TE OGH 2018/6/12 5Ob99/18x

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. O*****, vertreten durch Pfletschinger Renzl Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag. Stefan Hajos, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. März 2018, GZ 39 R 321/17w-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren betreffend das vom Beklagten gemietete Geschäftslokal mangels – gerade noch nicht – groben Verschuldens am Mietzinsrückstand für Dezember 2016 und Jänner 2017 ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und verpflichtete den Beklagten zur Räumung. Der Beklagte habe das Recht des Vermieters auf regelmäßige Mietzinszahlungen gravierend missachtet, sodass von grobem Verschulden auszugehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Ob den Mieter, der nach Einbringung der Klage bzw Zustellung der Aufkündigung den geschuldeten Betrag entrichtet, am Zahlungsrückstand grobes Verschulden im Sinn des § 33 Abs 2 MRG trifft, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042773 [T1]). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht den bei der Beurteilung des groben Verschuldens eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS-Justiz RS0042773 [T2, T3]; jüngst 3 Ob 112/17t und 4 Ob 204/17d). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die außerordentliche Revision nicht auf:

2. Im Allgemeinen kann nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten toleriert werden, häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (RIS-Justiz RS0070310). Der Oberste Gerichtshof hat es schon mehrfach als zulässig angesehen, bei der Beurteilung des Verschuldens auch das Zahlungsverhalten des Mieters vor dem Räumungsprozess zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0069316 [T2, T7]; 3 Ob 71/12f = immolex 2012/98 [Klein]).

                  3. Nach den für die rechtliche Beurteilung ausreichenden erstgerichtlichen Feststellungen kam der Beklagte seit zumindest 2011 immer wieder in Rückstand mit seinen Mietzinszahlungen und wurde regelmäßig von der Hausverwaltung gemahnt. Zumindest einmal vor 2016 mahnte ein von der Hausverwaltung beauftragter Rechtsanwalt Mietzins ein. Von Juni 2016 bis einschließlich November 2016 befand sich der Beklagte ständig mit seinen Mietzinszahlungen im Rückstand und wurde jedes Monat gemahnt. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Mietzins- und Räumungsklage bestanden Mietzinsrückstände für die Monate Dezember 2016 und Jänner 2017, die der Beklagte erst am 9. März 2017 bezahlte, obwohl er aufgrund eines von ihm wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten bereits im Sommer 2016 veranlassten Liegenschaftsverkaufs, der aufgrund der Notwendigkeit der Teilung der Liegenschaft längere Zeit in Anspruch nahm, Anfang Februar 2017 einen Kauferlös von rund 37.000 EUR erhalten hatte.

                  4. Der Beklagte, den nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0069316) die Behauptungs- und Beweislast für sein mangelndes grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses trifft und der daher den ihn entschuldigenden Sachverhalt in jeder möglichen Richtung zu konkretisieren hätte (RIS-Justiz RS0069316 [T4, T6], wendete im Verfahren erster Instanz lediglich ein, er habe damit gerechnet, den Kaufpreis aus dem Grundstücksverkauf früher zu erhalten, und ein Freund, dem er ein Darlehen gewährt habe, habe dieses entgegen seiner Zusage statt Ende des Jahres 2016 erst Anfang März 2017 zurückgezahlt. Gründe, die es rechtfertigen könnten, ungeachtet der Auszahlung des Restkaufpreises von rund 37.000 EUR bereits Anfang Februar 2017 die bereits eingeklagten Mietzinse für Dezember 2016 und Jänner 2017 erst am 9. März 2017 zu bezahlen, lassen sich dem Vorbringen des Beklagten hingegen nicht entnehmen.

5. Bei der Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, ist seine „Willensrichtung“, die zur Zahlungssäumnis führte, maßgebend (RIS-Justiz RS0069316 [T2, T12, T14]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus (vgl RIS-Justiz RS0069304). Nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts lässt das Verhalten des Beklagten hier insgesamt betrachtet den Schluss auf eine den Grad groben Verschuldens erreichende Gleichgültigkeit des Beklagten gegenüber den Interessen des Vermieters zu. Zwar bemühte sich der Beklagte, durch den Verkauf seiner Liegenschaft zu ausreichender Liquidität zu gelangen; nach dem – wenn auch unerwartet späten – Einlangen des Kaufpreises verwendete er diesen aber gerade nicht dazu, unverzüglich die längst fälligen Mietzinse für Dezember 2016 und Jänner 2017 zu begleichen. Dies legt im Zusammenhang mit den festgestellten regelmäßigen Mietzinsrückständen in den Jahren zuvor eine gravierende Missachtung des Rechts des Vermieters auf regelmäßige Zinszahlung nahe und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Ob auch die Darlehensgewährung des Beklagten an einen Freund im Ausmaß von immerhin 6.000 EUR zum Zweck der Sanierung einer Eigentumswohnung ungeachtet der dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Umsatzeinbußen im Sommer 2016 und den zu erwartenden geringen Umsätzen im November und Dezember als grob schuldhaft zu werten wäre, bedarf daher keiner Erörterung mehr.

6. Die vom Beklagten behauptete eklatante Überschreitung des richterlichen Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht ist somit nicht zu erkennen. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E122095

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00099.18X.0612.000

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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