TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/16 LVwG-M-11/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.05.2018

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des Herrn A, vertreten durch Herrn B, Rechtsanwalt in ***, betreffend eine Sicherstellung von insgesamt vier Langwaffen am 16. März 2018 in ***, ***, durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha, zu Recht:

1.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Sicherstellung von vier Langwaffen, nämlich Steyr M95 Nr. ***. 8x50r, Mauser Gewehr 98 Nr. *** Kal. 8x57, Enfield Nr. 1 MK 3 Nr. *** Kal. 303 british, Springfield P17 Nr. *** Kal. 30-06, in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Die Amtshandlung wird für rechtswidrig erklärt.

2.   Der Bund, Bundesminister für Inneres, hat dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 737,60  und € 30,--, insgesamt daher € 767,60 als Ersatz des Schriftsatzaufwandes sowie der Eingabegebühr binnen drei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Schriftsatz vom 10. April 2018 erhob der Beschwerdeführer eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde, in der er monierte, dass im Zuge einer von der Staatsanwaltschaft *** angeordneten Durchsuchung seiner Wohnung insgesamt vier näher bezeichnete Langwaffen sichergestellt worden seien. Diese seien weder vom Sicherstellungsauftrag der Staatsanwaltschaft *** umfasst gewesen noch seien die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nach § 13 WaffG vorgelegen.

Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen und führte im Wesentlichen aus, dass die Sicherstellung nicht aufgrund des WaffG, sondern – wie sich unmissverständlich aus dem Sicherstellungsprotokoll vom fraglichen Tag ergäbe – auf Basis des § 110 Abs. 2 StPO in Umsetzung des Sicherstellungsauftrages der Staatsanwaltschaft *** vom 9. Feber 2018, ***, erfolgt sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass im Sicherstellungsprotokoll von einer Sicherstellung nicht registrierter Waffen nach dem WaffG gesprochen würde. Vielmehr habe es sich um eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Maßnahme gehandelt, sodass es an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG fehle.

Über Ersuchen übermittelte die Staatsanwaltschaft *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ihre Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung vom 9. Feber 2018, ***, in der sie die Sicherstellung von Suchtgift, Suchtgift-Utensilien, Aufzeichnungen und Datenträgern, die über Suchtgifthandel Aufschluss geben könnten, dem ADBG unterliegender Substanzen sowie von NS-Devotionalien einschließlich Datenträgern mit dem Verbotsgesetz 1947 unterliegendem Inhalt anordnete. Unter einem teilte sie mit, dass sie bislang (Stand 7. Mai 2018) von einer Sicherstellung von Langwaffen keine Kenntnis habe, sodass auch eine nachträgliche Genehmigung der Sicherstellung nicht erfolgt sei. Auch wäre nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Rechtsgrundlage für eine derartige Genehmigung zu erkennen.

Mit dieser Auskunft der Staatsanwaltschaft konfrontiert, teilte die belangte Behörde mit, auf die Durchführung der Verhandlung zu verzichten.

Unter Zugrundelegung der Beschwerdeausführungen, jener in der Gegenschrift der belangten Behörde samt Beilagen sowie der seitens der Staatsanwaltschaft *** zur Verfügung gestellten Aktenteile sieht es das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich als erwiesen an, dass Organe der belangten Behörde am 16. März 2018 in der Wohnung des Beschwerdeführers in *** die im Spruch umschriebenen vier Langwaffen sichergestellt haben. Die Sicherstellung wurde – wie sich aus dem Sicherstellungsprotokoll ergibt und von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift unterstrichen wurde – auf die Anordnung der Staatsanwaltschaft *** vom 9. Feber 2018 gestützt. Diese Anordnung erfasst die sichergestellten Gegenstände nicht. Auch wurde seitens der Staatsanwaltschaft *** keine nachträgliche Genehmigung der fraglichen Sicherstellung erteilt.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Gesagten:

Gegenstand der Beschwerde nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Amtshandlungen, mithin Lebenssachverhalte, wobei vorliegend von einer Amtshandlung, näherhin der Sicherstellung der vier im Spruch genannten Langwaffen auszugehen ist. Voraussetzung der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist weiters, dass die Amtshandlung einer Verwaltungsbehörde zugerechnet werden kann. Nicht der Verwaltung zuzurechnen sind Amtshandlungen von Sicherheitsorganen im Dienste der Strafjustiz, wenn diese über Anordnung der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts erfolgen und durch diese Anordnungen gedeckt sind. Folglich steht in derartigen Fällen ein Rechtszug an die Verwaltungsgerichte nur bei Vorliegen eines sog. Exzesses offen (VwGH 22.4.2015, Ra 2014/04/0046). Ob ein solcher vorliegt, ist anhand des Wortlautes und des Sinngehalts der entsprechenden Anordnung zu beurteilen, wobei ein Exzess nur vorliegt, wenn die Maßnahme, ihrem Inhalt und Umfang nach in der Anordnung keine Deckung mehr findet (zuletzt etwa VwSlg 19.098 A/2015).

Im konkreten Fall waren die verfahrensgegenständlichen Waffen unbestreitbarer Weise vom Sicherstellungsauftrag der Staatsanwaltschaft *** nicht umfasst, sodass die Amtshandlung in einem ersten Schritt der Verwaltung und nicht der Strafjustiz zuzurechnen ist. Die Maßnahmenbeschwerde erweist sich daher als zulässig. Sie ist auch berechtigt. So hat das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren ausschließlich zu prüfen, ob sich das einschreitende Organ im Zeitpunkt der Amtshandlung zutreffend auf eine von ihm angenommene Ermächtigung stützen durfte, nicht hingegen, ob der Verwaltungsakt hätte auf irgendeine Ermächtigung gestützt werden können (VwGH 22.10.2002, 2000/01/0527; 12.09.2006, 2005/03/0068). Demnach ist die Amtshandlung nur dann rechtens, wenn im Zeitpunkt ihrer Setzung nicht nur die für ihre Setzung erforderlichen Voraussetzungen objektiv vorlagen, sondern sich das einschreitende Organ auch (subjektiv) auf die entsprechende Ermächtigung gestützt hat. Davon ausgehend, dass die Sicherstellung – ausweislich des Sicherstellungsprotokolls und der Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift – auf den Sicherstellungsauftrag der Staatsanwaltschaft *** gestützt wurde, dieser jedoch die Sicherstellung nicht zu tragen vermag, erweist sich die Amtshandlung bereits aus diesem Grund als rechtswidrig. Namentlich war im gegenständlichen Verfahren nicht mehr zu prüfen, ob sie auf andere strafprozessuale Bestimmungen, insbesondere §§ 99 Abs. 2 oder 110 Abs. 3 StPO hätte gestützt werden können. Ebensowenig war angesichts der unzweideutigen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift auch eine mögliche Deckung durch waffenrechtliche Bestimmungen zu prüfen.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2
B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).

Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die belangte Behörde als unterlegene Partei zu betrachten und zur Kostentragung zu verpflichten ist, wobei – antragsgemäß der Schriftsatzaufwand und die Eingabegebühr (§ 25 Abs. 6 VwGVG i.V.m. § 52 Abs. 2 VwGVG; vgl. dazu VwGH 21.11.2006, 2003/11/0314) zuzuerkennen war.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Verhandlung konnte nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Waffen; Sicherstellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.M.11.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten