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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Dr. N. Bachler und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des S in A, vertreten durch Dr. Robert Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Kapuzinerberg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 12. April 2018, Zl. LVwG-601913/20/WP, betreffend Übertretungen der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,-
- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,-- verhängt wurde.
5 Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Revisionsfall, soweit sich die vorliegende Revision gegen die mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgte Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis richtet, zu.
6 Über den Revisionswerber wurde damit wegen einer Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO - diese Bestimmung sieht einen Strafrahmen von bis zu EUR 726,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen vor - eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden) verhängt.
7 Die Revision war daher in diesem Umfang als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig zurückzuweisen.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber des Weiteren im Beschwerdeverfahren einer Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO schuldig erkannt und über ihn deswegen eine Geldstrafe von EUR 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 115 Stunden) verhängt.
9 Soweit sich die vorliegende Revision dagegen richtet, erweist sie sich ebenfalls als nicht zulässig.
10 In der Zulässigkeitsbegründung wird dazu ausgeführt, dass der Revisionswerber die ihm zumutbare gehörige Sorgfalt habe obwalten lassen, indem er vor dem Weiterfahren in beide Außenspiegel geblickt habe und erst danach angefahren sei; mehr könne von ihm nicht verlangt werden. Zudem stelle die Unterlassung der vom Revisionswerber beantragten Stellprobe einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Hinweis auf VwGH 7.9.1988, 88/18/0093).
11 Voraussetzung für die Anhaltepflicht des hier gegenständlichen § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte. Der Lenker eines Fahrzeuges hat bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (vgl. VwGH 17.11.2014, 2012/02/0237 und 0276, mwH).
12 Dem Verwaltungsgericht kann nicht entgegengetreten werden, wenn es im Rahmen der jedenfalls vertretbaren Beweiswürdigung unter Zugrundelegung der als glaubwürdig erachteten Aussagen einer unbeteiligten Zeugin und des schlüssigen technischen Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gekommen ist, dass der Revisionswerber beim Wegfahren mit seinem in äußerst knappem Abstand zum anderen Fahrzeug (den Feststellungen zufolge weniger als 15 cm) in zweiter Spur abgestellten LKW den Seitenspiegel jenes Fahrzeuges beschädigt hat, sowie dass der Revisionswerber im Bewusstsein seines riskanten Fahrmanövers zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet war (VwGH 30.6.1993, 93/02/0059; 22.5.1991, 90/03/0099; 20.11.1986, 86/02/0101, jeweils mwH) und sich folglich hätte vergewissern müssen, dass er durch sein Fahrmanöver keinen Verkehrsunfall bzw. keinen Schaden verursacht habe. Zwar bestand dem Gutachten zufolge die Möglichkeit, dass für den Revisionswerber die Beschädigung des Seitenspiegels des daneben parkenden Autos beim Wegfahren akustisch oder kinetisch nicht wahrnehmbar war, allerdings hat der Revisionswerber nicht einmal behauptet, dass er sich im Zuge oder zumindest nach Beendigung seines Fahrmanövers - etwa durch einen Blick in den Rückspiegel - vergewissert hat, dass er dabei keine Schäden am Nebenfahrzeug verursacht habe. Da er dies unterließ, hat das Verwaltungsgericht zutreffend und im Einklang mit der hg. Judikatur auch die subjektive Tatseite als erfüllt angesehen (vgl. dazu VwGH 7.3.2016, Ra 2016/02/0020, mwH).
13 Soweit die Revision in der Unterlassung der vom Revisionswerber beantragten Stellprobe einen wesentlichen Verfahrensmangel zu erkennen vermeint, ist dem zu entgegnen, dass ausgehend von den eindeutigen und schlüssigen Ausführungen des kraftfahrtechnischen Sachverständigen zur Frage des Ablaufs und der Auswirkungen des Fahrmanövers kein Anlass für das Verwaltungsgericht zur Vornahme einer Stellprobe bestand (vgl. auch VwGH 27.4.2000, 98/02/0145). Zudem gelingt es der Revision auch nicht, die Relevanz der unterlassenen Stellprobe darzulegen (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2018/02/0098), zumal den gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wird. Eine absolute Verpflichtung zur Vornahme einer Stellprobe - unabhängig von den Umständen des Einzelfalls - besteht dagegen nicht. Eine solche ist entgegen der Revisionsansicht auch nicht aus VwGH 7.9.1988, 88/18/0093, ableitbar, zumal in dem dieser zu § 23 StVO ergangenen Entscheidung zugrundeliegenden Fall die Aufwendigkeit des zum Ausparken erforderlichen Fahrmanövers zu beurteilen war, um die Frage zu beantworten, ob der Aufforderer sein Fahrzeug ohne größeren Zeitaufwand und ohne komplizierte Fahrmanöver von seinem Abstellplatz hätte entfernen können; in jenem Fall erwies sich eine Stellprobe fallbezogen - anders als im gegenständlichen Fall -
als zur Klärung des Sachverhalts erforderlich.
14 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher auch im Hinblick auf die bekämpfte Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO zurückzuweisen.
Wien, am 2. Juli 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020203.L00Im RIS seit
18.07.2018Zuletzt aktualisiert am
26.07.2018