Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien KR H***** S*****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft *****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt 31.853,47 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. April 2018, GZ 12 R 77/17g-39, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderung von 833,22 EUR als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt als ehemaliger Hausverwalter der (aus Wohnungseigentümern und schlichten Miteigentümern bestehenden) beklagten Eigentümergemeinschaft 833,22 EUR als vertraglich vereinbartes Übergabehonorar sowie 31.020,25 EUR als Aufwandsersatz nach § 1014 ABGB. Zum Aufwandsersatz brachte er vor, dass er mit dem genannten Betrag wegen der verschlechterten finanziellen Situation der Eigentümergemeinschaft zur Abdeckung von Betriebskosten und Finanzierung von erforderlichen Reparaturarbeiten ab dem Jahr 2012 in Vorlage getreten sei.
Die Beklagte wandte ua mangelnde Fälligkeit und Passivlegitimation ein, bestritt die Forderung auch der Höhe nach und hielt ihr mehrere – auf den Titel des Schadenersatzes gestützte – Gegenforderungen entgegen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage Folge, wobei sie die Gegenforderungen verneinten. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist in Ansehung des zugesprochenen Übergabehonorars von 833,22 EUR jedenfalls unzulässig; im Übrigen ist das Rechtsmittel mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
1.1 Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838). Dies ist dann der Fall, wenn zwischen den Forderungen ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang besteht, wobei vom Vorbringen in der Klage auszugehen ist (RIS-Justiz RS0042741).
1.2 Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn alle Klageansprüche aus demselben Klagesachverhalt abzuleiten sind (RIS-Justiz RS0042766).
1.3 Ein rechtlicher Zusammenhang besteht bei Ansprüche, die aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden. Das ist dann der Fall, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann, die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden und miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037905).
1.4 Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht hingegen nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037899).
1.5 Der vertragliche Honoraranspruch steht mit dem Ersatzanspruch nach § 1014 ABGB in keinem Zusammenhang im Sinne der aufgezeigten Grundsätze. Daraus folgt, dass hinsichtlich des 5.000 EUR nicht übersteigenden Anspruchs auf Honorar die Revision gemäß § 502 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig ist.
2. Zum auf § 1014 ABGB gestützten Klagsbetrag zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
3.1 Nach Ansicht der Beklagten weiche das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, weil dieses die Fälligkeit des Anspruchs nach § 1014 ABGB ungeachtet des Fehlens einer formellen Rücklagenschlussrechnung nach § 31 Abs 3 WEG bejaht habe. Entgegen diesen Ausführungen ist das Berufungsgericht nicht von der zu § 1014 ABGB ergangenen Rechtsprechung abgegangen.
3.2 Nach der Rechtsprechung hängt die Fälligkeit des Aufwandsersatzanspruchs des Verwalters nach § 1014 ABGB von einer dem Gesetz entsprechenden Abrechnung ab, mag diese Abrechnung nun vom Verwalter selbst erstellt worden sein oder das Ergebnis der Beweisaufnahme bilden, das sich der Verwalter zur Begründung seines Aufwandsersatzanspruchs zu eigen macht (RIS-Justiz RS0013748). Entscheidend ist dabei allerdings nur, dass der Aufwandsersatzanspruch dem Saldo aus den tatsächlich gemachten Aufwendungen vermindert um Leistungen der Gemeinschaft entspricht, nicht aber, dass der Verwalter alle anderen allenfalls aus seiner Verwalterfunktion obliegenden Pflichten erfüllte (5 Ob 22/93). Nach 5 Ob 92/92 muss beurteilt werden können, bezüglich welcher Jahre und in welchem Ausmaß vom Vorliegen ordnungsgemäßer Abrechnungen als Voraussetzung für den Anspruch auf Aufwandsersatz ausgegangen werden kann und in welchem Ausmaß dem Verwalter Aufwandsersatz tatsächlich zusteht.
3.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach auf die jährlichen (als pünktlich, vollständig und korrekt festgestellten) Jahresabrechnungen des Klägers abzustellen sei, weil sich daraus der hier relevante Saldo ergebe und die Fälligkeit daher nicht von der Legung einer formellen Rücklagenschlussrechnung nach § 31 Abs 3 WEG abhänge, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Judikatur.
4.1 Auch im Zusammenhang mit der Nützlichkeit oder Notwendigkeit der Auslagen nach § 1014 ABGB zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es liegt am Machthaber, die Erforderlichkeit des Aufwands nachzuweisen (RIS-Justiz RS0113252). Beim Anspruch nach § 1014 ABGB kommt es darauf an, ob der Machthaber bei pflichtgemäßer Sorgfalt die Aufwendung zu diesem Zeitpunkt für die von ihm geschuldete Geschäftsbesorgung erforderlich und zweckdienlich halten durfte (RIS-Justiz RS0113252 [T1]). Ob der gemachte Aufwand für den Machthaber zum Zeitpunkt der Aufwendung als notwendig und nützlich anzusehen ist, lässt sich aber nur nach den Umständen des konkreten Falls beurteilen (RIS-Justiz RS0116446 [T1]).
Die vom Einzelfall geprägte Beurteilung der Vorinstanzen, die auf der Feststellung basiert, dass alle vom Kläger durchgeführten bzw in Auftrag gegebenen Arbeiten und alle Schritte der Verwaltungsführung nützlich und notwendig waren, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Mit ihrer Auffassung, der Ersatzanspruch des Klägers müsse deshalb scheitern, weil die von ihm bezahlten Arbeiten (ex post betrachtet) nicht mängelfrei durchgeführt worden seien, weicht die Beklagte vielmehr von den Grundsätzen der aufgezeigten Rechtsprechung ab und setzt sich auch in Widerspruch zum klaren Wortlaut des § 1014 ABGB, wonach der Ersatz auch bei einem fehlgeschlagenen Erfolg gebührt.
4.2 Auch der Zuspruch im Zusammenhang mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung von rückständigen Beiträgen von Wohnungseigentümern ist wegen der (unzweifelhaften ursprünglichen) Notwendigkeit dieses Aufwands von der Rechtsprechung gedeckt. Aufgrund der Feststellungen konnte hier das Berufungsgericht auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers (durch Nennung eines „außerbücherlichen“ Wohnungseigentümers gegenüber dem beauftragten Anwalt) vertretbar verneinen.
5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits hinreichend geklärt, dass auch schlichte Miteigentümer Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sein können (RIS-Justiz RS0110530). Das gilt nach dem Inkrafttreten des WEG 2002 für sogenannte „Mischhäuser“, bei denen nicht an allen wohnungseigentumstauglichen Objekten Wohnungseigentum begründet wurde, weiterhin (5 Ob 173/16a; vgl auch § 56 Abs 12 WEG 2002). Mit seiner Rechtsansicht, die Passivlegitimation liege nicht vor, weil die schlichten Miteigentümer nicht Teil der Eigentümergemeinschaft seien, vermag die Beklagte daher keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuwerfen.
6. Das Berufungsgericht hat im Zusammenhang mit dem Vortrag von Betriebskostendefiziten eine Pflichtenverletzung durch den Kläger ungeachtet eines fehlenden Beschlusses der Beklagten jedenfalls vertretbar verneint, weil es dazu von einer Vereinbarung im Sinne des § 34 Abs 4 erster Satz WEG 2002 ausgegangen ist. Die entsprechenden Revisionsausführungen entfernen sich vom Sachverhalt und können schon deshalb die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen.
Textnummer
E122027European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00109.18K.0611.000Im RIS seit
17.07.2018Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018