Entscheidungsdatum
05.06.2018Norm
StVO 1960 §5 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 22. März 2018, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
2. Das Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 22. März 2018, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit:
03.12.2017, 20:15 Uhr
Ort:
Gemeindegebiet ***
***
Fahrzeug:
***, Lastkraftwagen
Tatbeschreibung:
Sie haben sich am 03.12.2017 um 20:45 Uhr in *** nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 5 Abs.2, § 5 Abs.4, § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
€ 1.600,00
336 Stunden
§ 99 Abs.1 lit.b StVO 1960“
Weiters wurden dem Beschuldigten die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 04. Dezember 2017 und auf die Tatsache, dass mittels geeichtem Messgerät zur Untersuchung des Atemluftalkoholgehaltes neun Versuche durchgeführt worden wären, die allesamt am zu kleinen Blasvolumen bzw. an der unkorrekten Atmung gescheitert wären. Nach Wiedergabe der Rechtfertigung des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren und der Ergebnisse der Einvernahmen der einschreitenden Beamten im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hielt die belangte Behörde fest, dass auch aus amtsärztlicher Sicht derzeit kein schlüssiger Anhaltspunkt vorliege, weswegen der Beschuldigte den Alkomattest nicht hätte bedienen können. Die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei durch die dienstliche Wahrnehmung zweier Polizeibeamten anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle sowie des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen. Auch bestehe für die Strafbehörde keine Veranlassung, an der Richtigkeit der in der Anzeige enthaltenen Angaben zu zweifeln.
Zur Strafhöhe führte die belangte Behörde aus, dass eine verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit aufgrund einer Vormerkung nicht gegeben sei.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diese behördliche Entscheidung erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid zu beheben.
Begründet wurden diese Anträge wie folgt:
„Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist allerdings verfehlt, da das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren lückenhaft und unvollständig geblieben ist.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Beschuldigte ja einen Vortest absolvierte, der sogar ein Messergebnis (nämlich 0,27) zutage gebracht hat. Es ist also dem Beschuldigten keinesfalls darum gegangen, einen Alkoholtest zu verweigern. Er war schlichtweg körperlich nicht in der Lage dazu:
Sein reduzierter körperlicher Zustand, insbesondere im Zusammenhang mit der aufgetretenen Nervosität, die sich bei der gegenständlichen Amtshandlung verständlicherweise eingestellt hat‚ hat zu Luftknappheit geführt; nämlich zu einer solchen, die dafür verantwortlich war, dass das entsprechende Blasvolumen keinesfalls aufgebracht werden konnte.
Beweis:
einzuholendes lungenfachärztliches Gutachten;
Befragung des Beschuldigten;
bereits vorgelegte Unterlagen;
weitere Beweise vorbehalten.
Hätte die Behörde ein lungenfachärztliches Gutachten eingeholt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass der Beschuldigte in seiner körperlichen Situation damals keinesfalls in der Lage war, jenes Blasvolumen aufzubringen, welches für ein entsprechendes Ergebnis notwendig wäre.
Überdies wird darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte im fraglichen Zeitpunkt eine Blutuntersuchung gefordert hat, die jedoch von den einschreitenden Polizeibeamten abgelehnt wurde.
Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass der Beschuldigte keinesfalls ein verwaltungsstrafrechtliches Delikt begangen hat.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 24. Mai 2018 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der durch die Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Amstetten mit den Zlen. *** und *** sowie der Akten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit den Zlen. LVwG-AV-465-2018 und LVwG-S-1067-2018 Beweis erhoben wurde. Weiters wurde Beweis erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers, der Zeugen C, D sowie der Ehegattin des Beschuldigten.
4. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war am 03. Dezember 2017, gegen 20:20 Uhr, im Gemeindegebiet *** mit dem Lastkraftwagen Mercedes-Benz 209 CDI Pritschenwagen mit dem behördlichen Kennzeichen *** unterwegs. Auf Höhe der *** wurde er von Organen der Straßenaufsicht angehalten und über einen etwaigen Alkoholkonsum vor Fahrtantritt befragt. Nachdem der Beschuldigte angegeben hatte, zuvor ein Krügel Bier und ein Seidel Bier getrunken zu haben, wurde er angewiesen eine Atemalkoholuntersuchung mit einem Vortestgerät durchzuführen.
Die ersten beiden Blasversuche führten zu keinem Ergebnis. Erst der dritte Versuch ergab um 20:27 Uhr einen Atemalkoholgehalt von 0,27 mg/l. Deshalb wurde der Beschwerdeführer in weiterer Folge aufgefordert, mit dem geeichten Messgerät der Marke Dräger Alkomat 7110 MKIII A seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen.
Da es zu diesem Zeitpunkt zu regnen begann, beschlossen die einschreitenden Beamten die Amtshandlung beim Posten der Polizeiinspektion *** fortzuführen und nahmen den Beschuldigten mit dem Einsatzwagen mit. Nach Eintreffen dieser Personen bei der Dienststelle in *** befand sich das Testgerät bereits in einem betriebsbereiten Zustand, sodass seitens der amtshandelnden Beamten beschlossen wurde, die Untersuchung im Freien durchzuführen.
Im Zeitraum zwischen 20:37 Uhr und 20:44 Uhr wurden neun Atemproben vom Beschwerdeführer abgegeben, die allesamt nicht verwertbar waren, weil entweder das Ausatemvolumen des Probanden zu klein war oder die Atmung während der Untersuchung unkorrekt erfolgte. Nach dem vierten erfolglosen Versuch wurde der Beschuldigte von D dahingehend befragt, ob er an Asthma oder einer anderen Lungenerkrankung leide. Zu diesem Zeitpunkt war dem Beschwerdeführer eine entsprechende Krankheit seinerseits nicht bekannt. Der Rechtsmittelwerber konnte sich nicht erklären, weshalb er nicht in der Lage war, den Alkomaten so zu bedienen, dass ein verwertbares Ergebnis erreicht wird.
Die einschreitenden Beamten konnten keine gesundheitliche Beeinträchtigung des Probanden, welche der Untersuchung der Atemluft auf Alkohol entgegenstehen würde, erkennen. Aufgrund des Vortestergebnisses und der Tatsache, dass der Rechtsmittelwerber in keinster Weise ungewillt war, sich der Testung zu unterziehen, hatten sie das Gefühl, dass der Beschuldigte doch noch ein verwertbares Ergebnis erzielen könnte, weshalb sie den Beschwerdeführer weitere fünf Male aufforderten eine Atemprobe abzugeben. Während der gesamten Versuchsreihe wurde der Beschwerdeführer auch mehrmals darauf hingewiesen, dass das Nichterreichen eines verwertbaren Messergebnisses als Verweigerung der Atemalkohol-untersuchung anzusehen sei.
Der Beschwerdeführer bedauerte während der gesamten Amtshandlung die Tatsache, dass er kein verwertbares Messergebnis zustande brachte und machte ihn dieser Umstand nervös. Der Beschuldigte trug zu diesem Zeitpunkt eine schlecht sitzende Zahnprothese, welche auch zu Sprechproblemen führt. Dass eine schlecht sitzende Zahnprothese in Anbetracht des Alters des Beschwerdeführers dazu führen kann, dass der Proband einen Alkomaten nicht ordnungsgemäß bedienen kann, war dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise bewusst, sodass ihm gar nicht in den Sinn kam den Zahnersatz zu entfernen. Auch wurde er von den einschreitenden Beamten nicht darüber befragt, ob er eine Zahnprothese trägt.
Die Organe der Straßenaufsicht gingen davon aus, dass der Einschreiter sich im Rechtssinn „geweigert“ hat, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, weil er mehr als vier Atemproben abgegeben hatte, und wurde von ihnen deshalb nach vorläufiger Abnahme des Führerscheines die Amtshandlung beendet.
5. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde zur Zl. ***, insbesondere aus dem im Akt befindlichen Messprotokoll der Atemalkoholuntersuchungen sowie aus der Vernehmung des Beschwerdeführers und der Zeugen C und D in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich. Weiters wurde vom erkennenden Gericht in die Bedienungsanleitung des verwendeten Gerätes, downloadbar unter www.draeger.com, Einsicht genommen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer – scheinbar durch die schlecht sitzende Zahnprothese – Sprechprobleme hat, konnte die erkennende Richterin im Zuge der Einvernahme des Beschuldigten persönlich wahrnehmen. Aus der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer im Verlauf der Amtshandlung mehrmals entschuldigt und sein Bedauern geäußert hat, dass er den Alkomaten nicht korrekt bedienen konnte, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sehr wohl gewillt war, die von ihm geforderte Untersuchung durchzuführen. Der Beschuldigte hinterließ beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung in keinster Weise den Eindruck, dass er sich seiner Verantwortung dadurch entziehen wollte, als er vorsätzlich die Durchführung der Atemluftuntersuchung vereitelte. Diese Annahme wird dadurch untermauert, dass auch beide als Zeugen einvernommenen einschreitenden Beamten diesen Eindruck hatten und diesen als Grund nannten, dass sie den Beschuldigten neunmal aufgefordert hatten, das Testgerät zu bedienen.
Der Ablauf der Amtshandlung wurde von den beiden einschreitenden Beamten völlig deckungsgleich und nachvollziehbar beschrieben, wobei dem Zeugen C nicht mehr in Erinnerung war, wie viele Versuche notwendig waren, bis der Beschwerdeführer den Vortester ordnungsgemäß bedienen konnte. D gab im Zuge seiner Einvernahme glaubhaft an, dass er den Beschuldigten über eine Asthma- oder sonstige Lungenerkrankung befragt hat. Auch konnten die beiden Beamten glaubhaft vermitteln, dass sie davon ausgegangen sind, dass nach viermaligen Fehlversuchen eine Verweigerung des Alkomatentestes im rechtlichen Sinne vorliege und eine Blutuntersuchung in diesem Fall nicht vorgesehen sei. Insbesondere gaben diese Zeugen unter Hinweis auf den Diensteid an, dass sie den Eindruck hatten, dass der Beschwerdeführer sehr wohl bemüht war, den Alkomatentest zu absolvieren.
6. Rechtslage:
Die relevanten Absätze des § 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) lauten wie folgt:
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1.
die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2.
bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(2a) Die Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol zu überprüfen. Ergibt die Überprüfung der Atemluft den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol oder wird die Überprüfung verweigert, haben die genannten Organe eine Untersuchung der Atemluft gemäß Abs. 2 vorzunehmen.
(4) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.
(4a) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, bei denen eine Untersuchung gemäß Abs. 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.
(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2
1.
keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder
2.
aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.
Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
§ 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestimmt:
Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen wer sich bei Vorliegen der in
§ 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Der Beschuldigte wurde am 03. Dezember 2017 um 20:27 Uhr aufgefordert, sich einem Alkomatentest zu unterziehen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 dieser zu unterziehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es Pflicht des Beschuldigten, die Sicherheitswacheorgane darauf hinzuweisen, dass aufgrund des Gesundheitszustandes mit der Undurchführbarkeit des Alkomattests zu rechnen ist, sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO 1960 zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen (vgl. VwGH 24.02.2006, 2004/02/03349.
Es ist unerheblich, ob die Person, welche gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wurde, tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, wenn sie bei der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen hat und nicht behauptet wird, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar war (VwGH 2007/02/0240, 10.06.2008).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass jene Symptome, die geeignet sein können, die Lungenkapazität derart einzuschränken, dass nicht einmal die für eine Alkomatmessung erforderliche Mindestluftmenge in das Gerät geblasen werden könne, derart ausgeprägt sind, dass sie für einen Laien sofort erkennbar sind (vgl. VwGH 15.01.1992, 91/03/0246).
Bereits durch die 19. StVO-Nov wurde das Prinzip eingeführt, dass primär die Atemalkoholkontrolle zur Bestimmung einer möglichen Alkoholisierung heranzuziehen ist. Eine Blutuntersuchung zu diesem Zweck sollte nur noch dann notwendig – und zulässig – sein, wenn der Verdächtige aus persönlichen (etwa medizinischen wie zB Asthma) Gründen den Alkomaten nicht bedienen konnte. Zusätzlich sollte auch noch eine Untersuchung durch einen Arzt durchgeführt werden können, weil insbesondere im Fall einer Blutabnahme das Ergebnis nicht sofort vorliegt, ein tatsächlich unter Alkoholeinfluss stehender Lenker jedoch an der Weiterfahrt gehindert werden muss. Im Abs. 4 a wird die Vorführberechtigung der Straßenaufsichtsorgane zu einem bestimmten Arzt zur Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes geregelt, im Abs. 5 die Vorführberechtigung zur klinischen Untersuchung zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol. Die korrespondierenden Verpflichtungen der zu diesen Ärzten gebrachten Personen sind im Abs. 6 bzw. im Abs. 5 festgelegt (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at], Anm. 18).
Wesentlich für die Inanspruchnahme einer ärztlichen Untersuchung gemäß Abs. 5 Z 2 bzw. einer Blutabnahme gemäß Abs. 4 a StVO ist, wenn die Unmöglichkeit der Atemluftuntersuchung nicht ohnehin für jedermann erkennbar ist, dass der Proband sich anlässlich der Atemluftuntersuchung auf medizinische Gründe beruft, die der Atemluftuntersuchung entgegenstehen. Es genügt aber nicht die Behauptung irgendwelcher medizinischer Gründe, sondern es muss ein Leidenszustand (physiologische bzw atemphysiologische Gründe) ins Treffen geführt werden, der – sollte er tatsächlich vorhanden sein – die Durchführung der Atemluftuntersuchung in Frage stellt. Es genügt dann, dass der Proband diesen Zustand gegenüber dem Organ der Straßenaufsicht glaubhaft macht; ein Beweis ist freilich nicht gefordert. Ob letztlich der Proband tatsächlich objektiv in der Lage gewesen wäre, die Atemluftuntersuchung durchzuführen, ist rechtlich irrelevant. Liegen die hier skizzierten Voraussetzungen nicht vor, so ist ein Proband, der die Atemluftuntersuchung nicht oder nur mit offenkundigen Fehlversuchen durchführt, wegen Verweigerung der Atemluftuntersuchung strafbar. Keine Strafbarkeit liegt aber vor, wenn der Proband zum Zeitpunkt der geforderten Atemluftuntersuchung von der Unmöglichkeit der Ablegung der Atemluftuntersuchung aus medizinischen Gründen selbst nichts wusste; in einem solchen Fall kann er nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass er sich nicht auf die (ihm ja unbekannten Gründe) berufen hat (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at], Anm. 27).
Der die Atemluftuntersuchung durchführende Beamte muss – bei Vorliegen eines entsprechenden Verhaltens des Probanden – jedenfalls nicht mehr als vier Versuche zulassen, da auch weniger als vier Fehlversuche als Verweigerung gewertet werden können, wenn diese zu ungültigen Messergebnissen geführt haben (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at], E 215). Die Rechtsauffassung der einschreitenden Beamten im Beschwerdefall, dass eine Verweigerung im Rechtssinn jedenfalls dann vorliegt, wenn vier (oder mehr) Fehlversuche vorliegen, wird nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich weder vom Gesetzeswortlaut noch von der Rechtsprechung getragen.
Derjenige, der gemäß Abs. 2 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomats aus medizinischen Gründen hinzuweisen. Dieser Hinweis des Probanden muss für die Organe der Straßenaufsicht „klar erkennbar“ sein (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at], E 218).
Der Lenker ist so lange verpflichtet, sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, als noch kein gültiges Messergebnis (zwei nicht erheblich voneinander abweichende Einzelmesswerte) zustande gekommen ist oder als noch nicht mit Sicherheit feststeht, dass mit dem verwendeten Gerät kein verlässliches Messergebnis erzielt werden kann (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at],
E 273).
Ein zur Durchführung der Atemluftuntersuchung aufgeforderter Proband ist verpflichtet, den Sicherheitswachebeamten auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass er eine schlecht sitzende Zahnprothese trägt, die ihm die Durchführung der Atemluftuntersuchung als nicht möglich erscheinen lässt. Da diese Behinderung durch das Herausnehmen des Gebisses innerhalb längstens einer Minute beseitigt werden kann, ist der Proband, der dies unterlässt und dessen Versuche, die Atemluftuntersuchung durchzuführen, deshalb erfolglos bleiben, wegen Verweigerung der Atemluftprobe iSd § 99 Abs. 1 lit. b schuldig zu sprechen (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at] E 310).
Diese Verpflichtung besteht aber nur, wenn der Aufgeforderte von diesem Umstand Kenntnis hat oder wenn er von Polizeibeamten dahingehend belehrt wird, dass eine allenfalls getragene Zahnprothese das Messergebnis beeinträchtigen kann.
Es muss dem geschulten Organ der Straßenaufsicht zugemutet werden, an Ort und Stelle zu beurteilen, ob eine Person, die sich auf in ihrer Person gelegene (medizinische) Gründe für die Nichtdurchführung der Atemluftuntersuchung beruft, dies glaubhaft gemacht hat. Bejahendenfalls ist die Atemluftuntersuchung abgeschlossen und kommt die Vorschrift des Abs. 5 Z 2 zum Tragen, ohne dass eine Bestrafung wegen des Verstoßes gegen die Vorschrift des Abs. 2 in Betracht kommt. Ob der Proband sohin objektiv in der Lage gewesen wäre, die Atemluftprobe durchzuführen (was allenfalls Gegenstand eines diesbezüglichen medizinischen Gutachtens zu sein hätte), ist in einem solchen Fall rechtlich unerheblich (Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at] E 316).
Auch muss einem geschulten Organ der Straßenaufsicht zugemutet werden, an Ort und Stelle zu beurteilen, ob eine Person tatsächlich in der Lage und gewillt ist, die Atemluftuntersuchung durchzuführen. Zumindest hätten im konkreten Fall die Polizeibeamten den Beschwerdeführer angesichts der offensichtlichen Sprechprobleme dahingehend zu befragen gehabt, ob er eine Zahnprothese trägt und diesen in weiterer Folge zur Entfernung des Zahnersatzes auffordern müssen.
Es konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt – insbesondere durch die schlecht sitzende Zahnprothese – trotz erheblicher Bemühungen unfähig war, eine ausreichende Atemluftprobe abzugeben, sodass dieses Verhalten keine Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung gemäß
§ 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 darstellt.
Die Unmöglichkeit der Ablegung der Atemluftuntersuchung mittels Alkomaten war im Beschwerdefall für die Organe der Straßenaufsicht – zumindest nach dem motivierten, aber erfolglosen neunten Versuch - erkennbar, weshalb diese nach
Abs. 4a bzw. Abs. 5 des § 5 StVO 1960 vorzugehen gehabt hätten (vgl. VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0087).
Die belangte Behörde hat daher rechtswidrig das Vorliegen einer Übertretung des
§ 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 angenommen, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Alkomatmessung; Gesundheitszustand;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1067.001.2018Zuletzt aktualisiert am
17.07.2018