Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des WA in S, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. März 1999, Zl. St 258-1/98, betreffend Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 21. Oktober 1998, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1998 auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte nicht stattgegeben worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 21 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 des Waffengesetzes 1996 (im Folgenden: WaffG) keine Folge gegeben.
Die belangte Behörde stellte fest, dem Beschwerdeführer sei bereits im Jahr 1994 rechtskräftig gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 des Waffengesetzes 1986 mangels Verlässlichkeit (Gefahr einer missbräuchlichen oder leichtfertigen Verwendung einer Waffe) die Waffenbesitzkarte entzogen worden. Diesbezüglich werde auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0325, verwiesen.
Diesem Erkenntnis ist zu entnehmen, dass dem seinerzeitigen waffenrechtlichen Entziehungsverfahren die gutachterlich belegte Feststellung zugrundelag, beim Beschwerdeführer wären Anzeichen einer "latent paranoiden Halluzinationsbereitschaft" vorhanden. Derartige Anzeichen einer paranoiden Reaktionsbereitschaft reichten zwar nicht für die Annahme, die betreffende Person sei geisteskrank oder geistesschwach, gleichwohl rechtfertige eine solche Feststellung den Schluss, dass es dem Betreffenden an der erforderlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Waffengesetz 1986 fehle.
Den vorliegenden Antrag auf (Neu-)Ausstellung einer Waffenbesitzkarte habe der Beschwerdeführer entsprechend der Übergangsbestimmung des § 58 Abs. 2 WaffG gestellt, weil er noch im Besitz einer halbautomatischen Schusswaffe sei, die seit dem Inkrafttreten des Waffengesetzes 1996 als nunmehr genehmigungspflichtige Schusswaffe eine waffenrechtliche Urkunde voraussetze. Aufgrund dieses Antrages habe die Behörde die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers von Neuem zu überprüfen, weil auch nach der bezeichneten Übergangsbestimmung die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte nur an eine verlässliche Person erfolgen dürfe.
Im Zuge des Verfahrens habe der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. ein nervenfachärztliches Gutachten erstellt, in welchem dieser zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Beschwerdeführer aus nervenärztlicher Sicht nicht die erforderliche Verlässlichkeit aufweise. Beim Beschwerdeführer stehe derzeit
"eine Symptomatik einer so genannten zwanghaften Persönlichkeitsstörung im Vordergrund. Die Symptome einer Persönlichkeitsstörung würden vom Betroffenen nicht reflektiert und auch nicht als Krankheit angesehen, würden aber in Teilbereichen eine schwere Beeinträchtigung in der Urteils- und Entscheidungsfähigkeit aufweisen. Aus diesem Grunde sei potentiell die Gefahr für einen nicht ordnungsgemäßen Gebrauch von Schusswaffen als deutlich erhöht anzusehen. Aus den im Akt hervorgehenden Informationen könnten auch in der Vorgeschichte flüchtige paranoide Symptome vermutet werden."
Der Beschwerdeführer habe sich gegen dieses Gutachten mit dem Argument gewendet, es handle sich um ein von ihm bezahltes Privatgutachten, weil er direkt zu dessen Bezahlung vom Gutachter aufgefordert worden sei. Im Übrigen habe er ein im Sinne des § 8 Abs. 7 WaffG erstelltes Gutachten von Dr. W.S. vorgelegt, worin ihm attestiert werde, er neige derzeit unter psychischer Belastung nicht dazu, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder diese leichtfertig zu verwenden.
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde weiters aus, sie sehe keinen Anlass, das Gutachten von Dr. K. nicht der Entscheidungsfindung zugrundezulegen. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass eine Untersuchung des Beschwerdeführers stattgefunden habe; im Gutachten werde der Untersuchungsbefund ausgewiesen. Die Ausführungen des Gutachtens seien auch schlüssig, so führe der Gutachter u.a. aus, es wäre vor allem im Gespräch mit dem Beschwerdeführer auffällig gewesen, dass dieser teilweise Informationen oder Faktoren extrem überbewertet hätte, wodurch er den völligen Überblick über die Gesamtheit verlöre. Der Beschwerdeführer werde im Gutachten als starr, mechanisch, sehr vorsichtig bis misstrauisch beschrieben, eher wenig beziehungs- und kontaktfähig, mit sehr geringer emotionaler Beziehungsfähigkeit, sehr egozentrisch, wohl aber pflichtbewusst. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, dies führe zu Denkstörungen mit einer latenten paranoiden Reaktionsbereitschaft, sei durchaus nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe auch in seiner Berufung entgegen den Ergebnissen des seinerzeitigen Entziehungsverfahrens daran festgehalten, im damaligen Verfahren hätten keine objektiven Umstände nachgewiesen werden können, die einen Entzug der Waffenbesitzkarte gerechtfertigt hätten. Das Gutachten des Sachverständigen sei keineswegs einseitig ausschließlich zum Nachteil des Beschwerdeführers, weil der Sachverständige ihm darin auch attestiere, dass keine Hinweise auf formal psychotische Denkstörungen vorlägen. Dies entkräfte allerdings nicht die weiters getroffene Feststellung, der Beschwerdeführer weise in Teilbereichen eine schwere Beeinträchtigung in der Urteils- und Entscheidungsfähigkeit auf. Diesem psychiatrischen Zustandsbild stehe das psychologische Gutachten nicht entgegen. Das Gutachten von Dr. K. entspreche in seinem Ergebnis dem dem seinerzeitigen Entziehungsverfahren zugrundegelegten Gutachten, woraus zu schließen sei, dass während des vergangenen Zeitraumes offenbar keine Änderung im Wesen des Beschwerdeführers eingetreten sei. Zudem habe der Beschwerdeführer anlässlich der Exploration bei Erstellung des psychologischen Gutachtens den betreffenden Gutachter nicht darauf hingewiesen, dass ihm bereits einmal die Waffenbesitzkarte entzogen worden war. Einer Ergänzung des psychologischen Gutachtens habe es aber im vorliegenden Fall nicht bedurft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine inhaltliche Rechtswidrigkeit und eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wird. Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Waffengesetzes 1996
lauten auszugsweise:
"§ 8. (1) Ein Mensch ist verläßlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
daß er
1.
Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. ...
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verläßlich, wenn er
1.
alkohol- oder suchtkrank ist oder
2.
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3.
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
...
(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verläßlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verläßlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war. ...
(7) Bei erstmaliger Prüfung der Verläßlichkeit hat sich die Behörde davon zu überzeugen, ob Tatsachen die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verläßlichkeit des Betroffenen aus einem der in Abs. 2 genannten Gründe rechtfertigen. Antragsteller, die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, haben ein Gutachten darüber beizubringen, ob sie dazu neigen, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. ..."
Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Wertung einer Person als waffenrechtlich "verlässlich" ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verlässlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, dass die vom Waffengesetz geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet sei (vgl. dazu etwa das zu § 6 Abs. 1 WaffG 1986 ergangene, auch zu § 8 Abs. 1 WaffG 1996 weiterhin relevante Ergebnis des Erkenntnisses vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0414). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874, m.w.N.). Demgemäß wurde auch in dem den Beschwerdeführer betreffenden hg. Vorerkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0325, zum Ausdruck gebracht, dass aus der seinerzeit festgestellten irrealen Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung und den festgestellten Anzeichen einer "latent paranoiden Halluzinationsbereitschaft" der Schluss gezogen werden könne, der Beschwerdeführer sei nicht mehr als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen.
Im vorliegenden Zusammenhang kommt daher dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer schon einmal eine ihm ausgestellte waffenrechtliche Urkunde wegen nicht mehr gegebener Verlässlichkeit entzogen worden war, der erst einige Jahre zurückliegt, maßgebliche Bedeutung zu. Im Hinblick auf die bereits seinerzeit attestierten Anzeichen für das Vorliegen eines psychiatrischen Krankheitssymptoms hat die belangte Behörde zutreffend auf das Gutachten des dafür zuständigen Nervenfacharztes Dr. K. abgestellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0269). Darauf, in wessen Auftrag der Gutachter tätig wurde und ob dieser direkt vom Beschwerdeführer bezahlt wurde, kommt es nicht an. Ausschlaggebend ist, ob das Gutachten auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann und ob die fachliche Eignung des herangezogenen Gutachters zu keinen Zweifeln Anlass gibt. Der belangten Behörde kann in diesem Zusammenhang nicht entgegengetreten werden, wenn sie sowohl die fachliche Eignung des Gutachters als auch die Schlüssigkeit des schriftlichen Gutachtens bejahte. Entgegen den Behauptungen in der Beschwerde hat der Gutachter eine Untersuchung des Beschwerdeführers persönlich vorgenommen und durchaus zutreffend die der seinerzeitigen Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden des Beschwerdeführers zugrundeliegende Vorgeschichte mit berücksichtigt. Dem Gutachten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der herangezogene Gutachter sich ausschließlich an dem im Vorverfahren erstatteten seinerzeiten Gutachten eines anderen Sachverständigen orientiert hätte. Auch in der vorliegenden Beschwerde werden keine konkreten Umstände vorgebracht, die gegen die fachliche Eignung des Gutachters oder die Schlüssigkeit seiner Ausführungen sprächen, weshalb die unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Ausführungen in der Beschwerde die Entscheidungsrelevanz nicht erkennen lassen.
Von der zunächst in Aussicht genommenen Ergänzung des psychologischen Gutachtens konnte die belangte Behörde wegen des hier nicht zum Tragen kommenden, anders gelagerten Gegenstandes einer solchen Untersuchung im Sinne des § 8 Abs. 7 WaffG Abstand nehmen. Bei Anzeichen einer psychiatrischen Erkrankung ist die Bestellung eines Psychologen schon unter dem Gesichtspunkt einer anzunehmenden fehlenden fachlichen Eignung eines solchen Gutachters nicht zielführend. Dies wird bei den in der Beschwerde auf das psychologische Gutachten von Dr. W.S. Bezug nehmenden Ausführungen übersehen.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 27. Jänner 2000
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200213.X00Im RIS seit
28.03.2001