TE Vwgh Beschluss 2000/1/27 99/20/0471

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0472

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über den namens des DB in Graz, vertreten durch den Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, dieser vertreten durch die Caritas der Diözese Graz, durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. April 1999, Zl. 208.223/0-XI/33/99, sowie über die Beschwerde gegen diesen Bescheid, jeweils betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Guinea, reiste am 2. Februar 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. Februar 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Während des erstinstanzlichen Verfahrens gab er sein Geburtsdatum mit 6. August 1982 an.

Das Bundesasylamt wies den Antrag auf Asylgewährung mit Bescheid vom 10. Februar 1999 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Guinea gemäß § 8 leg. cit. als zulässig. Der Asylwerber erhob Berufung.

Auf Ersuchen der Berufungsbehörde wurde ein vom Landesgericht für Strafsachen Wien hinsichtlich des Alters des Asylwerbers eingeholtes Gutachten des Univ. Prof. Dr. J.S. am Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien vom 23. April 1998 übermittelt, aus welchem zusammengefasst hervorgeht, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Untersuchung vom 17. April 1998 mindestens 25 bis 26 Jahre alt war. Dieser Umstand wurde sowohl dem Bevollmächtigten des gesetzlichen Vertreters des Asylwerbers, der Caritas der Diözese Graz, als auch dem Asylwerber selbst vorgehalten, ohne dass dazu irgendeine Stellungnahme abgegeben wurde.

Mit Bescheid vom 15. April 1999 wurde die Berufung des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die belangte Behörde begründete diesen Bescheid im Wesentlichen damit, dass dem Asylwerber, der mit vollem Bewusstsein eine falsche Aussage bezüglich seines Alters getätigt habe, auch die Glaubwürdigkeit bezüglich seiner Fluchtgründe abzuerkennen sei; eine Asylgewährung komme deshalb nicht in Frage. Dieser Bescheid wurde dem Asylwerber am 20. April 1999 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit einem als "Stellungnahme, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG und Bescheidbeschwerde, verbunden mit dem Antrag gemäß § 30 VwGG auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde" bezeichneten Schriftsatz vom 23. September 1999 (eingelangt am 24. September 1999), wandte sich der Asylwerber, vertreten durch den Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, dieser vertreten durch die Caritas Graz, diese vertreten durch den im Spruch näher bezeichneten Rechtsvertreter an den Verwaltungsgerichtshof. Aus dem Schriftsatz geht hervor, dass eine rechtmäßige Zustellung des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. April 1999 aufgrund der Minderjährigkeit des Asylwerbers, an welchen zugestellt wurde, nicht erfolgt sei. Sollte der Verwaltungsgerichtshof aber zum Schluss kommen, eine ordnungsgemäße Zustellung sei erfolgt, werde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, weil die einlangende Post im Wohnhaus des Wiedereinsetzungswerbers für jedermann frei zugänglich sei und kein eigener Postkasten für den Asylwerber vorhanden sei. Ein irrtümliches Verschwinden(lassen) der Hinterlegungsanzeige durch einen Mitbewohner der Abgabestelle sei daher nicht auszuschließen. Der Wiedereinsetzungswerber habe erst im Zuge eines zwischen ihm und einem Mitarbeiter der Caritas am 9. September 1999 geführten Gespräches erfahren, dass ihm der Bescheid durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Er sei daher durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis ohne seine Verschulden daran gehindert gewesen, nach Zustellung des Bescheides vom 15. April 1999 binnen offener Frist eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einzubringen. Unter einem erstattete der Asylwerber gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. April 1999 eine Bescheidbeschwerde und verband diese mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Verfügung vom 13. Oktober 1999 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Rechtsvertreter des Asylwerbers auf, sofern vorhanden, Belege (Urkunden etc.) hinsichtlich des Geburtsdatums bzw. des Alters des Asylwerbers vorzulegen; sollten keine derartigen Belege vorgelegt werden können, wäre eine vom Antragsteller dem Rechtsvertreter erteilte Vollmacht (zur vorliegenden Antragstellung) vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 8. November 1999 brachte der Vertreter des Asylwerbers eine Kopie des anzufechtenden Bescheides zur Vorlage und gab gleichzeitig bekannt, dass er den Asylwerber aufgefordert habe, ein Vollmachtsformular auszufüllen und dieses der Kanzlei seines Rechtsvertreters zu retournieren. Weil sich der Asylwerber aber im polizeilichen Gefangenenhaus Graz in Schubhaft befunden habe, habe dieser das entsprechende Schreiben nicht entgegennehmen können, weshalb ein Fristerstreckungsantrag gestellt werde. Mit Schriftsatz vom 9. November 1999 legte der Vertreter des Asylwerbers einen Meldezettel des Asylwerbers vom 30. September 1999 vor.

Mit Verfügung vom 16. November 1999 ersuchte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde um kurzfristige Übermittlung des Verwaltungsaktes, insbesondere des bezüglich des Alters des Asylwerbers erstatteten Gutachtens. Die Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof am 6. Dezember 1999 vorgelegt.

Zwischenzeitig hatte der Rechtsvertreter des Asylwerbers am 22. November 1999 eine am 16. November 1999 vom Asylwerber unterfertigte Vollmacht vorgelegt.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, insbesondere aus dem Gutachten des Univ. Prof. Dr. J.S. vom 23. April 1998 geht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in schlüssiger Weise hervor, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Untersuchung am 17. April 1998 bereits 25 bis 26 Jahre alt war. Dies bedeutet, dass der Asylwerber auch im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. der Beschwerdeerhebung bereits volljährig war und eines gesetzlichen Vertreters nicht bedurfte.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Bescheidbeschwerde weisen nun aber eine Bevollmächtigungskette, ausgehend vom Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie als vermeintlichen gesetzlichen Vertreter des Asylwerbers über dessen Vertreter, die Caritas Graz, bis zum einschreitenden Rechtsanwalt auf. Es läge somit nur dann eine rechtmäßige Bevollmächtigung durch den volljährigen Asylwerber vor, wenn dieser entweder den Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, oder die Caritas Graz oder den einschreitenden Rechtsvertreter selbst als gewillkürte Vertreter zur vorliegenden Antragstellung bevollmächtigt hätte, diese Bevollmächtigung wirksam werden konnte und die Erstgenannten gegebenenfalls im Rahmen einer derartigen Bevollmächtigung die jeweils Nächstgenannten zur weiteren Vertretung des Asylwerbers bevollmächtigt hätten.

Aus den Stellungnahmen des Asylwerbers vom 8. und vom 22. November 1999 ergibt sich, dass im Zeitpunkt der Antragstellung am 24. September 1999 eine unmittelbare Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsvertreters durch den Asylwerber (noch) nicht vorlag, weist doch die vorgelegte Vollmachtsurkunde als Unterfertigungsdatum erst den 16. November 1999 auf. Somit bestand im Zeitpunkt der Antragstellung kein unmittelbares Vertretungsverhältnis zwischen dem Rechtsvertreter und dem Asylwerber.

Dafür, dass der Asylwerber den Magistrat der Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie, als gewillkürten Vertreter gewählt und dieser die Bevollmächtigung weiter übertragen hätte, fehlen nicht nur jegliche Hinweise im Akt, sondern es scheitert eine derartige gewillkürte Vertretung bereits daran, dass gemäß § 10 Abs. 1 AVG eine Vertretung von Verfahrensparteien nur durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften möglich ist. Beim Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, handelt es sich aber nicht um eine solche juristische Person, weshalb eine Vertretung des Asylwerbers kraft einer Bevollmächtigung gemäß § 10 Abs. 1 AVG nicht möglich wäre.

Auch die Caritas Graz wurde - nach einer vom Verwaltungsgerichtshof eingeholten Auskunft vom 13. Jänner 2000 - vom Asylwerber nicht zu seiner Vertretung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bevollmächtigt, weshalb keine Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsvertreters auf Grundlage einer derartigen Vollmacht vorliegen kann.

Es ergibt sich somit, dass im Zeitpunkt der Antragstellung vom 23. September 1999 der Asylwerber durch den einschreitenden Rechtsvertreter weder unmittelbar noch im Wege über dazwischen liegende aufrechte Vollmachtsverhältnisse vertreten wurde. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Bescheidbeschwerde (und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) waren daher nicht dem Asylwerber, sondern dem - im Zeitpunkt der Einbringung ohne Bevollmächtigung auftretenden - Rechtsvertreter zuzurechnen. Dieser war aber nicht Partei des Asylverfahrens, weshalb es ihm sowohl an der Berechtigung zur Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch zur Erhebung der Beschwerde selbst mangelte.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Bescheidbeschwerde waren daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG bzw. § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Angesichts des vorliegenden Verfahrensergebnisses erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 27. Jänner 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter Zurechnung nachträgliche Vollmachtserteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999200471.X00

Im RIS seit

04.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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