TE Vwgh Beschluss 2018/6/28 Ra 2017/02/0109

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. März 2017, Zl. LVwG-601646/15/SE/VT, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: H in S, vertreten durch die Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG in 4020 Linz, Graben 21), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 17. Oktober 2016 wurde die mitbeteiligte Partei einer Übertretung der StVO schuldig erkannt. Der mitbeteiligten Partei wurde vorgeworfen, trotz Rotlichtes der Verkehrssignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten zu haben, sondern weiter gefahren zu sein. Lenker von Fahrzeugen, für die auf Grund grünen Lichtes freie Fahrt galt, seien zum Ablenken ihrer Fahrzeuge genötigt worden, wodurch es zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit gekommen sei. Dadurch sei § 38 Abs. 5 StVO sowie § 38 Abs. 1 lit. a StVO iVm § 99 Abs. 2c Z 6 StVO verletzt worden und wurde gemäß § 99 Abs. 2c Z 6 StVO eine Geldstrafe von insgesamt EUR 180,-- (Ersatzfreiheitstrafe: 50 Stunden) verhängt. Ferner wurde ein Kostenbeitrag von EUR 18,-- verhängt.

2 In der gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde führte die mitbeteiligte Partei aus, dass sie am 27. Februar 2016 gegen 23:13 Uhr in Linz vom Graben kommend in Richtung Promenade gefahren sei. An der näher bezeichneten Kreuzung befänden sich links und rechts der Fahrbahn Ampeln, die den Kreuzungsbereich regelten. Zudem befinde sich in der genannten Fahrtrichtung vor jeder Ampel eine Bushaltestelle, wobei sich in Fahrtrichtung der mitbeteiligten Partei keine separate Bushaltebucht befinde, sondern die Haltestelle unmittelbar auf der Fahrbahn eingerichtet sei. In die entgegengesetzte Fahrtrichtung sei die Bushaltestelle als separate Haltebucht ausgestaltet. Der Fließverkehr werde sohin in dieser Fahrtrichtung durch den Bus, der in der Haltestelle halte, nicht beeinträchtigt. Zum genannten Zeitpunkt hätten sich in beiden beschriebenen Bushaltestellen Busse befunden, die dort minutenlang gestanden seien. Die Busse hätten dabei so in der Haltebucht angehalten, dass sie die vor der Kreuzung etablierten Ampeln zur Gänze verdeckt hätten, sodass man als vorbeifahrender Autofahrer keinen Blick auf die Lichtsignale der Ampel werfen habe können. Die mitbeteiligte Partei habe mit ihrem Fahrzeug hinter dem Bus, dessen Haltestelle auf der Fahrbahn eingerichtet gewesen sei, lange Zeit gewartet, wobei sich keiner der beiden Busse in Bewegung gesetzt habe. Nach langer Wartezeit - und nachdem ein ihr unbekannter anderer Autofahrer sie überholt habe und am Bus vorbei in die Kreuzung eingefahren sei - habe sich die mitbeteiligte Partei entschlossen, an dem in ihrer Fahrtrichtung haltenden Bus (ebenfalls) vorbeizufahren. Es sei der mitbeteiligten Partei nicht bekannt gewesen, dass es sich um eine ampelgeregelte Kreuzung handle, sodass sie langsam in die Kreuzung eingefahren und auf der Promenade weitergefahren sei. Ein direkter Blickkontakt auf eine der beiden Ampeln sei zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen.

3 Weiters brachte die mitbeteiligte Partei vor, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe ein Kfz-technisches Gutachten einzuholen bzw. die beiden Chauffeure der Linz-Linien Busse ausfindig zu machen und einzuvernehmen, um die Richtigkeit der Angaben der mitbeteiligten Partei - insbesondere zur überlangen Stehzeit in der Haltestelle und zum Verdecken der Ampelsignale - beweisen zu können. Auch sei von der mitbeteiligten Partei mehrfach aufgezeigt worden, dass sich entgegen der Feststellungen der belangten Behörde, an der gegenständlichen Kreuzung keine Haltelinien befunden hätten.

4 Das Landesverwaltungsgericht gab nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und nach Einholung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigengutachtens der Beschwerde folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

5 Das Landesverwaltungsgericht ging von folgendem Sachverhalt aus: Die mitbeteiligte Partei sei am 27. Februar 2016, um 23:13 Uhr bei der gegenständlichen Kreuzung (Graben-Landstraße-Promenade-Schmidtorstraße) in Richtung Promenade trotz Rotlichtes über die Kreuzung gefahren. Aus Richtung Schmidtorstraße habe sich ein Polizeiauto genähert. Bei den Bushaltestellen Taubenmarkt sei in Richtung Promenade ein Bus von 23:09:40 Uhr bis 23:13:34 Uhr gestanden. In Richtung Donaulände sei ein Bus von 23:10 Uhr bis 23:13:16 Uhr gestanden.

6 Die mitbeteiligte Partei habe vorerst hinter dem vor ihr befindlichen Bus angehalten. Nachdem sie von einem anderen Autofahrer überholt worden sei, der auch an dem Bus vorbei in die Kreuzung eingefahren sei, sei die mitbeteiligte Partei auch hinter diesem Bus hervorgefahren. Sie sei in Schrittgeschwindigkeit zur Kreuzzug gefahren, habe vor dem Schutzweg angehalten und habe sich durch Blick nach links und rechts vergewissert, ob sie die Kreuzung überqueren könne. Auch der Beifahrer habe sich vergewissert. Der Beifahrer habe das herannahende Polizeifahrzeug gesehen. Aufgrund der Position der Busse in den Haltestellen, sei es der mitbeteiligten Partei und auch dem Beifahrer nicht möglich gewesen, die sich links und rechts befindlichen Ampeln einzusehen. Auch das neben der Ampel befindliche Stoppschild sei nicht einzusehen gewesen. Der an der Fahrbahn der mitbeteiligten Partei haltende Bus habe eine sogenannte Fahrbahnhaltestelle, wodurch er mitten auf der Fahrbahn stehe. Die rechtsseitig befindliche Ampel sei komplett durch den Bus, der in der Fahrbahnhaltestelle gestanden sei, verdeckt worden. Die Ampel, die sich in Fahrtrichtung der mitbeteiligten Partei auf der linken Seite befunden habe, sei überhaupt nicht einsehbar, wenn ein Bus in der Haltestelle stehe, egal welche Konstellation man für den in der Busbucht stehenden Bus annehme. Wenn der vor der mitbeteiligten Partei befindliche Bus in seiner Halteposition sich nur knapp vor der dortigen Lichtsignalanlage befinde, könne diese Ampel vom vorbeifahrenden Fahrzeug nicht mehr wahrgenommen werden. Die mitbeteiligte Partei habe vor dem Schutzweg, bevor sie die Straße gequert habe, angehalten. Eine Haltelinie würde sich dort nicht befinden. Unbestritten sei, dass die mitbeteiligte Partei am 27. Februar 2016 um 23:13 Uhr bei Rot über die gegenständliche Kreuzung gefahren sei.

7 Der verkehrstechnische Amtssachverständige habe die örtlichen Bedingungen ausführlich und präzise beschrieben sowie schlüssig und nachvollziehbar die Ergebnisse dargestellt. Die Angaben der Linz AG hätten bestätigt, dass vor der gegenständlichen Kreuzung Busse in beiden Haltestellen zu den Tatzeitpunkten angehalten haben. Die mitbeteiligte Partei und ihr Beifahrer hätten glaubwürdig dargestellt, dass beide vorhandenen Ampeln durch die dort befindlichen Busse verdeckt gewesen seien. Der verkehrstechnische Amtssachverständige habe dies durch seine Aussagen bestätigen können.

8 Der mitbeteiligten Partei sei es nicht möglich gewesen, das Rotlicht zu erkennen. Dies wäre aber auch einem rechtstreuen, gewissenhaften und besonnenen Kfz-Lenker in der konkreten Lage der mitbeteiligten Partei nicht möglich gewesen. Es könne somit dahingestellt werden, ob der objektive Tatbestand des § 38 Abs. 5 StVO 1960 tatsächlich erfüllt sei, da der mitbeteiligten Partei dies mangels Vorliegens des subjektiven Verschuldens nicht vorgeworfen werden könne.

9 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich gegenständliche

Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung.

11 Die oberösterreichische Landesregierung hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die revisionswerbende Partei behauptet in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und verweist auf die hg. Erkenntnisse vom 28.6.2002, 2002/02/0117, und vom 24.4.2014, 2013/01/0172. Das Landesverwaltungsgericht sei entgegen seinen Ausführungen von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Verhaltens eines im Nachrang befindlichen Kraftfahrzeuglenkers bei Sichtbehinderung auf die Ampelschaltung abgewichen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrmals entschieden, dass ein Fahrzeuglenker, der trotz roten Lichtes in die Kreuzung einfahre, das Gebot des § 38 Abs. 5 StVO missachte, gleichgültig, an welcher der drei in Betracht kommenden Stellen (Haltelinie, Schutzweg, Kreuzung selbst) er anzuhalten gehabt hätte.

16 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, hg. Erkenntnisse der Zahl nach zu zitieren, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 13.3.2018, Ra 2018/02/0077, mwN).

17 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung aber vom -

durch die Aktenlage bestätigten - Sachverhalt, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 14.3.2016, Ra 2016/02/0011, mwN). Den beiden zitierten Erkenntnissen vom 28.6.2002, 2002/02/0117, und vom 24.4.2014, 2013/01/0172, ist nicht zu entnehmen, dass eine Sichtbehinderung auf das rote Licht der Ampel vorlag. Es handelte sich jeweils um einen anderen Sachverhalt, weshalb das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall auch nicht von der zitierten Rechtsprechung abgewichen ist.

18 Legt die revisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung nicht konkret dar, dass der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Erkenntnisse gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hätte und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, so zeigt die revisionswerbende Partei keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 19.5.2014, Ra 2014/09/0001).

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020109.L00

Im RIS seit

18.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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