Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Jänner 2018, GZ 71 Hv 99/15w-164, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit dem hiefür rechtskräftig verurteilten Kurt P***** gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, Finanzierungen bereitstellen zu können, zu vermögensschädigenden Handlungen
(A) verleitet, und zwar
1) am 2. November 2012 Sukarno H***** zur Zahlung von 30.000 Euro,
2) vom August 2013 bis zum 17. März 2014 Robert C***** zur Zahlung von 30.000 Euro, weiters
3) vom 15. April 2014 bis zum Juni 2014 Lubomir B***** und Robert Ka***** zur Zahlung von zusammen 45.000 Euro sowie
(B) zu verleiten versucht, nämlich im Mai 2014 und im Juni 2014 Peter Ke*****, Lubomir B***** und Robert Ka***** zur Zahlung von 64.000 Euro,
wobei der Schaden insgesamt 5.000 Euro überstieg und Herbert K***** bereits am 24. Jänner 2014 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs verurteilt worden war (US 4 bis 7).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) erfolgte die Verlesung des Protokolls über die kriminalpolizeiliche Vernehmung des Zeugen Sukarno H***** in der Hauptverhandlung (ON 163 S 7) im Einklang mit § 252 Abs 1 Z 1 StPO. Nach der Aktenlage (ON 1 S 105, ON 155 sowie ON 162) hielt sich der Zeuge nämlich jedenfalls vom August 2017 bis zum Jänner 2018 im Sudan auf und war trotz mehrfacher Kontaktaufnahmen mit ihm im Zeitpunkt der Verlesung nicht absehbar, ob er nach Österreich zurückkehren werde, womit sein persönliches Erscheinen iSd § 252 Abs 1 Z 1 StPO wegen entfernten Aufenthalts füglich nicht bewerkstelligt werden konnte.
Indem die weitere Verfahrensrüge (Z 4) die im Rahmen der Prozessleitungsbefugnis des Vorsitzenden (§ 232 StPO) erfolgte Zurückweisung von Fragen (§ 249 Abs 2 StPO) an den Zeugen Robert C***** kritisiert, verfehlt sie den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, der eine Beschlussfassung des Schöffengerichts (§ 238 StPO) oder eine darauf gerichtete Antragstellung voraussetzt (RIS-Justiz RS0097971 [insbesondere T10]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 303).
Der Zeuge Robert C***** wurde vor dem erkennenden Gericht vernommen (ON 62 S 8 ff), die Depositionen der Zeugen Jan C***** und Peter Kl***** fanden mittels einverständlichen Vortrags (§ 252 Abs 2a StPO) Eingang in die Hauptverhandlung (ON 140 S 5). Hievon ausgehend wurden die Anträge auf neuerliche Vernehmung dieser Zeugen (ON 140 S 5 f, ON 163 S 4) zu Recht abgewiesen (ON 140 S 7, ON 163 S 6), weil sie nicht erkennen ließen, weshalb zu erwarten sei, dass die Genannten von ihren bisherigen Aussagen abweichen würden, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielten (RIS-Justiz RS0117928 [T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331).
Die Befugnis, einem Beteiligtenvertreter im Sinn des § 236a StPO eine Abmahnung zu erteilen, kommt ausschließlich dem Vorsitzenden zu (Danek/Mann, WK-StPO §§ 236, 236a Rz 6). Der Antrag, das Schöffengericht möge die dem Verteidiger wegen der Benützung eines Smartphones in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden erteilte Abmahnung „zurücknehmen“, ging daher schon im Ansatz fehl.
Eine über die Hauptverhandlung angefertigte Wort- oder Bildaufnahme (§ 271a Abs 1 StPO) ist nur dann zu übertragen, wenn es der Vorsitzende für zweckmäßig erachtet oder ein Beteiligter ein besonderes rechtliches Interesse daran glaubhaft macht und die vom Vorsitzenden zu bestimmenden Kosten der Übertragung übernimmt (§ 271a Abs 2 zweiter Satz StPO). Der von der Beschwerde angesprochene diesbezügliche Antrag (ON 72 S 4) verfiel schon deshalb zu Recht der Abweisung (ON 72 S 5), weil ein besonderes rechtliches Interesse des Beschwerdeführers insoweit nicht dargetan wurde. Die in diesem Zusammenhang angesprochene Möglichkeit der Durchführung dienstaufsichtsbehördlicher Maßnahmen wird durch die relevierte Beschlussfassung nicht tangiert.
Nach der Aktenlage legte der Zeuge Peter Ke***** am 26. Jänner 2016 einen USB-Stick vor (ON 23 S 50 iVm Beilage zu ON 23), dessen Inhalt übertragen und zum Akt genommen wurde (ON 31). Nach dem diesbezüglichen Protokoll wird darin ein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer, einer Person namens Peter und zwei weiteren Personen wiedergegeben. Der Antrag, auf diesem USB-Stick angeblich auch gespeicherte Aussagen in slowakischer Sprache zur Widerlegung der von den Schuldsprüchen A/2, A/3 und B umfassten Tatvorwürfe zu übersetzen (ON 163 S 4), ließ nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und trug solcherart reinen Erkundungscharakter (14 Os 100/04, SSt 2005/11; RIS-Justiz RS0118444).
Der Zeuge Murat Pr***** wurde nach der Aktenlage vergeblich zur Aufenthaltsermittlung im Inland ausgeschrieben (ON 27, 29 und 112). Sowohl Ladungen an einer der Kriminalpolizei bekanntgegebenen ausländischen Wohnadresse als auch die versuchte Kontaktaufnahme über eine von Murat Pr***** angeblich verwendete E-Mail-Adresse schlugen fehl (ON 59, 125 und 126). Der auf Vernehmung dieses Zeugen gerichtete Antrag (ON 163 S 5) wurde daher mangels Durchführbarkeit (§ 55 Abs 2 erster Satz StPO) zu Recht abgewiesen (ON 163 S 6).
Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Indem die Mängelrüge (Z 5) die Frage releviert, ob der Schaden zum Schuldspruch A/2 10.000 Euro oder 30.000 Euro betragen habe, bezieht sie sich weder auf schuldrelevante noch – mit Blick auf die jedenfalls gegebene Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 2 StGB – auf subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS-Justiz RS0106268).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit dem bloßen Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0115902).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122032European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00046.18S.0627.000Im RIS seit
17.07.2018Zuletzt aktualisiert am
23.07.2021