Revisionswerber Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht von Bescheiden zitiert, lässt er offen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von dieser Rechtsprechung abweichen soll (vgl. VwGH 1.9.2017, Ra 2017/19/0210).

12 Der Revisionswerber beantragt schließlich "die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gem. Art. 139 (1) b - vg bzw. 140

(1) zur Aufhebung von Gesetzen abzutreten, weil Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Gesetze bestehen oder weil (er) in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt worden (ist)". In der Revision wird dabei jedoch in keiner Weise ausgeführt, worin die Verfassungswidrigkeit bestehen soll. Derartige verfassungsrechtliche Bedenken wären für sich betrachtet aber auch nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. VwGH 18.1.2016, Ra 2015/18/0284, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Auch der Antrag auf Abtretung der "Beschwerde" an den Verfassungsgerichtshof ist unzulässig, weil eine derartige Abtretung gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. erneut VwGH Ra 2015/18/0284).

Wien, am 28. Juni 2018

Schlagworte

freie BeweiswürdigungAbstandnahme vom ParteiengehörBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190447.L00

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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