TE OGH 2018/4/27 8Ob19/18d

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Veröffentlicht am 27.04.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners A***** D*****, vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, wegen Restschuldbefreiung, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Putz & Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 9. Jänner 2018, GZ 2 R 297/17t-91, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 15. November 2017, GZ 16 S 43/07p-87, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

2. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 12. 11. 2007 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 20. 12. 2007 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 5,84 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 17. 3. 2015 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag des Schuldners gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.

Am 10. 11. 2017 stellte der Schuldner den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab. Weder sei die aktuelle Abtretungserklärung abgelaufen, noch seien seit dem 1. 11. 2017 fünf Jahre vergangen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Schuldners Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werde. Es vertrat dabei die Rechtsansicht, für die Anwendung der neuen – für die Schuldner günstigere  – Rechtslage sei nach der Übergangsbestimmung des § 280 IO (idF IRÄG 2017) das Ablaufen der ursprünglichen (siebenjährigen) Abtretungserklärung hinreichend. Es sei auf die Zielsetzung der Änderungen im Insolvenzrecht für natürliche Personen durch das IRÄG 2017 Bedacht zu nehmen, wonach unter anderem eine Entschuldung (Restschuldbefreiung) für den Schuldner erleichtert werden sollte. Anderes würde eine Ungleichbehandlung jener Schuldner nach sich ziehen, deren ursprüngliche Abtretungserklärung nach dem 1. 11. 2017 ablaufe und die somit bereits nach sieben Jahren von ihren Verbindlichkeiten befreit würden, während in Fällen einer Verlängerung nach § 213 Abs 4 IO aF die Schuldner bedeutend länger im Abschöpfungsverfahren verbleiben müssten.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 280 IO nF vorliege, insbesondere zur Frage, ob für die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens samt Restschuldbefreiung auf das Ablaufen der ursprünglichen oder der verlängerten (neuen) Abtretungserklärung abzustellen sei.

Hiergegen richtet sich der Revisionsrekurs einer Gläubigerin, mit dem die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt wird.

Der Schuldner brachte eine Revisionsrekursbeantwortung ein.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist zulässig und berechtigt; die Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig.

Zur Einseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens:

Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist nach ständiger Rechtsprechung – mit Ausnahme insbesondere des Eröffnungsverfahrens (dazu 8 Ob 282/01f) sowie im Gesetz genannter Spezialfälle, etwa jenem nach § 125 Abs 2 Satz 5 und 6 IO – grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129). Dies gilt auch im Abschöpfungsverfahren (8 Ob 136/12a; 8 Ob 145/15d; 8 Ob 1/17f; 8 Ob 6/18t). Eine Veranlassung, dem Schuldner dennoch die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung einzuräumen (vgl RIS-Justiz RS0118686), bestand im konkreten Fall nicht, hatte er doch seinen Rechtsstandpunkt bereits in seinem Antrag vom 10. 11. 2017 und in seinem Rekurs gegen den den Antrag abweisenden erstinstanzlichen Beschluss dargelegt (vgl 8 Ob 136/12a). Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners war daher zurückzuweisen.

Zur Berechtigung des Revisionsrekurses:

1. Vorauszuschicken ist, dass bei einer Fristverlängerung nach § 213 Abs 4 IO der Verlängerungszeitraum nicht zwingend nahtlos an die Laufzeit der ursprünglichen Abtretungserklärung anschließt, weil bei Beschluss der Fristverlängerung die Laufzeit der ursprünglichen Abtretungserklärung regelmäßig bereits abgelaufen ist (Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 213 KO Rz 26; Kodek, Privatkonkurs2 Rz 698). Dies ist auch hier der Fall. Gleichgültig, ob die dreijährige Frist mit Fassung des Verlängerungsbeschlusses oder mit Eintritt von dessen Rechtskraft zu laufen beginnen sollte (vgl Kodek, Privatkonkurs2 Rz 698), war im Zeitpunkt der Fassung der Beschlüsse erster und zweiter Instanz der neue (dreijährige) Abtretungszeitraum noch nicht abgelaufen.

2. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

„Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.“

3. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS-Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua) ist eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, in der Übergangsregelung des § 280 IO nicht vorgesehen. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua).

4. Aufgrund der in den Vorentscheidungen angestellten Überlegungen, die auch auf den vorliegenden Fall zutreffen, war dem Revisionsrekurs der Gläubigerin Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Textnummer

E122067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00019.18D.0427.000

Im RIS seit

15.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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