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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1996 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des HK in Wien, vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Hilschergasse 25/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. September 1999, Zl. SD 260/99, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer Hausdurchsuchung durch Beamte des Sicherheitsbüros Wien am 16. Februar 1997 wurden in den Lagerräumlichkeiten eines Lokales in Wien zahlreiche Waffen und nicht näher festgestellte Mengen an Suchtgift sowie drei Kunststoffsäckchen mit der vom Beschwerdeführer selbst hergestellten Substanz T-Oxid, 16 Stück pyrotechnische Gegenstände und 30 Stück leere Sodawasserpatronen, davon zwei Stücke mit abgeschnittenem Hals, vorgefunden. Der Beschwerdeführer gab nach den Feststellungen der belangten Behörde dazu befragt an, dass ihm ein Ausbildner beim Bundesheer die Herstellung spezieller Kracher erklärt habe. Diese Kracher seien ein probates Mittel zum Fischen, weil die Explosion der Kracher "die Schwimmblasen der Fische zerreißen und sie dann an der Oberfläche schwimmen". Vor längerer Zeit habe er 5 Liter-Kanister X-Oxyd sowie Y gekauft. "Glaublich in der Zeit von Sommer bis Herbst 1996" habe er dann im Lagerraum von PM, - gegen den nach dem festgestellten Sachverhalt ein aufrechtes Waffenverbot besteht -, das X-Oxyd und das Aceton in einem Glasbehälter zusammengemischt und einen Esslöffel Z-Säure beigefügt. Als der Beschwerdeführer erkannt habe, dass durch die von ihm hergestellte "weiße Paste" ein Sprengstoff entstanden sei, habe er mit diesem Stoff einen "Piraten" gefüllt und mit Wachs versiegelt. Als er diesen angezündet habe, habe es eine viel größere Explosion gegeben, als bei normalen Piraten üblich. Im Herbst 1996 sei ihm der Gedanke gekommen, dass er diese "weiße Paste" auch in leere Kohlensäurepatronen geben könnte. Er habe seinen Bekannten PM gefragt, ob er bei ihm im Lager die Drehbank benutzen dürfe, um Kohlensäurepatronen abdrehen zu können. Er habe vorgehabt, die Kohlensäurepatronen mit dem von ihm hergestellten Sprengstoff zu füllen und im Wasser zu testen. Es sei ihm bewusst gewesen, dass der Metallkörper der Kohlensäurepatronen bei dieser Explosion "zerlegt" werden würde. Ihm sei aber dann "die Sache zu gefährlich geworden", weshalb er davon Abstand genommen habe. Es sei eine reine "Experimentierfreude" gewesen und habe er niemals den Gedanken gehabt, diese von ihm "gebauten Sprengkörper gegen Menschen einzusetzen". Zum Abschluss seiner Vernehmung habe der Beschwerdeführer jedoch erklärt, "einmal in Kärnten einen mit der weißen Substanz gefüllten Piraten ins Wasser geworfen" zu haben, um "die Wirkung auf Fische zu beobachten".
Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer hergestellten Gegenständen (zündfähige Substanz, teilweise durch Abschneiden des Halses manipulierte Sodawasserpatronen und "Schweizer Kracher") um solche handle, die es möglich machten, Sprengkörper, so genannte Rohrbomben, herzustellen. Die testweise Herbeiführung der Explosion einer mit der vom Beschwerdeführer hergestellten Substanz gefüllten Sodawasserpatrone (mit vier Gramm des sichergestellten T-Oxid) durch Zündung mittels eines "Schweizer Kracher" habe ergeben, dass dadurch eine Munitionskiste aus Holz vollständig zerstört worden sei. Jedenfalls - so die belangte Behörde weiters -
"muss davon ausgegangen werden, dass die vom Berufungswerber hergestellte Substanz T-Oxid eine äußerst instabile Substanz darstellt, die eine sehr hohe Empfindlichkeit gegen mechanische und thermische Belastung aufweist und daher aufgrund ihrer Instabilität als besonders gefährlich zu bewerten ist."
Ausgehend von diesen vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Feststellungen verbot die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), den Besitz von Waffen und Munition.
Der Ausspruch eines Waffenverbotes nach dieser Bestimmung setze nicht voraus, dass bereits tatsächlich eine missbräuchliche Verwendung durch jene Person erfolgt sei, gegen die das Waffenverbot verhängt werde. Es genüge, wenn konkrete Umstände vorlägen, die die Besorgnis erweckten, dass von Waffen ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetz- und zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei sei nach dem Waffengesetz ein strenger Maßstab anzulegen.
Der Beschwerdeführer habe mit verschiedenen Stoffen experimentiert und dabei eine besonders gefährliche Substanz hergestellt, die die Anfertigung so genannter Rohrbomben ermögliche. Der Beschwerdeführer habe auch nach Erkennen der Wirkung dieses Sprengstoffes weiter experimentiert und diesen in der Form getestet, dass er ihn in ein Gewässer mit Fischen geworfen habe. Er habe weiters Kohlensäurepatronen präpariert, um diese im Bewusstsein, dass der Metallkörper bei einer Explosion "zerlegt" würde, zu füllen und zu testen. Auch wenn der Beschwerdeführer beteuere, er habe nur aus reiner Experimentierfreude gehandelt und nie daran gedacht, diese Sprengkörper gegen Menschen einzusetzen, rechtfertigten die festgestellten Tatsachen nach Ansicht der belangten Behörde die Annahme, der Beschwerdeführer könnte durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Dem weiteren Umstand, dass der festgestellte Sachverhalt zu keiner Anklage wegen Ansammelns von Kampfmitteln im Sinne des § 280 StGB und wegen Besitzes einer verbotenen Waffe geführt habe, komme keine maßgebliche Bedeutung zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe bei seiner Einvernahme
"eine sehr exzessive Schilderung bezüglich meiner Experimente mit gefährlichen Substanzen der Behörde gegenüber geboten, gleichzeitig jedoch festgehalten, dass ich freiwillig, als mir die Gefährlichkeit der Experimente zu Bewusstsein kam, von weiteren Experimenten Abstand genommen (habe)".
Es sei rechtswidrig, wenn "zwei Behörden zu einem widersprüchlichen Ergebnis" kämen. So sei
"das beim BG. Fünfhaus zu GZ. 14 U 889/97f anhängige Verfahren wegen des Verdachtes der Ansammlung von Kampfmitteln gem. § 280 StGB. lt. Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 7.4.1997, 14 ASt. 21.417/97, gem. § 90 Abs. 1 StPO eingestellt (worden) und (er habe) ferner die Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 24.11.1998 (erhalten), dass die wegen des Verdachtes nach § 36 WaffG. erstattete Strafanzeige am 20.11.1998 gem. § 90 StPO zurückgelegt" worden sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeführer ist zunächst zu entgegnen, dass es auf den Grund der Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 StPO durch die Staatsanwaltschaft nicht ankommt. Die belangte Behörde war dadurch in keiner Weise in der von ihr vorzunehmenden Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 WaffG gebunden.
§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:
"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0020, m. w.N.) dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung (somit eines "gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauches") von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Auch eine schon erfolgte missbräuchliche Verwendung von Waffen ist nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1997, Zl. 95/20/0426, und die dort wiedergegebene Judikatur). Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass aufgrund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifizierte rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch Missbrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund der unbestrittenen Feststellungen eine solche Annahme bejaht hat. Der Beschwerdeführer hat zugestanden, dass er selbst nach der gewonnenen Erkenntnis von der Gefährlichkeit der von ihm hergestellten Substanz seine "Experimente" weiter fortgeführt hatte, dies mit der Absicht, noch wirkungsvollere Sprengkörper anzufertigen. Der Beschwerdeführer ist auch nicht davor zurückgeschreckt, einen seiner angefertigten Sprengstoffkörper in ein Gewässer zu werfen, um dessen Explosionswirkung auf die dort befindlichen Fische zu beobachten. Dass es sich dabei um ein privates, dem Beschwerdeführer gehörendes Gewässer gehandelt hätte, wird von diesem nicht behauptet. Dass eine solche Vorgangsweise selbst durch eine Fischereiberechtigung nicht gedeckt wäre, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Nach den Feststellungen handelte es sich bei der vom Beschwerdeführer hergestellten Substanz um eine solche, die die Herstellung so genannter Rohrbomben zulässt, sowie überdies um eine äußerst instabile Substanz mit einer sehr hohen Empfindlichkeit gegen mechanische und thermische Belastung. Diese Substanz ist aufgrund ihrer Instabilität als besonders gefährlich zu bewerten. Der Beschwerdeführer hatte keinerlei Bedenken, diesen gefährlichen Sprengstoff ohne Sicherheitsvorkehrungen in fremden Lagerräumlichkeiten über längere Zeit aufzubewahren, im Übrigen in einem Lokal, gegen dessen Inhaber ein aufrechtes Waffenverbot bestand. Selbst wenn der Beschwerdeführer nicht beabsichtigt haben sollte, den von ihm hergestellten Sprengstoff gegen Menschen einzusetzen, sondern diesen lediglich aus besonderer "Experimentierfreudigkeit" mit dem Ziel hergestellt hätte, ihn zur Tötung von Fischen zu verwenden, und letztlich die Herstellung weiterer Sprengkörper aufgegeben haben sollte, so liegen nach den obigen Ausführungen jedenfalls konkrete Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, der Beschwerdeführer könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder fremdes Eigentum von Menschen gefährden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 27. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200517.X00Im RIS seit
27.02.2002