TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/27 96/21/0425

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §29 Abs3 Z1;
FrG 1993 §31 Abs1;
MRK Art14;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des F in Graz, geboren am 18. August 1964, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. November 1995, Zl. Fr 599/1994, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Gemeindegerichtes Zagreb vom 26. Juni 1991 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden, weil er im Zeitraum vom 27. September bis 2. Oktober 1990 in Istanbul, Türkei, zum Zweck des Wiederverkaufs 370 g Suchtgift (Heroin) besorgt und in weiterer Folge dieses Heroin nach Zagreb gebracht habe, und weil er Substanzen, die im Zusammenhang mit Suchtgiften anfielen, besessen und übertragen habe. Der Beschwerdeführer habe somit das Tatbild des unbefugten Herstellens und Inverkehrbringens von Suchtgiften gemäß § 245 Abs. 1 des Strafgesetzbuches der SFRJ, durch das Amtsblatt Nr. 53/91 als Gesetz der Republik Kroatien übernommen, verwirklicht. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zagreb vom 10. Dezember 1991 sei über Berufung des Beschwerdeführers die verhängte Freiheitsstrafe auf die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten vermindert worden.

Die belangte Behörde habe die Urteilsabschriften des erst- und zweitinstanzlichen Urteils dem Bundesministerium für Justiz mit der Bitte um Prüfung im Sinn des § 73 StGB vorgelegt. Das Bundesministerium für Justiz habe der belangten Behörde mitgeteilt, dass seiner Ansicht nach die beiden Urteile des Bezirksgerichtes und des Gemeindegerichtes Zagreb auf Grund eines den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahrens ergangen seien und diese Verurteilungen somit den Voraussetzungen des § 73 StGB entsprächen.

Voraussetzung für eine Gleichstellung zwischen einer inländischen und einer ausländischen Verurteilung sei ein Schuldspruch wegen einer Tat, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob die angewandten Normen deckungsgleich seien, sondern ob der dem ausländischen Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt auch im Inland zu einer Verurteilung hätte führen müssen. Dies sei beim gegenständlichen Tatvergehen der Fall: Die Erzeugung, die Einfuhr, das Ausführen oder Inverkehrsetzen sowie der Besitz von Suchtgift seien nach dem Suchtgiftgesetz 1951 strafbar und der Strafrahmen reiche je nach Qualifizierung bis zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren.

Durch das vom Bezirksgericht Zagreb ausgesprochene Urteil liege eine bestimmte Tatsache vor, bei deren Vorhandensein der Gesetzgeber ausgesprochen habe, dass in diesem Fall der Aufenthalt des Fremden jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und habe ein inniges Verhältnis zu seinem aus erster Ehe stammenden, in Österreich lebenden Kind. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen habe, es in Verkehr zu setzen, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, im Besonderen zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit, als dringend geboten anzusehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig. Im vorliegenden Fall könne zudem von einer völligen sozialen Integration des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Kürze seines Aufenthaltes im Bundesgebiet unabhängig davon, ob der Aufenthalt rechtmäßig oder unrechtmäßig sei, keine Rede sein. Auch entspreche es der Lebenserfahrung, dass die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten groß sei.

Der Beschwerdeführer habe als Verfahrensmangel gerügt, dass seine Ehefrau nicht als Zeugin vernommen worden sei. Seinen diesbezüglichen Ausführungen sei jedoch nicht zu entnehmen, welche konkreten Feststellungen die erstinstanzliche Behörde aufgrund der Angaben dieser Zeugin hätte treffen können, die den vom Beschwerdeführer gezogenen Schluss gerechtfertigt hätten, er sei nunmehr völlig integriert, weshalb auch nicht zu erwarten sei, dass er in Zukunft strafbare Handlungen begehen werde. Der Beschwerdeführer habe es somit unterlassen, die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels darzutun.

Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Unterhaltspflicht könne er auch vom Ausland aus nachkommen.

Ein Aufenthaltsverbot sei für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf auf vorhersehbare Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Erlassung nicht vorhergesehen werden könne. Die belangte Behörde habe über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt, weil zum jetzigen Zeitpunkt eine Besserung im Verhalten des Beschwerdeführers und somit der Zeitpunkt des Wegfalls der Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht vorhergesehen werden könnten.

Die gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 13. März 1996, B 141/96, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist anzumerken, dass der angefochtene Bescheid angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe offensichtlich in den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, eine Grundlage fände und somit nicht gemäß § 114 Abs. 4 leg. cit. außer Kraft getreten ist (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Für die Überprüfung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes auf seine Rechtmäßigkeit ist eingangs festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin keine schlechtere Rechtsstellung beigemessen werden darf als Ehegatten nichtösterreichischer EWR-Bürger (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 96/21/0012, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Auf den Beschwerdeführer ist somit die Bestimmung des § 31 Abs. 1 FrG anzuwenden, derzufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen nur zulässig ist, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Wenn die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides allein auf § 18 FrG und nicht auf § 31 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, war dies zwar rechtswidrig, bewirkte aber keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, zumal § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung sind, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 18 Abs. 1 Z. 1 genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 18 Abs. 2 als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 97/21/0112).

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, im Jahr 1991 wegen eines Suchtgiftdeliktes durch ein Gericht in Zagreb zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden zu seien. Er meint jedoch, dass diese Verurteilung den Voraussetzungen des § 73 StGB nicht entspreche; dies insbesondere, weil das jugoslawische Strafrecht den Anforderungen des Art. 6 EMRK nicht gerecht werde. Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer jedoch entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die oben erwähnte Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz verwerten durfte. Die Beschwerde meint demgegenüber lediglich, dass das Fragerecht nicht EMRK-konform ausgeprägt sei und das jugoslawische Strafprozessrecht nicht der fundamentalen Unschuldsvermutung entspreche. Der Beschwerdeführer - der im Übrigen die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung nicht bestreitet - legt jedoch in keiner Weise dar, warum das konkrete, gegen ihn durchgeführte Strafverfahren nicht den Vorschriften der EMRK entsprochen haben soll.

Vorliegend ist somit der Tatbestand des - wie dargetan als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden - § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und es besteht angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kein Zweifel daran, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gegeben sind und das Aufenthaltsverbot im Grund des § 31 Abs. 1 leg. cit. zulässig ist.

Gemäß § 19 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedoch nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Weiters darf gemäß § 20 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist nach der letztgenannten Gesetzesstelle auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Juli 1988 in das österreichische Bundesgebiet ein und heiratete hier am 1. September 1988 eine österreichische Staatsbürgerin. Am 9. November 1988 wurde dem Beschwerdeführer ein bis zum 27. Oktober 1989 befristeter Wiedereinreisesichtvermerk erteilt. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von seiner Gattin, die ein Kind von ihm erwartete, geschieden. Am 20. Dezember 1989 wurde dem Beschwerdeführer ein weiterer bis 12. September 1990 gültiger Wiedereinreisesichtvermerk, am 23. August 1990 verlängert bis 15. November 1991, erteilt. Nach seiner Haftentlassung heiratete er am 12. Dezember 1992 wieder eine österreichische Staatsbürgerin.

Die belangte Behörde nahm auf Grund der familiären und privaten Beziehungen des Beschwerdeführer in Österreich - vor allem angesichts seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und seiner Vaterschaft zu einem in Österreich lebenden Kind - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers an. Sie legte allerdings weiters in nachvollziehbarer Weise die vom Beschwerdeführer aufgrund seines Fehlverhaltens ausgehende Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar und wies auf die Suchtgiftdelikten immanente Wiederholungsgefahr hin. Wenn die belangte Behörde angesichts der besonderen Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Straftat (Einfuhr, Besitz und Inverkehrbringen einer großen Menge Suchtgiftes) und des daraus abgeleiteten hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Beschwerdeführer zum Einen das Aufenthaltsverbot iS des § 19 FrG als dringend geboten ansah und zum Anderen bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beimaß als den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, so begegnet dies seitens des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken, zumal - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/21/0449) die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall eines Suchtgiftdeliktes auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig ist.

Soweit der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften für rechtswidrig hält, ist die Beschwerde ebenfalls nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer wirft in dieser Hinsicht der belangten Behörde vor, dass sie ihm das Parteiengehör nicht gewährt habe. Der Beschwerdeführer legt jedoch nicht dar, welches Vorbringen zu erstatten ihm dadurch verwehrt worden sei und zeigt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 2000

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210425.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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