Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Waizer und Dr. Mascher sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Oberkontrollorin Trsek als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Tirol vom 5. April 2017, AZ D 12-32, 1 DV 12-24; D 14-58, D 14-59, 1 DV 14-39; D 15-68, 1 DV 16-02; D 16-14, 1 DV 16-27; D 16-15, 1 DV 16-28; D 16-29, 1 DV 16-36; D 16-34, 1 DV 16-40; D 16-48, 1 DV 17-02; D 17-04, 1 DV 17-03, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Erste Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, des Kammeranwalts Dr. Schmidinger und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (1. bis 13.) sowie der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (14. bis 17.) schuldig erkannt.
Danach hat er in *****
1. die aufgrund des Kaufvertrags vom 4. Oktober 2011 mit sachwalterschaftsgerichtlicher Genehmigung vom 25. Oktober 2011 zwischen Klaus und Sylvia E***** sowie Karl S***** übernommene Treuhandschaft über 208.000 Euro entgegen Punkt VIII des Kaufvertrags nicht nach den Bestimmungen des Treuhandstatuts der Rechtsanwaltskammer Tirol dieser gemeldet sowie die Abwicklung des Kaufvertrags nicht nach den Bestimmungen des Treuhandstatuts durchgeführt;
2. die von den Verkäufern Klaus E***** und Sylvia E***** am 4. Oktober 2011 mit sachwalterschaftsgerichtlicher Genehmigung vom 25. Oktober 2011 versehene Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung bis 27. April 2012 nicht beim Bezirksgericht Hall in Tirol überreicht; dies trotz Urgenzen der Parteien;
3. Schreiben des Vertreters des Karl S*****, Dr. Christian F*****, vom 13. April 2012 und andere nicht beantwortet;
4. die grundbücherliche Abwicklung des Kaufvertrags vom 4. Oktober 2011 zwischen Klaus E***** und Sylvia E***** als Verkäufer einerseits und Karl S***** als Käufer andererseits trotz intensiver Urgenzen des Rechtsvertreters des Karl S*****, Dr. Christian F*****, trotz Aufforderung des von der Rechtsanwaltskammer Tirol zur Überprüfung des Vorgangs entsandten Dr. Ludwig H***** und trotz des anhängigen Disziplinarverfahrens nicht durchgeführt (D 12-32);
5. es über einen Zeitraum von vier Monaten unterlassen, für seinen freigesprochenen Mandanten Claudio O***** einen Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung nach § 393a StPO zu stellen, wodurch sein Mandant gezwungen war, diesen Antrag selbst beim Landesgericht Innsbruck einzubringen (D 14-58);
6. es unterlassen, fristgerecht im Verfahren AZ 28 Hv 30/13z des Landesgerichts Innsbruck eine Berufung zu erheben, dies mit der Begründung, er sei krank gewesen, ohne sich allerdings um einen Substituten zu kümmern (D 14-59);
7. entgegen § 9 RAO den Kaufvertrag vom 8. Mai 2015, abgeschlossen zwischen Dagmar und Günter N***** einerseits, sowie Johann K***** andererseits, nicht mit gebotenem Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit abgewickelt, insbesondere die Selbstberechnung und Anzeige des Vertrags beim Finanzamt und bei der Grundverkehrsbehörde sowie letztlich die vollständige grundbücherliche Durchführung des Kaufgeschäfts über mehrere Monate hindurch grundlos unterlassen;
8. entgegen den Bestimmungen des Treuhandbuchs der Rechtsanwaltskammer Tirol den Vertragsteilen Dagmar und Günter N***** einerseits sowie Johann K***** andererseits kein Informationsblatt zum Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer Tirol ausgehändigt und keinen Auszug des Treuhandkontos übermittelt sowie überdies keine Meldung über die von ihm übernommene Treuhandschaft an die Rechtsanwaltskammer Tirol erstattet (D 15-68);
9. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 17 RL-BA 1977 bzw § 14 RL-BA 2015 von 2013 bis zumindest Juni 2016 den seinen Mandanten Herbert No*****, Gertrud B***** und Helga P***** im Verfahren AZ 16 C 1221/09a des Bezirksgerichts Innsbruck zugesprochenen und ihm zugegangenen Kostenersatz in der Höhe von 892,22 Euro weder unverzüglich mit den an ihn von den vorgenannten Mandanten überwiesenen Kostenvorschüssen verrechnet noch eine Honorarabrechnung vorgelegt;
10. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 9 Abs 1 RAO den zwischen Gertrud B***** als Verkäuferin und Herbert No***** abgeschlossenen Kaufvertrag vom 5. Juni 2015 über 10/3.528-Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** samt dem damit verbundenen Wohnungseigentum an der Garage AP (H15) bis zur Vollmachtskündigung durch die Vertragsparteien am 2. März 2018 nicht verbüchert und nach der Vollmachtskündigung bis zumindest Juni 2016 den Originalkaufvertrag entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 12 Abs 1 RAO nicht an die R***** Rechtsanwälte OG als nunmehrige Rechtsvertreterin der Gertrud B***** und des Herbert No***** herausgegeben (D 16-15);
11. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 19 RAO iVm §§ 10, 17 und 43 RL-BA 1977 bzw §§ 6, 14 und 43 RL-BA 2015 weder unverzüglich mit seinem Mandanten Ing. Mag. Dr. Rupert E***** über die von ihm vom Schuldner Burim Bi***** am 22. Juni 2015 in ***** vereinnahmten Mietzinszahlungen in der Höhe von insgesamt ca 9.890 Euro verrechnet noch den Fremdgeldbetrag trotz mehrfacher Urgenzen an diesen weitergeleitet (D 16-29);
12. als mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 26. Februar 2015 zu AZ 5 P 542/14x für Bruno Ka*****, geboren am 23. Jänner 1938, bestellter Sachwalter entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 9 RAO iVm §§ 130, 134, 135 AußStrG und §§ 214 und 275 ABGB trotz zahlreicher Urgenzen des Pflegschaftsgerichts, erstmals am 22. Juli 2015, und trotz der Verhängung von Geldstrafen in der Höhe von 1.000 Euro, 2.500 Euro und zuletzt 6.000 Euro a) den binnen sechs Wochen nach seiner endgültigen Bestellung zum Sachwalter am 15. Mai 2015 zu erstattenden Antrittsbericht erst am 19. September 2016, b) den Sachwalterschaftsbericht für das Jahr 2015 bis zu seiner mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 erfolgten Enthebung überhaupt nicht erstattet und c) die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des zwischen dem Betroffenen und seinen Söhnen im Verlassenschaftsverfahren nach Gertraud Ka***** abgeschlossenen Erbteilungsübereinkommens erst im März 2016 beantragt (D 16-34);
13.a. die von ihm entrichteten und von seinen Mandanten Nina G***** und Antje W***** einerseits sowie Antje W***** und Rene Ri***** andererseits im Februar 2015 beglaubigt unterfertigten und hinsichtlich der Kaufpreiszahlungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Kaufverträge über zwei Eigentumswohnungen nicht binnen angemessener Frist grundbücherlich durchgeführt und damit gegen seine Treueverpflichtung gemäß § 9 RAO verstoßen;
b. die in diesem Zusammenhang übernommene einheitliche Treuhandschaft weder zum Treuhandbuch an die Rechtsanwaltskammer Tirol gemeldet, noch den Parteien das „Informationsblatt über die Treuhandschaft“ nachweislich zur Kenntnis gebracht, noch die Treuhandschaft unter Verwendung fortlaufender Nummern in ein Verzeichnis eingetragen, wodurch er gegen § 5 der Richtlinie der Rechtsanwaltskammer Tirol über die Errichtung des Treuhandbuchs verstoßen hat (D 17-04);
14. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 3 RL-BA 1977 bzw ab 1. Jänner 2016 gemäß § 4 RL-BA 2015 im Zeitraum von Juni 2013 bis zumindest April 2016 in über 30 Fällen ihm gegenüber geltend gemachte bzw vollstreckbar festgestellte (Prämien-)Forderungen der U***** AG ohne gerechtfertigte Einwendungen nicht erfüllt und es in den überwiegenden Fällen auf eine Exekutionsführung ankommen lassen;
15. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 4 RL-BA 2015 ein gegenüber Irmgard Ur***** zuletzt mit Schreiben vom 24. Februar 2016 wiederholtes Zahlungsversprechen zur Bezahlung von Kosten in der Höhe von 4.673,14 Euro, somit eine übernommene Verbindlichkeit, ohne gerechtfertigte Einwendungen nicht erfüllt und es im April 2016 zu AZ 35 C 192/16b des Bezirksgerichts Innsbruck auf eine Klagsführung über diesen Betrag ankommen lassen;
16. entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 4 RL-BA 2015 gegenüber Dr. Bernhard Su***** als Inhaber des Go*****-Verlags eingegangene Verbindlichkeiten in der Höhe von 8.228,30 Euro zuzüglich 7.003,89 Euro an Nebenforderungen, ohne gerechtfertigte Einwendungen nicht erfüllt und es am 5. Februar 2016 zu AZ 51 C 66/16f des Bezirksgerichts Innsbruck auf eine Klagsführung ankommen lassen (D 16-14);
17. sieben Original-Luftbildaufnahmen, die ihm von der A***** GmbH im März 2015 überlassen worden waren, seit Februar 2016 trotz Urgenz weder zurückgestellt noch bezahlt und damit gegen die Bestimmung des § 10 Abs 2 RAO iVm §§ 3, 4 RL-BA 2015 verstoßen (D 16-48).
Über den Beschuldigten wurde die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten verhängt, deren Vollzug gemäß § 16 Abs 2 DSt unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a, „9b“ und 11 StPO gestützter Nichtigkeit (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen siehe RIS-Justiz RS0128656 [T1]) und wegen der Aussprüche über die Schuld und über die Strafe.
Das objektive Vorliegen der ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehen wird vom Berufungswerber
– wie schon im Verfahren vor dem Disziplinarrat – nicht in Abrede gestellt.
Auf Z 2 und 3 (inhaltlich ausschließlich Z 3) stützt der Berufungswerber sein Vorbringen, wonach ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Z***** zu Unrecht zum Sachverständigen bestellt worden sei, weil er für die Fachgebiete der Neurotraumatologie, Neurorehabilitation und Neuropsychologie nicht in die beim Landesgericht Innsbruck geführte Liste der Sachverständigen eingetragen sei, verkennt aber, dass die im Ergebnis behauptete Verletzung der Bestimmung des § 126 Abs 2 StPO nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion steht und das Gesetz eine zwingende Eintragung in der Gerichtssachverständigenliste nicht vorsieht (Fabrizy StPO13 § 126 Rz 11; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 27). Die Beurteilung der Befähigung des Sachverständigen zur Gutachtenserstellung und dessen erforderliche Sachkunde sind als Gegenstand freier Beweiswürdigung nicht mit Berufung wegen Nichtigkeit bekämpfbar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).
Die Abweisung (ON 42 S 14) des Antrags auf Vorlage und Einbeziehung diverser medizinischer Unterlagen und auf Einholung eines neuropsychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass beim Beschuldigten 1996 anlässlich eines Sturzgeschehens auch eine großflächige, raumfordernde Schädigung des frontalen Cortex beidseits und dadurch eine Schädigung des Kognitionszentrums eingetreten sei, die „zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit, der geistigen Flexibilität, der Umschaltfähigkeit, der Konzentrations-fähigkeit und des Arbeitsgedächtnisses, des Durchhaltevermögens und zur Verminderung der Fähigkeit, angestrengt und zielorientiert zu denken, geführt habe“ (ON 42 S 10), erfolgte zu Recht, weil der Disziplinarrat ohnedies von den im Antrag genannten Einschränkungen ausgegangen ist (Erkenntnis S 30; § 55 Abs 2 Z 3 StPO) und eine aus den beantragten Beweismitteln hervorgehende Schuldunfähigkeit vom Berufungswerber – selbst im Rechtsmittel („Verminderung“, „Herabminderung“ etc) – nicht behauptet wird.
Der Antrag auf Einholung eines weiteren neuropsychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, „dass der Sachverständige Z***** das Ausmaß der kognitiven Störung des Beschuldigten unvollständig und unrichtig quantifiziert und qualifiziert hat und Funktionsstörungen des Beschuldigten nicht neurologisch bewertet hat“ (ON 42 S 16), wurde vom Disziplinarrat gleichfalls zutreffend abgewiesen, weil das Gesetz in den die Beweisaufnahme durch Sachverständige regelnden Bestimmungen (8. Hauptstück 3. Abschnitt der StPO) für den Fall, dass der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist, vorsieht, dass diese Bedenken durch Befragung zu beseitigen sind und erst, wenn dies nicht möglich ist, ein weiterer Sachverständiger beizuziehen ist (§ 127 Abs 3 StPO). Das Recht, eine über die Befragung des Sachverständigen hinausgehende Beweisaufnahme über die Befundgrundlagen zu erwirken, um – wie vom Berufungswerber beantragt – Befund und Gutachten zu hinterfragen, ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten. Ob das Gutachten des Sachverständigen – auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der erfolgten Befragung – ausreichend und verlässlich ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0097433). Im Übrigen hat der Sachverständige konfrontiert mit den vom Disziplinarbeschuldigten behaupteten hirnorganischen Schäden ausgeführt, dass nicht geschädigte Hirnregionen die Funktionen von geschädigten übernehmen können, und nicht die theoretischen, sondern die tatsächlichen Beeinträchtigungen sowie deren Ausmaß relevant sind (ON 42 S 15). Im Zusammenhalt mit den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen, dass sich der Beschuldigte von 2011 bis 25. November 2016 belegbar nur ein Mal, nämlich in einem Zeitraum von maximal 30 Minuten bis maximal 92 Stunden nach einen Grand-Mal-Anfall, in einem Zustand befunden habe, in dem er nicht diskretions- und dispositionsfähig gewesen sei (ON 38 S 1), erfolgte die Abweisung dieses Beweisantrags wegen Unerheblichkeit nicht willkürlich, was jedoch Voraussetzung für die Annahme eines Verfahrensmangels durch Ablehnung eines auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichteten Antrags wäre (Murschetz, WK-StPO § 429 Rz 12; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).
Die Kritik der Mängelrüge (Z 5), wonach sich der Disziplinarrat zu Unrecht auf das Gutachten des Sachverständigen ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Z***** gestützt habe, erfüllt keines der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO genannten Anfechtungskriterien, handelt es sich bei dem genannten Gutachten doch um ein in der Disziplinarverhandlung vorgekommenes Beweismittel, aus dem der Disziplinarrat keineswegs willkürlich beweiswürdigende Schlüsse gezogen hat.
Die geltend gemachte Tatsachenrüge (Z 5a; „Bedenken gegen die Richtigkeit von entscheidenden Tatsachen“; BS 8) ist dem Disziplinarverfahren fremd, zumal gemäß § 77 Abs 3 DSt die Bestimmungen der Strafprozessordnung sinngemäß anzuwenden sind und diese in den Verfahrensarten, bei welchen – wie im Disziplinarverfahren – das Rechtsmittel der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist, eine Tatsachenrüge ausschließt (§ 468 Abs 1 Z 3 StPO im bezirksgerichtlichen Verfahren; § 489 Abs 1 StPO im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts). Der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich wird somit von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst (neuerlich RIS-Justiz RS0128656).
Feststellungen zur – hier entscheidenden – Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Beschuldigten hat der Disziplinarrat ohnedies getroffen (ES 15 f). Indem der Berufungswerber darüber hinausgehende, ihn in seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt im Ergebnis disqualifizierende Konstatierungen zu Strafaufhebungs-, Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründen (Z 9 lit b) reklamiert, hält er prozessordnungswidrig nicht an diesen getroffenen Feststellungen fest (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 593).
Das unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 erstattete Vorbringen zu seiner Krankheit betrifft im Ergebnis keine Nichtigkeit im Sanktionsausspruch, sondern die dem Ermessensbereich zuzurechnende Frage der Sanktionshöhe und der Quantifizierung des Milderungsgrundes der krankheitsbedingten Beeinträchtigung des Beschuldigten.
Infolge der von ihm im Ergebnis nicht bestrittenen, den Schuldsprüchen zu Grunde liegenden Verzögerungen und der aus dem unbedenklichen Sachverständigengutachten von ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Z***** attestierten Auswirkungen der – im Einzelnen nicht entscheidungswesentlichen – organischen Schädigungen durch das Unfallgeschehen im Jahr 1996 bestehen keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats, der sich im Rahmen der Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten und der Qualität des Sachverständigen verschaffen konnte, sodass auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ein Erfolg zu versagen ist.
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Vergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes auch bloß fahrlässig begangen werden können (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 1 DSt, S 855).
Unter Berücksichtigung der Erschwerungsgründe einer Disziplinarstrafe aus dem Jahr 2011, der in Form raschen Rückfalls durch einen langen Tatzeitraum zahlreiche überwiegend mehrfach verwirklichte Disziplinarvergehen folgten, demgegenüber ein gewisser Beitrag des das objektive Geschehen nicht in Abrede stellenden Beschuldigten zur Wahrheitsfindung sowie seine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit als mildernd zu werten war, erweist sich die vom Disziplinarrat gefundene Sanktion als unrechts- und schuldangemessen.
Deren bloße Androhung durch einen Zeitraum von zwei Jahren bietet ihm die Möglichkeit, auf seine gesundheitlichen Defizite durch Reorganisation seines Kanzleibetriebs (etwa Verringerung der Mandate oder Aufnahme juristischer Mitarbeiter) zu reagieren.
Mit Blick auf Vielzahl und Art der Fakten kommt eine Geldbuße nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.
Textnummer
E122061European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0220DS00008.17X.0528.000Im RIS seit
15.07.2018Zuletzt aktualisiert am
18.07.2018