TE OGH 2018/6/20 7Ob106/18s

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Veröffentlicht am 20.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** A*****, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R***** M*****, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 44.449,40 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Februar 2018, GZ 34 R 145/17a-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 7. August 2017, GZ 25 C 674/15s-35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Zahlung von insgesamt 44.449,40 EUR sA für die rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten in den Jahren 2009 bis 2012, davon 2.260 EUR für die Vertretung in dem gegen eine Grundstücksnachbarin der Beklagten geführten Verfahren zu 28 Cg 28/07d des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (Honorarnote 201206008), 4.600 EUR für die Leistungserbringung „im Zusammenhang mit der Eigentümergemeinschaft“ (Honorarnote 201206009), 14.300 EUR für die Vertretung im Verfahren 24 Cg 62/11f des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien gegen einen Grundstücksnachbarn (Honorarnote 201206010), 10.300 EUR im Zusammenhang mit dem Verfahren 18 Cg 205/08m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien betreffend Parkettböden (Honorarnote 201206011) und 12.989,40 EUR, aufgrund eines mit der Beklagten – wegen weiterer Honoraransprüche des Klägers – geschlossenen Vergleichs (Honorarnote 201206007).

Über ausdrücklichen Verbesserungsauftrag des Erstgerichts brachte der Kläger vor, dass die den einzelnen Honorarnoten zugrundeliegenden Honoraransprüche in keinem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stünden.

Damit übereinstimmend ging auch die Beklagte von fünf voneinander unabhängigen Honorarnoten aus.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 42.075,21 EUR als zu Recht, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend. Es verhielt die Beklagte zur Zahlung von 42.075,21 EUR sA und zum Kostenersatz. Das Mehrbegehren in Höhe von 2.374,19 EUR sA wies es ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung brachte die Beklagte einen Antrag gemäß § 508 ZPO verbunden mit einer „außerordentlichen“ Revision ein.

Mit Beschluss vom 17. 5. 2018 wies das Erstgericht den Antrag nach § 508 ZPO gemäß § 507 ZPO zurück. Im vorliegenden Fall übersteige der Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR, weshalb der Oberste Gerichtshof ohnehin mit außerordentlicher Revision angerufen werden könne und der Antrag gemäß § 508 ZPO nicht zulässig sei. Die Beklagte habe gemeinsam mit dem Antrag gemäß § 508 ZPO eine außerordentliche Revision beim Erstgericht auch bereits eingebracht. Dieser Beschluss wurde den Parteien am 24. 5. 2018 zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Das Erstgericht legt nun den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die außerordentliche Revision vor.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

1. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen bilden nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838 [T38]). Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN).

Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648).

Dieser Zusammenhang besteht dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS-Justiz RS0037648 [T18]; RS0037899). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037926 [T26]). Honoraransprüche eines Rechtsanwalts stehen dann im Zusammenhang im Sinn des § 55 JN, wenn die Leistungen aufgrund eines einheitlichen Auftrags erfolgten oder eine Gesamtzahlungsverpflichtung vorliegt (RIS-Justiz RS0110872, RS0037648 [T13]). Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS-Justiz RS0042741; RS0106759) Gegenforderungen sind dabei irrelevant (vgl RIS-Justiz RS0042639).

Anhaltspunkte für einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang lassen sich dem maßgeblichen Vorbringen des Klägers gerade nicht entnehmen. Die einzelnen Honoraransprüche sind daher nicht zusammenzurechnen.

2. Die Ansprüche aus den Honorar-noten 201206008 und 201206009 übersteigen bereits 5.000 EUR nicht. Die Ansprüche aus den Honorarnoten 201206007, 201206010 und 201206011 übersteigen zwar 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR.

3. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR nicht, so erweist sich die Revision als jedenfalls unzulässig im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

4. Der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO gilt nur für die inhaltliche Beurteilung der Stichhaltigkeit des Antrags nach § 508 ZPO, also hinsichtlich der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt. Für die Frage, ob die einzelnen der Klage zugrundeliegenden Ansprüche gemäß § 55 JN zusammenzurechnen sind und damit überhaupt ein Fall des § 508 ZPO vorliegt, gilt der Rechtsmittelausschluss hingegen nicht (RIS-Justiz RS0131272, RS0115271).

5.Tatsächlich sind – wie ausgeführt – hier die einzelnen Ansprüche aus den Honorarnoten nicht zusammenzurechnen. Hinsichtlich der Honorarforderungen aus den Honorarnoten 201206008 und 201206009 erweist sich die außerordentliche Revision bereits gemäß § 502 Abs 2 ZPO als jedenfalls unzulässig. Die Ansprüche aus den Honorarnoten 201206007, 201206010 und 201206011 übersteigen zwar 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR, weshalb die Revision nur dann zulässig wäre, wenn sie das Berufungsgericht als ordentliche Revision für zulässig erklärt hätte, was nicht erfolgte. Vielmehr wurde der darauf gemäß § 508 Abs 1 ZPO zielende Antrag der Beklagten bereits rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen, weshalb einem neuerlichen Antrag die Einmaligkeitswirkung dieses Beschlusses entgegensteht. Die „außerordentliche“ Revision ist daher ohne vorheriges Verbesserungsverfahren als gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig zurückzuweisen (vgl 3 Ob 337/99a).

Textnummer

E122091

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00106.18S.0620.000

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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