TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/27 98/20/0472

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des am 28. Oktober 1969 geborenen DN, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Oktober 1998, Zl. 200.866/0-V/14/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Angola, reiste nach seinen Angaben am 26. August 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. August 1995 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Anlässlich seiner Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an:

"Bei der Ankunft von Boutros-Ghali am Flughafen von Luanda waren wir von unserer Partei anwesend. Die Sicherheitskräfte begannen zu schießen. Zwei Mitglieder der UNITA wurden dabei getötet. Das Fernsehen kam und filmte die Ereignisse. Meine Parteifreunde und ich waren Zeuge des Todes der UNITA-Leute. Wir wurden interviewt, wobei wir alles bezeugten, dass die Sicherheitskräfte geschossen haben. Wir übten bei diesem Interview auch Kritik an den Gegnern. Seit dem 22. Jänner werde ich wegen des Interviews von den Gegner verfolgt.

Wann hat sich der Vorfall am Flughafen ereignet?

Am 13.7.1995.

Wann war das Interview? Am selben Tag.

Welcher Zusammenhang besteht mit dem 22. Jänner? Ich war Zeuge, wie Leute am 22. Jänner 1993 von der MPLA getötet worden waren.

Wer wurde von wem getötet? Die MPLA hat UNITA-Leute getötet. Wie heißt Ihre Partei? PDP-ANA.

In Worten? Partido Democratico para o progresso - allianca National Angolana.

Welche Funkton hatten Sie in der Partei? Ich war Mitglied ohne

Funktion.

Wie heißt der Parteigründer! Mfulumpinga.

Weshalb wurde Ihre Parteikarte erst zu einem derart späten

Zeitpunkt ausgestellt?

Die erste Karte habe ich am Flugplatz verloren, als die beiden Personen erschossen wurden.

Waren Sie in Haft? Nein, ich konnte vorher weggehen.

Weshalb und von wem werden Sie verfolgt?

Colonel Djifa-Bamba hat mich informiert.

Wovon hat Sie der Colonel informiert? Dass man mich verhaften

und töten wird.

Wer ist Colonel Djifa-Bamba? Er gehört zum Stab der MPLA. Da ich den Tod der beiden Leute aufzeigte und ich immer Kritik an der Politik übte und auch weil ich Zeuge der Tötungen vom Jänner 1993 war, hat man mich verfolgt.

Wollen Sie weitere Fluchtgründe geltend machen? Nein."

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Asylwerbers mit Bescheid vom 27. September 1995 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab, wobei es begründend feststellte, dass den Angaben des Asylwerbers zu seinen Fluchtgründen (im Wesentlichen wegen widersprüchlicher Angaben) zur Gänze die Glaubwürdigkeit abgesprochen werde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er versuchte, die Widersprüchlichkeiten in seinen Aussagen zu erklären. So stellte er dar, dass sich das von ihm genannte Datum des 23. Jänner 1993 nur auf eine Schilderung beziehe, wie die MPLA mit UNITA-Anhängern umgegangen sei und er dadurch die allgemeine Situation in Angola beschreiben habe wollen. Seine politische Verfolgung habe mit den Ereignissen am 13. Juli 1995 begonnen; bei diesem Vorfall hätten die MPLA-Leute im Zuge einer aufgeschaukelten politischen Agitation auf Anhänger der UNITA und PDP-ANA-Leute (seiner Partei) geschossen. Dieser Vorfall habe im Flughafen stattgefunden, den Boutros-Ghali und das Fernsehen mit ihm schon verlassen hätten. Er selbst und ein anderes Mitglied seiner Partei wären von den Fernsehreportern zu den Vorfällen befragt worden und hätten sie an den Geschehnissen deutlich Kritik geübt. Schließlich sei er informiert worden, dass die Zeugen dieses Vorfalles gesucht würden und es hätte ihm Verhaftung und ein ungewisses Schicksal gedroht. Da er wisse, wie mit Oppositionellen umgegangen werde, habe er mit seinem Tod rechnen müssen. Weiters nahm der Beschwerdeführer zu der von ihm genannten, auch als Stütze für die Unglaubwürdigkeit seiner Aussagen herangezogenen Möglichkeit, einen Diplomatenpass problemlos nach Angola zurückzuschicken, Stellung und beantragte als Beweismittel neben seiner persönlichen Einvernahme auch die Einholung von amnesty international Jahresberichten über die politische Situation in Angola.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt A die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), abgewiesen. Unter Spruchpunkt B wurde ein am 2. Februar 1998 gestellter Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes gemäß § 19 Abs. 4 leg. cit. als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde stellte - ebenso wie die Behörde erster Instanz - fest, dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei zur Gänze die Glaubwürdigkeit zu versagen. Die von der Behörde erster Instanz an aufgezeigten Details der Aussagen des Asylwerbers festgemachten Unstimmigkeiten und die daraus gezogene Schlussfolgerung der gänzlichen Versagung seiner persönlichen Glaubwürdigkeit hätten die erkennende Behörde im vorliegenden Fall zu überzeugen vermocht. Beispielsweise führte die belangte Behörde den Widerspruch zwischen der angeblichen Verfolgung des Beschwerdeführers bereits seit dem 22. Jänner 1993 wegen eines Interviews und der in der Berufung erfolgten relevierenden Schilderung, erst seit dem 13. Juli 1995 wegen eines Interviews verfolgt zu werden,; weiters sei es unlogisch, dass eine Person, die angeblich Zeuge des Vorfalles vom 13. Juli 1995 gewesen sei und gesucht werde, ungehindert hätte ausreisen können. Schließlich zeige sich die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch bei seiner Darstellung der Schwierigkeiten der Anforderung seines Reisepasses und der unterschiedlichen Behandlung von Diplomatenpässen. Mangels Glaubhaftmachung von konkreten, gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen habe die beantragte Einholung von Beweisen sowie die persönliche Einvernahme des Asylwerbers unterbleiben können. Schließlich sei mit gleichzeitiger Zustellung des unter Spruchpunkt A rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens eine allfällig bestehende vorläufige Aufenthaltsberechtigung auf jeden Fall erloschen, weshalb der diesbezügliche Antrag gemäß § 19 Abs. 4 AsylG als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden, weshalb für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat grundsätzlich auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG über die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, Anwendung finden. Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG ist § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässiger Weise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).

In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer zu allen im Rahmen der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dargestellten Widersprüchen ausführlich Stellung genommen und versucht, diese Widersprüche zu erklären. Unter anderem hat er zum Beweis der Glaubwürdigkeit seiner Darstellungen auch ausdrücklich seine persönliche Einvernahme beantragt. Dem Berufungsvorbringen kann entnommen werden, der Beschwerdeführer sei in der Lage, bei seiner Vernehmung jene Bedenken, die gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen, durch Klarstellungen auszuräumen und damit die relevante Beweisgrundlage zu verbreitern. Die belangte Behörde hätte sich in Anbetracht dieses Vorbringens nicht bloß auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern hätte den Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung insbesondere zu den Punkten vernehmen müssen, auf die sie die mangelnde Glaubwürdigkeit des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers stützt.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei unterstellter Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.

Der bekämpfte Bescheid ist daher in seinem Spruchpunkt A mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Zum Spruchpunkt B (Abweisung des Antrags auf Anerkennung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes gemäß § 19 Abs. 4 AsylG) finden sich keine Ausführungen in der den Bescheid in seiner Gesamtheit bekämpfenden Beschwerde. Dieser Spruchpunkt erweist sich aber als von der Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes A mitumfasst, weil durch die Aufhebung dieses Spruchteils rückwirkend (vgl. § 42 Abs. 3 VwGG) die entscheidungswesentliche Voraussetzung für die Abweisung des Antrages auf Anerkennung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes gemäß § 19 Abs. 4 AsylG, nämlich der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens, weggefallen ist.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den Ersatz von - infolge erteilter Verfahrenshilfe nicht entrichteten - Barauslagen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 27. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998200472.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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