Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Herbert Ortner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch, Rechtsanwältin in Graz, wegen 198.107,33 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2017, GZ 2 R 86/17k-44, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Über das Vermögen des Beklagten wurde mit Beschluss des Erstgerichts als Konkursgericht vom 25. 1. 2010, daher noch vor Inkrafttreten des IRÄG 2010, BGBl I 2010/29, der Konkurs eröffnet. Allerdings langte der Antrag des Beklagten auf Abschluss eines Sanierungsplans in diesem Verfahren erst am 6. 12. 2010 ein, sodass gemäß § 273 Abs 5 IO die §§ 140 bis 146 und 148 bis 165 IO idF des IRÄG 2010 anzuwenden waren.
2. Mit Beschluss des Erstgerichts als Insolvenzgericht vom 1. 4. 2011 wurde der Sanierungsplan bestätigt, wonach eine Gesamtquote von 20 % nach den näher aufgeschlüsselten Zahlungsmodalitäten zu zahlen war. Der Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Sanierungsplans bewirkte die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Klägerin meldete im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten keine Forderung an.
3. Nach der Grundregel des § 156 Abs 1 IO wird der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist. Daher sind auch Forderungen, die – obwohl anmeldungsbedürftig – nicht angemeldet werden, von den Wirkungen des Sanierungsplans erfasst (RIS-Justiz RS0113775 [T3] noch zum Zwangsausgleich).
4.1 Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Klägerin über eine anmeldungsbedürftige Forderung gegen den Beklagten verfügt, die ihr im ersten Rechtsgang auch bereits in der Höhe der Sanierungsplanquote rechtskräftig zuerkannt wurde. Strittig ist lediglich noch, ob die Klägerin, gestützt auf § 156 Abs 4 IO, ihre Forderung darüber hinaus im vollen Betrag geltend machen kann.
4.2 Gemäß § 156 Abs 4 IO (früher: § 156 Abs 6 KO) können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen. Diese Bestimmung stellt eine Ausnahme zum Grundsatz dar, dass der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall zu ersetzen. Sie ist daher nach einem strengen Maßstab auszulegen: Es gilt der Grundsatz, dass es am Gläubiger liegt, sich um seine Forderung „zu kümmern“, wozu auch die Vergewisserung gehört, dass der Schuldner insolvent ist (Lovrek in Schubert/Konecny, Insolvenzgesetze [31. Lfg] § 156 KO Rz 140 mwH). Voraussetzung für die Geltendmachung der vollen Forderung nach § 156 Abs 4 IO ist nach der Rechtsprechung, dass die rechtzeitige Geltendmachung nur aus Verschulden des Schuldners unterblieben ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung der Forderung des Gläubigers im Sanierungsplanverfahren auch auf seine eigene Sorglosigkeit (§ 1304 ABGB) zurückzuführen ist (8 Ob 16/93; RIS-Justiz RS0027281). Bereits ein leichtes Mitverschulden des Gläubigers schließt die Anwendbarkeit des § 156 Abs 4 IO aus (6 Ob 209/97x mwH; 3 Ob 189/14m ua; RIS-Justiz RS0052293 [T1]).
5.1 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen teilte der Beklagte der Klägerin bereits bald, nachdem er vom Masseverwalter über die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen am 25. 1. 2010 in Kenntnis gesetzt wurde, mit, dass er „in Konkurs sei und zusperren müsse“. Er teilte der Klägerin auch mit, dass er einen „Ausgleich“ anstrebe und voraussichtlich in der Lage sein werde, eine Quote von 15 % und später eine restliche Quote von 5 % zur Abdeckung seiner Verbindlichkeiten zu bezahlen. Der Klägerin war bekannt, dass ein Konkursverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden war und der Beklagte einen Ausgleich mit einer Quote von 20 % anstrebe. Zwischen den Streitteilen wurde mehrmals erörtert, dass ein Konkursverfahren betreffend den Beklagten anhängig sei.
5.2 Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ihre Forderung rechtzeitig im Konkursverfahren anmelden hätte können, nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls vertretbar. Dass der Klägerin, die in einem Naheverhältnis zum Beklagten stand, bereits während des Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten bewusst war, dass ihr eine Forderung gegen den Beklagten zustand, ergibt sich bereits aus den – der teilweisen Stattgebung der Klage im ersten Rechtsgang zugrunde liegenden – Feststellungen, dass die Klägerin vom Beklagten die Herausgabe der ihm übergebenen Sparbücher bzw die Rückgabe ihres Geldes forderte. Die Behauptung der Klägerin, sie habe „keine Kenntnis vom Entstehen einer Schadenersatzforderung vor Bestätigung des Sanierungsplans“ haben können, zumal ihr „nachweislich das Gegenteil von Seiten des Beklagten vorgegaukelt“ worden sei, findet in diesen Feststellungen keine Grundlage. Im Gegenteil ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Klägerin die Vorgangsweise zur Geltendmachung einer Forderung im Insolvenzverfahren bekannt war: Denn in dem wenige Tage nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beklagten vom Erstgericht als Konkursgericht eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der W***** GmbH in Liquidation, deren Liquidator der Beklagte war, meldete die Klägerin – über Veranlassung des Beklagten – ihre Forderungen als Dienstnehmerin an und erhielt in weiterer Folge Insolvenz-Entgelt zuerkannt. Schließlich zeigt die Klägerin auch mit ihrem Argument, sie treffe als Nichtunternehmerin keine Pflicht zur Einsichtnahme in die Insolvenzdatei, keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im konkreten Fall auf, weil ihr ohnedies bekannt war, dass ein Konkursverfahren (auch) über das Vermögen des Beklagten eröffnet war.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Textnummer
E122038European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00011.18T.0626.000Im RIS seit
18.07.2018Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019