Entscheidungsdatum
09.05.2018Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 15aText
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Säumnisbeschwerde des Wirtschaftsförderungsinstitutes - Wirtschaftskammer Österreich gegen die Ö-CERT Akkreditierungsgruppe den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
Mit Schreiben vom 27.04.2018 wurde dem Verwaltungsgericht Wien durch die Beschwerdeführerin, das Wirtschaftsförderungsinstitut – Wirtschaftskammer Österreich, rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwälte GmbH die Säumnisbeschwerde vom 27.12.2017 wider die als belangte Behörde bezeichnete Ö-CERT Akkreditierungsgruppe vorgelegt.
Nach dem Vorbringen in dieser Vorlage wurde mit Schreiben vom 08.02.2017 durch die Beschwerdeführerin unter Berufung auf Art. 2 Abs. 3 und Art 4 Abs. 2 Z 1 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl. II 269/2012 bei der „belangten Behörde“ der Antrag auf Vergabe von Ö-Cert (Eintragung in das Verzeichnis) begehrt. Eine bescheidförmige Erledigung sei nie erfolgt. Am 27.12.2017 sei gegenständliche Säumnisbeschwerde gestellt worden. Die „belangte Behörde“ habe ihre Qualität als Behörde abgestritten und dargelegt, dass sie im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig sei. Eine Vorlage der Säumnisbeschwerde sei in der Folge unterblieben und nunmehr durch die Beschwerdeführerin – rechtskonform - nachgeholt worden.
Im weiteren wird auf die Entscheidungen des VfGH vom 01.03.2018, G 268/2017 ua sowie vom 06.03.2018, V 9/2017 ua zum Nachweis der in der Säumnisbeschwerde geäußerten Bedenken verwiesen und beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in der Sache selbst zu entscheiden und dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben.
In der angeschlossenen Säumnisbeschwerde vom 27.12.2017 wird zunächst ausgeführt, bei gegenständlichem handle es sich um einen hoheitlichen Antrag, über den bescheidförmig abzusprechen sei. Es sei nichts ersichtlich, das auf eine privatrechtliche Erledigung hindeuten würde. Nach Darstellung des Ablaufes der Entscheidungsfrist und Angaben zum Verschulden der „belangten Behörde“ führt die Säumnisbeschwerde aus, das Akkreditierungsverfahren gehe auf eine so genannte Vereinbarung nach Art. 15a B-VG zurück. Derartige Vereinbarungen bedürften einer speziellen Transformation, um Wirkung gegenüber Dritten entfalten zu können. Im vorliegenden Fall liege nur eine generelle Transformation, also eine bloße Kundmachung in Bundesgesetzblatt und Landesgesetzblättern vor. Schon aus diesem Grund würden sich die Grundlagen des Akkreditierungsverfahrens als rechtswidrig erweisen. Da mit der Erteilung der Akkreditierung erhebliche rechtliche Wirkungen (z.b. finanzieller Natur) verbunden seien, handle es sich dabei um eine Entscheidung, die bescheidförmig zu ergehen habe. Artikel 15a B-VG Vereinbarungen könnten nicht unmittelbare Grundlage für Bescheide darstellen, weshalb sich die Frage nach einer entsprechenden Rechtsgrundlage stelle. Auch erweise sich die Konstruktion von Akkreditierungsgruppe und Lenkungsgruppe als verfassungswidrig. Darüber hinaus sei der von der Akkreditierungsgruppe – ohne eingeräumter Kompetenz – beschlossene Qualitätsrahmen als Verordnung zu qualifizieren, ohne dass die verfassungsrechtlich erforderlichen Voraussetzungen vorliegen würden. Sollte das Verwaltungsgericht der Anregung zur Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht folgen, sei inhaltlich im Sinne des Antrages zu entscheiden, da die geforderten Voraussetzungen vorlägen.
Nach Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.
Nach Artikel 130 (1) Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Nach Artikel 132 (3) B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.
Nach Artikel 131 (1) B-VG erkennen, soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.
Gemäß (2) dieses Artikels erkennt, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.
Gemäß § 8 (1) VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Gemäß § 9 VwGVG ist bei Säumnisbeschwerden als belangte Behörde die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 abgelaufen ist.
Gemäß § 24 (2) Z 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Die verfahrenswesentlichen Bestimmungen der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl. II 269/2012 lauten:
„Präambel/Promulgationsklausel
Der Bund - vertreten durch die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur - und die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien, jeweils vertreten durch den Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau – im Folgenden Vertragsparteien genannt – sind übereingekommen, gemäß Art. 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes nachstehende Vereinbarung über Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung zu schließen:
Artikel 1
Zielsetzung und Anerkennung
(1) Der Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung Ö-Cert (im Folgenden „Ö-Cert“ genannt) hat das Ziel, die österreichweite Anerkennung von Qualitätsmanagement-Systemen und Qualitätssicherungsverfahren in der Erwachsenenbildung zwischen den einzelnen Ländern sowie zwischen dem Bund und den Ländern sicher zu stellen.
(2) Durch Ö-Cert soll Klarheit für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, Fördergeber und Erwachsenenbildungsorganisationen darüber geschaffen werden, welche Qualitätsmanagement-Systeme und Qualitätssicherungsverfahren in der Erwachsenenbildung im gesamten Bundesgebiet von den Vertragsparteien anerkannt sind, sowie eine Verwaltungsvereinfachung für Fördergeber und Erwachsenenbildungsorganisationen bewirkt werden.
(3) Zur Erreichung der im Abs 1 und 2 festgelegten Ziele verpflichten sich die Vertragsparteien, bei der Vergabe von Förderungen entsprechend ihren jeweiligen Bestimmungen, sofern diese für Erwachsenenbildungsorganisationen ein Qualitätsmanagement-System oder ein Qualitätssicherungsverfahren vorsehen, die Erfüllung von Ö-Cert jedenfalls als ausreichenden Nachweis anzuerkennen.
Artikel 2
Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung Ö-Cert
(1) Es wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zwischen den Vertragsparteien Ö-Cert vereinbart.
(2) Ö-Cert ist von einer Erwachsenenbildungsorganisation erfüllt, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Nachweis des Vorliegens eines der Qualitätsmanagement-Systeme oder Qualitätssicherungsverfahren aus Anlage 1; die aktuelle Liste der von Ö-Cert anerkannten Qualitätsmanagement-Systemen und Qualitätssicherungsverfahren wird über die Website www.oe-cert.at veröffentlicht;
2. Erfüllung der Grundvoraussetzungen aus Anlage 2.
(3) Die Erfüllung von Ö-Cert wird durch den Eintrag in ein Verzeichnis der Qualitätsanbieter, unter Beachtung des Datenschutzes, kenntlich gemacht. Der Eintrag in das Verzeichnis erfolgt für die Dauer der jeweiligen Zertifizierung zuzüglich sechs Monate. Dieses Verzeichnis wird über die Website www.oe-cert.at veröffentlicht.
(4) Eine Aberkennung von Ö-Cert und eine Streichung aus dem Verzeichnis erfolgt bei Überschreitung der sechsmonatigen Toleranzgrenze nach Ablauf des jeweiligen Zertifikats oder wenn die Grundvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden.
(5) Die Vertragsparteien vereinbaren die Kriterien für die Anerkennung von Qualitätsmanagement-Systemen und Qualitätssicherungsverfahren gemäß Anlage 3 als Grundlage für allfällige Aktualisierungen der Anlage 1.
(6) Zur Umsetzung von Ö-Cert werden eine Lenkungs- und eine Akkreditierungsgruppe eingerichtet.
…
Artikel 4
Akkreditierungsgruppe
(1) Der Akkreditierungsgruppe gehören fünf Mitglieder an, die wissenschaftlich im Bereich der Erwachsenenbildung tätig oder Expertinnen oder Experten im Bereich der Erwachsenenbildung sind. Die Funktionsperiode der Mitglieder beträgt zwei Jahre. Entscheidungen werden bei Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern einstimmig getroffen.
(2) Die Aufgaben der Akkreditierungsgruppe sind:
1. Prüfung der vorgelegten Bewerbungen für Ö-Cert und der Beschluss über die Vergabe bzw. Nicht-Vergabe von Ö-Cert (Eintrag in das Verzeichnis) gemäß Art. 2 Abs. 3 sowie Prüfung und Beschluss der Verlängerung bzw. Aberkennung dieses Eintrages in das Verzeichnis; die Entscheidungen der Akkreditierungsgruppe sind der Lenkungsgruppe zur Kenntnis zu bringen;
2. Überprüfung der halbjährlichen Berichte der Erwachsenenbildungsorganisationen, die vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen wurden und
3. Herausgabe eines Jahresberichts.
….
Artikel 7
In-Kraft-Treten
(1) Diese Vereinbarung tritt für alle Vertragsparteien, deren Mitteilungen über die Erfüllung der nach der Bundesverfassung bzw. nach den Landesverfassungen für das In-Kraft-Treten erforderlichen Voraussetzungen bis zu diesem Zeitpunkt beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur eingelangt sind, mit 1. Dezember 2011 in Kraft, sofern bis zu diesem Zeitpunkt die Mitteilungen des Bundes und von zumindest sechs Ländern eingelangt sind. Ist dies nicht der Fall, tritt sie zu jenem folgenden Monatsersten in Kraft, an dem die Mitteilungen des Bundes und von zumindest sechs Ländern eingelangt sind.
(2) Für jede andere Vertragspartei tritt diese Vereinbarung mit dem Monatsersten nach Einlangen der Mitteilung in Kraft.
(3) Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur informiert die Länder über das In-Kraft-Treten.
Artikel 8
Geltungsdauer
Die Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann jederzeit unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten von jeder Vertragspartei schriftlich gekündigt werden. Im Falle einer Kündigung bleibt die Vereinbarung für die verbleibenden Vertragsparteien aufrecht, sofern der Bund und mindestens sechs Länder Vertragsparteien bleiben.
…“
Eine nähere Beschreibung findet sich auf www.oe-cert.at:
„Über Ö-Cert
Entsprechend den LLL-Strategien wird der Professionalisierung in der Erwachsenenbildung weiter Rechnung getragen. Neben der Weiterbildungsakademie (wba) und der Initiative Erwachsenenbildung etablierte sich mit 1.12.2011 eine dritte Qualitätsinitiative: Ö-Cert Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung in Österreich, ein überregionales Modell zur Anerkennung von qualitätssichernden Maßnahmen der Erwachsenenbildungsorganisationen. Das innovative Ö-Cert-Verfahren, das spezifische Grundvoraussetzungen überprüft und unterschiedliche Qualitätszertifikate anerkennt, schafft erstmals österreichweit einheitliche Qualitätsstandards für Bildungsanbieter. Ö-Cert hat europaweit Vorbildcharakter und trägt dazu bei, qualitätsfördernde Maßnahmen zu setzen sowie die Erwachsenenbildung weiter zu professionalisieren.
Eine gelungene Kooperation
An der Erarbeitung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung in Österreich Ö-Cert waren die Bundesländer, Vertreter/innen der Erwachsenenbildung sowie das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) beteiligt. Wissenschaftliche Entwicklung: Univ.-Prof. Dr. G., … und Dr. S, ….
Rechtliche Basis von Ö-Cert ist eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert.
Vorteile
Durch die österreichweite Anerkennung von Ö-Cert durch Länder und Bund entfallen die Mehrfachzertifizierungen für Erwachsenenbildungsorganisationen. Bildungsinteressierte haben gleiche Möglichkeiten beim Zugang zur Förderung ihrer Weiterbildung, auch wenn diese nicht im eigenen Bundesland stattfindet. Bildungsinteressierte und Fördergeber profitieren von der "Marke" Ö-Cert: Sie sehen auf den ersten Blick, wer ein Ö-Cert-Qualitätsanbieter ist. Das aktuelle Verzeichnis der Ö-Cert-Qualitätsanbieter ist auf oe-cert.at abrufbar.
Hinweis zur Individualförderung in den Bundesländern: In einzelnen Ländern ist ergänzend zum Ö-Cert-Nachweis eine Registrierung der Erwachsenenbildungseinrichtung bzw. der Kursmaßnahme nötig. Nähere Informationen sind den Websites der Förderstellen zu entnehmen:
https://erwachsenenbildung.at/service/foerderungen/foerderungen_ueberblick.php
Voraussetzungen für Ö-Cert
Um Ö-Cert zu erhalten, sind spezifische Grundvoraussetzungen zu erfüllen. Als Qualitätsnachweis ist ein von Ö-Cert anerkanntes Qualitätszertifikat vorzulegen (zB: eines der vier Ländersiegel oder ISO 9001, 29990, LQW, ...).
Verfahren
Die Bewerbung für Ö-Cert erfolgt online unter oe-cert.at/login. Die Ö-Cert-Geschäftsstelle prüft die Unterlagen auf Vollständigkeit. Eine unabhängige Akkreditierungsgruppe entscheidet über die Ö-Cert-Vergabe.“
Zu der Abgrenzung der Hoheitsverwaltung von der Privatwirtschaftsverwaltung und zum Begriff des Verwaltungsverfahrens erging folgende höchstgerichtliche Rechtsprechung:
„Das Gebiet der öffentlichen Verwaltung reicht weiter als das der Hoheitsverwaltung. Das nicht hoheitliche Verwaltungsgebiet wird herkömmlicherweise - was die Fassung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 17, Art. 17 B-VG} terminologisch unterstützt - als Privatwirtschaftsverwaltung bezeichnet. Doch ist dieser Ausdruck insofern irreführend, als er zu der unrichtigen Auffassung verleitet, dass staatliche Privatwirtschaftsverwaltung nur dann gegeben sei, wenn sich der Staat in jeder Beziehung wie ein privates Rechtssubjekt verhält, also nur dann, wenn er als Erwerbsunternehmer auftritt. Es ist daher vorgeschlagen worden, in diesen Fällen von "unmittelbarer Staatsverwaltung" oder von " freier Verwaltung" (im Gegensatz zu gesetzlich gebundener Verwaltung) zu sprechen. Die Feststellung, dass ein Verwaltungsorgan einen Akt gesellschaftlicher Daseinsvorsorge, somit eine öffentliche Verwaltungsaufgabe, vollzieht, schließt aber die Qualifikation einer solchen Tätigkeit als Privatwirtschaftsverwaltung nicht aus. Für die Abgrenzung des Gebietes der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung kommt es auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt.
Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger nicht mit Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt nicht Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor. Herrschaftsbefugnisse können nur durch Gesetz geschaffen werden“ (VfSlg 3262).
„Für die Abgrenzung der Privatwirtschaftsverwaltung von der Hoheitsverwaltung kommt es auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an; entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger nicht mit Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt keine Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor (VfSlg. 3262/1957, 6084/1969). Die Zuweisung einer Verwaltungsangelegenheit an die Hoheits- oder an die Privatwirtschaftsverwaltung ist Sache des Gesetzgebers“ (VfSlg 13968).
In VfSlg 14945 führte der VfGH aus: „Im Hinblick auf die aus den Materialien abzuleitenden Zielvorstellungen des Gesetzgebers ist daher anzunehmen, dass der Verfassungsgesetzgeber die Privatwirtschaftsverwaltung nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art15a B-VG ausklammern wollte, ist doch im Rahmen eines so verstandenen kooperativen Bundesstaates die Notwendigkeit einer Koordination bei den in privatrechtlichen Formen zu verwirklichenden Vorhaben, an denen ein öffentliches Interesse mehrerer Gebietskörperschaften besteht, in keinem geringeren Maße gegeben als bei den Vorhaben im Bereich der Gesetzgebung und hoheitlichen Vollziehung.
Wohl trifft es zu, dass für die Koordination von Vorhaben im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zwischen Bund und Ländern oder den Ländern untereinander in der Regel auch das Instrument des privatrechtlichen Vertrages zur Verfügung steht. Doch ist zum einen zu bedenken, daß bei vielen Materien die koordinierte Wahrnehmung Maßnahmen sowohl im Bereich der Gesetzgebung und der hoheitlichen Vollziehung als auch des privatrechtlichen Handelns erfordert und eine gemeinsame Regelung in einem einheitlichen Vertragswerk daher die logische und ökonomische Vorgangsweise ist. Zum anderen sind angesichts der teilweisen Austauschbarkeit von hoheitlichen und privatrechtlichen Handlungsformen Vorhaben denkbar, bei denen für die zweckmäßige Koordination auf der Seite der einen Gebietskörperschaft gesetzgeberisches Handeln oder hoheitliche Vollziehung, auf der Seite der anderen Gebietskörperschaft hingegen privatrechtliches Vorgehen erforderlich ist.
All dies spricht dafür, dass die Gebietskörperschaften Vorhaben, mit denen öffentliche Zwecke verfolgt werden, die aber (auch) den Bereich ihrer Privatwirtschaftsverwaltung betreffen, sowohl in der Form eines privatrechtlichen Vertrages als auch in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach Art15a B-VG, für den dann besondere Voraussetzungen, aber auch besondere Rechtsfolgen gelten, koordinieren können (in diesem Sinne auch Jabloner, Gliedstaatsverträge in der österreichischen Rechtsordnung, ZÖR, Bd. 40, 1989, S 236; Öhlinger, Verträge im Bundesstaat, Wien 1978, S 30 f., der eine interne Koordination privatrechtlicher Akte durch Verwaltungsvereinbarungen nach Art15a B-VG jedenfalls für zulässig hält).“
In VfSlg 19806 hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass, wie sich aus seiner bisherigen Rechtsprechung ergäbe, Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG nicht unmittelbar anwendbar seien, die Organe der Vertragspartner aber bei ihrem Handeln binde. Damit könnten derartige Vereinbarungen auch keine unmittelbare Grundlage für normative Akte sui generis sein.
In VfSlg 6937 führte der Verfassungsgerichtshof zum Begriff des Verwaltungsverfahrens aus, dass zum Verwaltungsverfahren neben den Angelegenheiten, die in den bestehenden Verwaltungsverfahrensgesetzen tatsächlich geregelt sind, auch alle anderen Angelegenheiten, die systematisch dem Verwaltungsverfahren zugeordnet sind, gehören.
„Ob eine von den Verwaltungsbehörden zu besorgende Aufgabe zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, bestimmt sich danach, in welchen Rechtsformen die betreffende Angelegenheit zu vollziehen ist. Nur wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit "imperium" aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor (VwGH 15.12.2017, Ra 2017/11/0257 mit Hinweis auf VwGH 6.3.2014, 2013/11/0205, mwN, sowie auf VfGH 20.6.2007, VfSlg Nr. 18.154/2007).
Wesentliche Voraussetzungen für die Geltendmachung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit Art. 132 Abs. 3 B-VG ist, dass die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht einer Verwaltungsbehörde berechtigt war.
1. Dem gegenständlichen Verfahren, in welchem mit vorliegender Säumnisbeschwerde die Verletzung einer Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, liegt, worauf die Beschwerdeführerin selbst hingewiesen hat, kein Gesetz sondern lediglich eine auf Art. 15a B-VG gestützte Bund-Ländervereinbarung zugrunde. Solche Vereinbarungen können sich auch auf Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung beziehen. Ein derartiger Verweis ist in der Promulgationsklausel enthalten.
2. Nur wenn der Behörde als Verwaltungsträger der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit "imperium" aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor.
Dass die in der Säumnisbeschwerde als solche bezeichnete „belangte Behörde“ als Verwaltungsträger im Verfahren vermittels Gesetz mit Zwangsbefugnissen ausgestattet worden wäre, ergibt sich weder aus den zitierten Bestimmungen, noch wird solches von der Beschwerdeführerin behauptet.
Auch kommt es nach der zitierten Rechtsprechung auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an. Gleiches gilt für die in der Säumnisbeschwerde in den Vordergrund gestellten erheblichen (ua. finanziellen) rechtlichen Wirkungen der Akkreditierung.
Somit liegt nicht Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor, in welcher sich eine Säumisbeschwerde als unzulässig erweist (vg. VwGH 11.12.2012, 2012/05/0199, 30.01.2007, 2006/17/0381, 20.03.1984, 83/07/0328, 19.04.1971, 1914/70).
3. Als „Behörden“ bezeichnet man Staatsorgane nicht alleine wegen ihrer organisatorischen Einordnung (organisatorischer Behördenbegriff), sondern auch dann, wenn sie nach den Rechtsvorschriften Befehlsgewalt (imperium) haben, das heißt einseitig verbindliche Normen erlassen oder Zwangsakte setzen können. Räumt ein Gesetz einer Einrichtung Befehlsgewalt ein, dann wird diese Einrichtung damit zu einem behördlichen Vollzugsorgan (funktioneller Behördenbegriff). [Mayer, Kucko-Stadlmayer, Stöger „Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechtes“, Manz 11. Auflage, Rz 549]
Dass die in der Säumnisbeschwerde als belangte Behörde bezeichnete Ö-CERT Akkreditierungsgruppe nicht vom organisatorischen Behördenbegriff umfasst ist, kann als unzweifelhaft bezeichnet werden. Die Beschwerdeführerin legt aber ihrer Beschwerde selbst zu Grunde, dass die Akkreditierungsgruppe nicht mit Gesetz eingerichtet wurde. Dass ihr keine Befehlsgewalt eingeräumt wurde, ergibt sich aus den ihrer Tätigkeit zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften.
Damit kann bei der Akkreditierungsgruppe nicht von einer Verwaltungsbehörde, deren Säumnis vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden könnte, gesprochen werden.
4. Somit liegt aber auch kein Verwaltungsverfahren vor einer (Verwaltungs)Behörde vor, in dessen Rahmen die Beschwerdeführerin als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt wäre.
5. Soweit in der Beschwerde angeregt wird, dass angerufene Verwaltungsgericht möge eine Prüfung vor dem Verfassungsgerichtshof beantragen, ist dem entgegenzuhalten, dass, abgesehen von der nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien fehlenden Präjudizialität, sich eine entsprechende Kompetenz des Verwaltungsgerichtes betreffend die auf Art. 15a B-VG gestützte Vereinbarung aus den Art. 89 und 138 B-VG nicht ableiten lässt und dass das unterstellte (verfassungswidrige) Fehlen von gesetzlichen Bestimmungen vom Verwaltungsgericht nicht als Verfassungswidrigkeit einer angewendeten Norm vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann.
6. Der Beschwerdeführerin kommt somit keine Legitimation zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgericht zu, weshalb diese als unzulässig zurückzuweisen war.
7. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unter Anwendung des § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG abgesehen werden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, in der Begründung ausführlich wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verwaltung, hoheitliche; Privatwirtschaftsverwaltung; 15a-Vereinbarung; Bund Ländervereinbarung; öffentlich-rechtlicher Vertrag; Behörde; Behördenbegriff, organisatorischer, funktioneller; Akkreditierung; Säumnisbeschwerde; Verletzung der EntscheidungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.020.5732.2018Zuletzt aktualisiert am
18.07.2018