TE OGH 2018/6/20 7Ob98/18i

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Veröffentlicht am 20.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Senator KR Prof. DI Dr. A***** D*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin B***** D*****, diese vertreten durch die Lanker Obergantschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ing. M***** D*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 69 Cg 169/12h des Landesgerichts Klagenfurt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 12. April 2018, GZ 4 R 31/18p-6, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Wiederaufnahme rechtfertigende neue Tatsachen und Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO müssen nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Einfluss sein, es genügt auch, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411).

1.2. Voraussetzung ist aber immer, dass die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO). Schon benützbare Beweismittel dürfen nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden, auch wenn eine Verdichtung der Beweislage erhofft bzw erwartet wird (RIS-Justiz RS0117483); auch mit einer nachträglich erkannten Fehleinschätzung des Beweiswerts der unterbliebenen Beweisaufnahme lässt sich die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfolgreich begründen (vgl RIS-Justiz RS0117483 [T2] = RS0044619 [T11]). Ein Verschulden liegt daher vor, wenn die Partei im Hauptprozess bereitstehende Beweismittel nicht anbietet (RIS-Justiz RS0044619 [T3]). Es ist nicht Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage, Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RIS-Justiz RS0039991 [T6]). Der Wiederaufnahmskläger trägt die Behauptungs- und Beweislast für den Mangel des Verschuldens (vgl RIS-Justiz RS0044558 [T6, T7, T9, T11, T12]).

1.3. Wenn die in der Klage angegebenen Tatsachen und Beweismittel nach den eigenen Behauptungen der klagenden Partei schon im Vorprozess bekannt waren bzw in diesem von der Partei benützt werden konnten, also keine „nova“ sind, ist die Klage ebenso als unzulässig zurückzuweisen, wie wenn sich das Verschulden des Klägers iSd § 530 Abs 2 ZPO schon aus den Klagebehauptungen ergibt, oder wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich gewesen wäre (6 Ob 30/09v mwN = RIS-Justiz RS0044558 [T14]).

1.4. Die Beurteilung, ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich im Regelfall erhebliche Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht stellen (RIS-Justiz

RS0111578 [insb T1]).

2.1. Das mit einem Vergleich beendete Verfahren 13 Cg 124/08p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien betraf Schadenersatzansprüche der A***** Privatstiftung gegen den Verfasser einer – in der Folge als bedingte Schenkung auf den Todesfall erkannten und für nichtig erklärten (8 Ob 107/05a) – Widmungserklärung, die auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen vom Verstorbenen an die Stiftung zum Gegenstand hatte; Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens war dagegen eine zwischen dem Verstorbenen und dem nunmehrigen Beklagten (seinem Sohn) getroffene mündliche Vereinbarung ebenfalls über die Übertragung von Gesellschaftsanteilen vom Verstorbenen an die Stiftung. Schon im wiederaufzunehmenden Verfahren ließ sich aus dem Vorbringen des Verstorbenen aber nicht schlüssig ableiten, aufgrund welcher Umstände oder Vereinbarungen mit einer Zahlung des Vertragserrichters für Fehler bei der Verfassung der Widmungserklärung an die Stiftung auch der Verstorbene davon befreit worden sein sollte, seiner Verpflichtung gegenüber den nunmehrigen Beklagten aus der mit diesem getroffenen Vereinbarung (und gerade nicht aus der nichtigen Widmungserklärung) nachzukommen (7 Ob 221/16z).

2.2. Nunmehr wird als Wiederaufnahmsgrund ins Treffen geführt, in der – der erbserklärten Erbin erst kürzlich zugänglich gewordenen und der Wiederaufnahmsklage angeschlossenen – Klage und weiteren Schriftsätzen beider Parteien im Verfahren 13 Cg 124/08p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien sei ausgeführt worden, der nunmehrige Beklagte habe für den Fall, dass der Schaden nicht nur im Vermögen der Stiftung, sondern auch in seinem Vermögen eingetreten sei, seine Ansprüche gegen den Vertragsverfasser an die Stiftung abgetreten. Daraus folge nach Meinung der Klägerin, dass es die im wiederaufzunehmenden Verfahren als erwiesen angenommene Vereinbarung zwischen dem nunmehrigen Beklagten und seinem verstorbenen Vater „nicht und nie gegeben haben“ könne.

3.1. Die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage durch die Vorinstanzen bereits im Vorprüfungsverfahren ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil – wie schon das Rekursgericht im Einzelnen darlegte – bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren Behauptungen dahin aufgestellt wurden, dass mit dem Vergleich im Verfahren 13 Cg 124/08p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien auch Nachteile des nunmehrigen Beklagten aus der Nichterlangung der Geschäftsanteile infolge der Nichtigkeit der Widmungserklärung bereits abgedeckt seien, dass der nunmehrige Beklagte in einem Abtretungsvertrag vom 10. 4. 2008 sämtliche eigenen Ansprüche gegen den Vertragsverfasser an die Stiftung abgetreten habe, und dass der Vergleich mit dem Vertragsverfasser auch deshalb abgeschlossen worden sei, um den nunmehrigen Beklagten abzufertigen. Der Verstorbene hatte zum Beweis eben dieses Vorbringens auch bereits die Beischaffung des Aktes 13 Cg 124/08p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien beantragt. Die Beischaffung ist unterblieben, ohne dass dieser Umstand in der Berufung gegen das dem Begehren des nunmehrigen Beklagten stattgebende Urteil aufgegriffen wurde.

3.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, die in der Wiederaufnahmsklage ins Treffen geführten Umstände seien nicht neu und daher nicht geeignet, eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen, hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

4.1. Die in der Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Rügepflicht nach § 196 ZPO stellt sich nicht.

4.2. Im Revisionsrekurs angesprochene Zeugeneinvernahmen im Verfahren 13 Cg 124/08p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wurden in der Wiederaufnahmsklage nicht als neue Beweismittel geführt, sondern lediglich die Prozessbehauptungen jenes Verfahrens, welche aber wie dargelegt über die Behauptungen des Verstorbenen im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht hinausgingen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E122092

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00098.18I.0620.000

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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