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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §21 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des F P in Linz, geboren am 1. Dezember 1957, vertreten durch Mag. Dr. Ernst Reitmayr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Spittelwiese 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Juli 1999, Zl. 203.325/1-VIII/24/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 12. August 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. August 1995 Asyl.
Bei seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme am 16. August 1995 gab er an, er sei nie Mitglied einer Partei gewesen, sympathisiere aber mit den Mudjaheddin. Am 15. März 1995 habe er einen "Revolutionswächter", der der Frau des Beschwerdeführers die Kopfbedeckung ins Gesicht gezogen habe, um ihre Haare zu verdecken, tätlich angegriffen und blutig geschlagen. Er sei deshalb einige Tage in Polizeihaft gewesen und habe in weiterer Folge an einem Gerichtstermin wegen dieses Vorfalles teilgenommen, einer weiteren gerichtlichen Ladung aber nicht mehr Folge geleistet. Am 19. Juni 1995 sei seiner Ehegattin ein gerichtliches Urteil zugestellt worden, mit dem er zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 80 Peitschenhieben verurteilt worden sei. Mit der Aufforderung, sich an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Gefängnis zu begeben, sei dies nicht verbunden gewesen. Am 3. August 1995 sei der Sohn des Beschwerdeführers in die Werkstätte gekommen, in der der Beschwerdeführer gerade gearbeitet habe, und habe ihm mitgeteilt, dass "Revolutionswächter" die Wohnung gestürmt hätten. Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit seinem Sohn geflohen. Seine Frau sei verhaftet worden.
Bei der Fortsetzung und teilweisen Wiederholung der Einvernahme am 17. August 1995 wich der Beschwerdeführer von der am Vortag gegebenen Darstellung vor allem hinsichtlich der Datierung der beiden Ladungen zu Gericht teilweise ab. Ergänzend gab er nun an, er hätte sich nach der Verurteilung dem Gericht gestellt, wenn er nicht auf Grund seiner Tätigkeit für die Mudjaheddin Angst gehabt hätte. Der Beschwerdeführer habe für die Mudjaheddin Flugzettel verteilt. Er habe die Flugzettel von Freunden erhalten und nachts in die Häuser und Wohnungen getragen. Auf den Vorhalt, dass er aber nicht deshalb angeklagt und verurteilt worden sei, erwiderte der Beschwerdeführer, irgendwann hätte man vielleicht von seiner Sympathie zu den Mudjaheddin erfahren.
In seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. August 1995, mit dem sein Asylantrag abgewiesen wurde, brachte der Beschwerdeführer vor, die erste Einvernahme sei ohne Not abgebrochen worden und bei der zweiten Einvernahme am darauf folgenden Tag habe er Angst gehabt, weil er auf Grund von Gesprächen mit anderen Flüchtlingen befürchtet habe, dass er nun abgeschoben werden solle. Richtig seien die Angaben vom ersten Tag, mit der Einschränkung, dass er zu 73 und nicht zu
80 Peitschenhieben verurteilt worden sei.
Am 9. Oktober 1996 legten die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der damaligen Berufungsbehörde zwei Urkunden vor, die der Vater des Beschwerdeführers ihm in einem Paket, das der Beschwerdeführer im April 1996 erhalten habe, zugeschickt habe. Bei den vorgelegten Urkunden handelte es sich um eine Kopie und eine Übersetzung eines Haftbefehls vom 20. August 1995 sowie das Original und eine Übersetzung eines an den ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers gerichteten Schreiben eines Strafgerichtes vom 24. August 1995. Zu diesem Schreiben wurde vorgebracht, der Vater des Beschwerdeführers habe es von einem guten Bekannten des Beschwerdeführers erhalten, der in der Posteinlaufstelle der Firma arbeite. Die Kopie des Haftbefehls habe mit Hilfe eines Cousins des Beschwerdeführers, der Polizeioffizier sei, durch Zahlung von Schmiergeld erlangt werden können.
Mit einer weiteren Eingabe vom 27. Februar 1997 übermittelten die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Berufungsbehörde ein persönliches Schreiben des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1997 sowie das Original und eine Übersetzung eines von einem örtlichen Wachkommando an eine Provinzzentrale gerichteten Schreibens vom 11. November 1996 über die Festnahme der Ehegattin des Beschwerdeführers im Oktober 1996. In dem Schreiben vom 28. Jänner 1996 behauptete der Beschwerdeführer unter anderem, bei einer Hausdurchsuchung am 3. Juli 1996 seien "Unterlagen und Veröffentlichungen gegen die derzeitige Regierung" sichergestellt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 1999 wies die belangte, auf Grund des Asylgesetzes 1997 zuständig gewordene Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie ging davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers über die ihm drohende Verfolgung zur Gänze unglaubwürdig sei, und stützte diese Beweiswürdigung zunächst auf Widersprüche vor allem zwischen den Angaben des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung am 6. Juli 1999 und seinen früheren Angaben. An zwei Stellen der insgesamt sehr ausführlichen Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen führte die belangte Behörde jeweils auch aus, die Tatsache, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden vom 20. und 24. August 1995 um Fälschungen handle, spreche ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.
In einem eigenen, diesem Thema gewidmeten Absatz der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde sodann Folgendes aus:
"2.2.5. Zu diesen zahlreichen Widersprüchen, Abänderungen des Vorbringens und ausweichenden, nicht nachprüfbaren Äußerungen tritt entscheidungswesentlich das Ergebnis der Überprüfung der vom Berufungswerber vorgelegten, mit 20. und 24.8.1995 datierten Gerichtsdokumente, laut deren Inhalt er wegen seiner Zusammenarbeit mit den Mudjaheddin gesucht wird. Das Gutachten des der Österreichischen Botschaft in Teheran zur Verfügung stehenden iranischen Rechtsexperten ergab, dass beide Dokumente aus näher bezeichneten Gründen, welche auch den Parteien des Verfahrens zur Kenntnis gebracht wurden, gefälscht sind. Diesen Ergebnissen trat der Berufungswerber weder in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 17.2.1999 noch in der mündlichen Berufungsverhandlung anders entgegen als mit der Behauptung, der Inhalt der Dokumente entspreche der Wahrheit. Angesichts der auch von den Parteien nicht in Frage gestellten Seriosität des Gutachters und der Plausibilität seiner Angaben, denen der Berufungswerber nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten konnte, besteht für die Berufungsbehörde kein Grund daran zu zweifeln, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten um Fälschungen handelt. Im Zusammenhalt mit den bereits aufgezeigten Divergenzen und Unklarheiten lässt diese Tatsache das Vorbringen des Berufungswerbers vollends unglaubwürdig erscheinen."
Abgesehen von einem Hinweis darauf, dass das Schriftstück vom 11. November 1996 über die Inhaftierung der Ehegattin des Beschwerdeführers keinen Zusammenhang mit dessen angeblicher Verfolgung erkennen lasse, hob die belangte Behörde noch hervor, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung auch durch sein Verhalten keinen persönlich glaubwürdigen Eindruck erweckt habe.
Bei der rechtlichen Beurteilung des Falles ging die belangte Behörde davon aus, es stehe "auf Grund der Unglaubwürdigkeit des Berufungswerbers in Verbindung mit den nachvollziehbaren Ergebnissen des Gutachtens über die von ihm vorgelegten Dokumente" (gemeint offenbar: die zwei zuerst vorgelegten Urkunden) "fest, dass sein im Asylverfahren erstattetes Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht", weshalb die Voraussetzungen des § 7 AsylG nicht erfüllt seien. Dies verband die belangte Behörde mit einer Eventualbegründung für den Fall, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm zunächst behauptet, wegen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem "Revolutionswächter" (aber nicht wegen einer den Behörden bekannt gewordenen oder von ihnen angenommenen Sympathie des Beschwerdeführers für die Mudjaheddin) verurteilt und anschließend gesucht worden wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Inhalt des vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegten Haftbefehles vom 20. August 1995 soll - der gleichfalls vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersetzung zufolge - ein Auftrag des "Gerichtes Teheran" an die "Justiz der Provinz Gilan, Rascht; Gebiet 1" sein, den Beschwerdeführer "auf Grund seiner Zusammenarbeit mit der gehassten Organisation Mojahedin sowie seiner terroristischen Aktivitäten" zu verhaften, oder das Gericht sofort zu informieren, wenn sein Versteck bekannt werde. Das Schreiben soll den "Stempel der Abteilung 16 des Revolutionsgerichtes" tragen.
Das an den früheren Dienstgeber des Beschwerdeführers gerichtete Schreiben vom 24. August 1995 soll von der "Justiz der Provinz Gilan-Rascht" stammen und vom "Leiter der Abteilung 1 des Strafgerichtes Rascht" unterfertigt sein. Nach dem Inhalt dieses Schreibens werde der Beschwerdeführer "wegen seiner Straftaten in der Vergangenheit sowie seiner Zusammenarbeit mit der gehassten Organisation Mojaheddin" gesucht.
In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Überprüfung dieser Urkunden durch einen Rechtsexperten im Heimatland des Beschwerdeführers verstoße gegen § 21 Abs. 2 AsylG, die Befähigung und der Sachverstand dieses Rechtsexperten blieben völlig im Dunkeln, sodass es sich nicht um ein Gutachten, sondern um eine bloße Meinungsäußerung ohne Beweiswert handle, und die belangte Behörde hätte die ihr bekannte Praxis totalitärer Staaten, staatliche Maßnahmen zu verschleiern und zu vertuschen, berücksichtigen müssen. Diese Praxis könne sich auch "auf die Frage der Existenz eines bestimmten Gerichtes zu einem bestimmten Zeitpunkt beziehen".
Über das Zustandekommen des von der belangten Behörde herangezogenen "Gutachtens" enthalten die vorgelegten Verwaltungsakten zunächst folgenden Aktenvermerk der belangten Behörde vom 23. November 1998:
"Am heutigen Tage befragte das zuständige Mitglied des UBAS den bei der Berufungsbehörde anwesenden Vertrauensanwalt der ÖB
Teheran Dr. ..... zu den vom BW mit Schreiben seines
Rechtsvertreters vom 9.10.1996 und vom 27.2.1997 vorgelegten Urkunden (Fahndungsbefehl vom 20.8.1995 in Kopie und vom 24.8.1995 im Original, Haftbestätigung der Ehegattin vom 11.11.1996 im Original). Der Vertrauensanwalt nahm Kopien der Dokumente mit, um sie in Teheran genau zu überprüfen. Eine Antwort erfolgt über die ÖB Teheran."
Am 24. November 1998 richtete die belangte Behörde ein im Betreff als "Ermittlungsersuchen" bezeichnetes Schreiben an den österreichischen Botschafter in Teheran, worin dieser ersucht wurde, eine baldige schriftliche Antwort des Vertrauensanwaltes zu erwirken und an die belangte Behörde weiter zu leiten.
Dem Akt kann nicht entnommen werden, dass der Aktenvermerk vom 23. November 1998 oder das "Ermittlungsersuchen" vom 24. November 1998 dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht wurde und dass eine Zustimmung des Beschwerdeführers zur Überprüfung der von ihm vorgelegten Urkunden durch einen Vertrauensanwalt der Botschaft in Teheran vorlag. In der Verhandlungsschrift vom 6. Juli 1999 ist der Vorgang als "Einholung eines Gutachtens von einem der ÖB Teheran zur Verfügung stehenden iranischen Rechtsexperten" erwähnt (Seite 3 der Niederschrift, Zusammenfassung des bisherigen Ganges des Asylverfahrens durch den Verhandlungsleiter).
Am 24. Jänner 1999 richtete der österreichische Botschafter in Teheran ein offenbar vom Botschaftssekretär vorbereitetes
Antwortschreiben an die belangte Behörde:
"Die Botschaft beehrt sich mit Bezug auf das oben angeführte Schreiben mitzuteilen, dass die Überprüfung der anher übermittelten
Dokumente durch einen Experten folgendes Ergebnis gebracht hat:
A) Fahndungsbefehl:
Es handle sich aus folgenden Gründen um eine Fälschung: ....
B) Haftbefehl:
Es handle sich aus folgenden Gründen um eine Fälschung: ....."
Die Ausführungen zum "Fahndungsbefehl" bezogen sich inhaltlich auf den Haftbefehl vom 20. August 1995, diejenigen zum "Haftbefehl" auf das Schreiben vom 24. August 1995 an den früheren Dienstgeber des Beschwerdeführers.
Dieses Schreiben des Botschafters vom 24. Jänner 1999 übermittelte die belangte Behörde am 4. Februar 1999 unter anderem dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme.
Am 15. Februar 1999 langte bei der belangten Behörde ein (von einem anderen Sachbearbeiter vorbereitetes) Schreiben des österreichischen Botschafters in Teheran vom 4. Februar 1999 mit folgendem Inhalt ein:
"Die Botschaft legt die Stellungnahme vor, welche der Experte nach Überprüfung der Unterlagen abgegeben hat, die er direkt von da. erhalten hat."
Die beigelegte "Stellungnahme" enthielt - ohne Angabe eines Datums und ohne Hinweis auf die Identität des Verfassers - das englischsprachige Original der im Schreiben des Botschafters vom 24. Jänner 1999 - in verkürzender Übersetzung - angeführten Gründe, aus denen die erste der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden (der Haftbefehl vom 20. August 1995) eine Fälschung sei.
Das zweite Schreiben des Botschafters und dessen Beilage wurden den Parteien des Berufungsverfahrens - soweit aus den vorgelegten Akten ersichtlich - nicht übermittelt.
In seiner Stellungnahme zum ersten Schreiben des Botschafters warf der Beschwerdeführer die Frage auf, "wie es passieren darf, dass diese Dokumente in meine Heimat gelangen". Er kritisierte, dass ihn dies im Falle einer Rückkehr in seine Heimat selbst dann in Gefahr bringen würde, wenn die Dokumente gefälscht wären, versicherte aber, dass der Inhalt der Dokumente der Wahrheit entspreche.
In der Berufungsverhandlung gab der Beschwerdeführer dem Inhalt der Verhandlungsschrift zufolge "auf Vorhalt des Gutachtens der ÖB Teheran" an, er bleibe bei seinem bisherigen Vorbringen.
Die Kritik des Beschwerdeführers an der bei der Überprüfung der von ihm vorgelegten Dokumente eingehaltenen Vorgangsweise ist im Ergebnis berechtigt:
§ 21 Abs. 2 zweiter Halbsatz AsylG verbietet mit einer im vorliegenden Fall nicht zutreffenden Ausnahme die Übermittlung personenbezogener Daten des Asylwerbers an den Herkunftsstaat. Auch unabhängig von dieser dem Datenschutz dienenden und vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Vorschrift steht es den Asylbehörden nicht frei, sich durch fallbezogene Anfragen an die Behörden des Heimatstaates vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Asylwerbers zu überzeugen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 10. Juni 1987, Zl. 86/01/0277, vom 30. September 1987, Zl. 87/01/0165, und vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/01/0446).
Die belangte Behörde hat - anders, als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint - jedoch nicht die Behörden seines Heimatstaates kontaktiert, sondern einen iranischen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft und somit eine Privatperson beigezogen (vgl. zu dieser Unterscheidung in einem ähnlichen Fall, aber noch zur Rechtslage nach dem AsylG 1991, das Erkenntnis vom 6. September 1995, Zlen. 95/01/0002, 0048). Hinweise darauf, dass sich der Vertrauensanwalt im Auftrag der belangten Behörde oder des Botschafters mit den Urkunden an iranische Behörden wenden sollte oder dies aus Eigenem getan hat, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof ist aber der Ansicht, dass die Weitergabe von Kopien der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden an den Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft und auch schon dessen Einsichtnahme in die Urkunden aus Anlass seiner Anwesenheit bei der belangten Behörde in Wien einer Zustimmung des Beschwerdeführers bedurft hätten. Dies ergibt sich nicht nur auf indirektem Wege aus einzelnen asylrechtlichen Bestimmungen, die unter bestimmten Gesichtspunkten den Schutz personenbezogener Daten des Asylwerbers regeln, wie dies außer in § 21 Abs. 2 AsylG etwa auch in § 36 Abs. 3 (insbesondere Z 6) AsylG und in Art. 15 (insbesondere Abs. 3) des Dubliner Übereinkommens, BGBl. III Nr. 165/1997, der Fall ist; es folgt unmittelbar aus dem verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 und 2 DSG und aus der Pflicht der Behörde zur Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG. Die zuletzt erwähnte Pflicht besteht auch gegenüber dem Vertrauensanwalt einer österreichischen Botschaft, so lange er nicht in der im Gesetz vorgesehenen Weise zum Sachverständigen bestellt und dem Verfahren in dieser Funktion beigezogen wird. In einem Fall, in dem nicht Dokumente, sondern die Angaben des Beschwerdeführers durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Teheran überprüft werden sollten, hat der Verwaltungsgerichtshof schon ausgesprochen, die Behörde sei auf andere Beweismittel angewiesen, wenn der Asylwerber der Beiziehung des Vertrauensanwaltes nicht zustimme (Erkenntnis vom 23. Mai 1990, Zl. 89/01/0392). Ein derartiges Verhalten des Asylwerbers unterliegt der freien Beweiswürdigung, wobei auf die geltend gemachten Gründe der Weigerung Bedacht zu nehmen ist. Geschieht dies nicht, so hält die Ansicht, die Nichterteilung der Zustimmung spreche gegen die Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand (vgl. hiezu im Zusammenhang mit der Überprüfung von Urkunden schon das Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 92/01/0888).
Zur Klarstellung ist dem hinzuzufügen, dass die Asylbehörden nicht daran gehindert sind, im Wege der österreichischen Vertretungsbehörde im Heimatland eines Asylwerbers auch ohne dessen Zustimmung allgemein gehaltene Auskünfte eines Vertrauensanwaltes, etwa über die Existenz oder Nichtexistenz bestimmter Behörden, einzuholen. Die Übergabe von Kopien den Asylwerber betreffender Urkunden an den Vertrauensanwalt oder die Mitteilung von Einzelheiten, die eine Identifizierung des Asylwerbers ermöglichen könnten, sind dem aber nicht gleich zu halten.
Liegt allerdings die Stellungnahme eines Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft im Heimatland des Asylwerbers vor, wonach es sich bei den vom Asylwerber vorgelegten Urkunden um Fälschungen handle, und wurde diese Stellungnahme dem Asylwerber zur Kenntnis gebracht (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/01/0013), so vermag der Verwaltungsgerichtshof einer darauf gestützten Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Regel nicht entgegen zu treten, wenn der Inhalt der herangezogenen Stellungnahme schlüssig ist (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis) und der Asylwerber den darin im Einzelnen dargelegten Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Fälschung im Verwaltungsverfahren nicht in der Form einer konkreten Auseinandersetzung mit diesen Anhaltspunkten, sondern nur mit einer pauschalen Gegenbehauptung entgegen getreten ist (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 7. November 1990, Zlen. 90/01/0070, 0071, und vom 6. September 1995, Zlen. 95/01/0002, 0048).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - trotz Bezugnahme auf die "Einholung eines Gutachtens von einem der österreichischen Botschaft in Teheran zur Verfügung stehenden iranischen Rechtsexperten" sowohl in der Verhandlung (Seite 3 der Verhandlungsschrift) als auch im angefochtenen Bescheid - keine Expertise des ihr bekannten Vertrauensanwaltes, an den die belangte Behörde auch direkt herangetreten war, sondern nur das Schreiben des österreichischen Botschafters in Teheran vom 24. Jänner 1999 als Beweismittel in das Verfahren eingeführt (vgl. dazu auch Seite 5 der Verhandlungsschrift: "Gutachten der ÖB Teheran"). Dieses Schreiben erschöpfte sich allerdings - ohne Hinweis darauf, dass der Botschafter selbst sich zum Gegenstand des Ermittlungsersuchens sachkundig äußern könne - in der Mitteilung der Ansicht eines nicht näher bezeichneten "Experten". Dass dem Beschwerdeführer die Identität des "Experten" oder auch nur seine Funktion als Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Teheran jemals zur Kenntnis gebracht worden wäre, ist den vorgelegten Akten ungeachtet des Umstandes, dass der Aktenvermerk vom 23. November 1998 von einer allfälligen Akteneinsicht offenbar nicht ausgenommen wurde, nicht entnehmbar.
Bei dieser Sachlage ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht schlüssig, eine auf die Meinung des anonymen "Experten" gestützte Beweiswürdigung mit der "von den Parteien nicht in Frage gestellten Seriosität des Gutachters" zu begründen. Die Stellungnahme des Vertrauensanwaltes einer österreichischen Botschaft im Heimatland des Asylwerbers ist aber - anders als die belangte Behörde anzunehmen scheint - auch unabhängig von der dem Vertrauensanwalt im vorliegenden Fall verliehenen Anonymität und ungeachtet der inhaltlichen Qualität seiner Stellungnahme kein Beweis durch Sachverständige im Sinne des § 52 AVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Es handelt sich um ein Beweismittel eigener Art, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinne des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann, bei dessen Würdigung aber stets zu berücksichtigen ist, dass die Qualifikation und die Vorgangsweise des Vertrauensanwaltes sich einer Kontrolle weitgehend entziehen und er im Gegensatz zu einem Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Eine Beweiswürdigung, die hierauf nicht Bedacht nimmt, ist fehlerhaft.
Aus den Akten geht schließlich auch hervor, dass die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht näher dargestellte Expertenmeinung nicht so seriös begründet und nachvollziehbar ist, wie dies im angefochtenen Bescheid pauschal behauptet wird. Es handelt sich um kursorisch erläuterte Einschätzungen auf der Grundlage englischsprachiger Bezugnahmen auf die in den Urkunden angeblich aufscheinenden Behördenbezeichnungen, die mit den Behördenbezeichnungen in den vom Beschwerdeführer vorgelegten deutschsprachigen Übersetzungen zum Teil aber nicht übereinstimmen. Der Vergleich mit dem englischsprachigen Original des ersten Teils der Expertenmeinung lässt auch erkennen, dass die deutschsprachige Wiedergabe im Schreiben des Botschafters eine glättende Bearbeitung ist, der etwa die Bezeichnung des Urkundenverfassers als "an ignorant" oder die ausdrückliche Behauptung, eine zumindest in Teheran aufgelöste und daher als Aussteller nicht mehr in Frage kommende Behörde verwende weiterhin ("to present") ein bestimmtes Siegel, zum Opfer gefallen sind. Sollte der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren nicht zugeben, dass es sich bei den Urkunden um Fälschungen handelt, so wird die belangte Behörde dieser Frage daher mit geeigneteren Mitteln als bisher nachzugehen haben.
Da die belangte Behörde das Ergebnis der von ihr veranlassten Überprüfung der Urkunden ausdrücklich als "entscheidungswesentlich" bezeichnet und die Urkunden dann, wenn sie nicht gefälscht sein sollten, für den Verfahrensausgang von Bedeutung wären, ist auch nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde ohne die Fehleinschätzung des von ihr herangezogenen "Gutachtens" und die Mangelhaftigkeit der darauf gestützten Begründung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 27. Jänner 2000
Schlagworte
Sachverständiger HaftungSachverhalt BeweiswürdigungBeweismittel Auskünfte Bestätigungen StellungnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200488.X00Im RIS seit
05.02.2001Zuletzt aktualisiert am
28.01.2016