TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/3 W217 2177197-1

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Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2177197-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.10.2017, OB:

XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: BF) beantragte mit am 06.07.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) eingelangten Schriftsatz die Ausstellung eines Behindertenpasses. Beigelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden.

2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 09.10.2017 wird von Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF, ausgeführt, dass folgende Funktionseinschränkungen bei der BF bestehen würden:

1

Zöliakie 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da dauerhafte Diäteinhaltung notwendig ist.

09.03.01

20 % GdB

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 20% festgehalten.

2. Mit Bescheid vom 10.10.2017 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 20 % betrage. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

3. Mit Schreiben vom 08.11.2017 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.10.2017 und führte aus, dass der angeführte Grad der Behinderung mit 20 % nicht jenen Ausführungen und Erkenntnissen entspreche, die in der Zeitschrift "Zöliakie aktuell" Nr. 3/2014 - 33. Jahrgang, zu lesen seien. Daraus ergebe sich ein höherer Prozentsatz der Behinderung wodurch die erhöhten Aufwendungen aufgrund der schweren Erkrankung beim Finanzamt geltend gemacht werden könnten. Verschärfend komme hinzu, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe, so dass eine weitere teure Spezialuntersuchung veranlasst worden sei, die die Notwendigkeit der Einnahme von ärztlich dringend empfohlenen Medikamenten ergeben habe. Diese würden nicht von der Krankenkasse bezahlt werden.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2017 ein. Dieses ersuchte um Erstellung einer ergänzenden medizinischen Stellungnahme.

5. Die bereits befasste Dr. XXXX , FÄ für Innere Medizin, führt in ihrem ergänzenden medizinischen Sachverständigenbeweis aufgrund der Aktenlage aus wie folgt:

"Ad 1.) Aufgrund des Vorbringens der BF zu deren Krankheitsbild in der Beschwerde vom 8.11.2017 / Abl. 23, und den neu vorgelegten med. Beweismitteln / Abl. 19-22 ergibt sich kein einschätzungswürdiger Leidenszustand des BF bzw. sonstige Änderungen nach der EVO.

Begründung:

Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Defizite, insbesonders einer seit 04/2017 bioptisch/histologisch verifizierten Zöliakie, wurde diese Erkrankung - wie auch von der BF angegeben, ausschließlich mittels entsprechender Ernährungsmodifikation behandelt (siehe Gutachten "derzeitige Beschwerden": "seit der glutenfreien Diät geht es mir besser, ich halte mich extrem streng, Bauchschmerzen besser",...).

Zum Untersuchungszeitpunkt war der Allgemein- und Ernährungszustand normal, relevante Körperfunktionen waren nicht kompromittiert, daher lag insgesamt weitgehende Stabilisierung im Krankheitsverlauf vor.

Die Heranziehung der im Rahmen der EVO anzuwendenden Pos.Nr. (09.03.01) mit 20% ist somit korrekt erfolgt.

Die im Beschwerdeschreiben angeführte "weitere, teure Spezialuntersuchung" (Abl. 22) zeigt eine Stuhluntersuchung, wobei die Konsistenz des Stuhles als "fest" angegeben ist und in der Beurteilung der "Stuhldiagnostik" unter anderem lediglich "Hinweise" sowie "erhöhte Verdauungsrückstände bei Verdacht auf Ernährungsfehler?" angegeben sind.

Die weiters angeführten "ärztlich dringend empfohlenen" Medikamente (ohne nähere Spezifizierung) zur Behandlung der Zöliakie können aus gutachterlich-internistischer Sicht nicht nachvollzogen werden.

Die Zeitschrift "Zöliakie aktuell" aus dem Jahre 2014 ist für die Erstellung eines GdB nach geltender EVO nicht relevant.

Die im Beschwerdeschreiben angeführte Stellungnahme von Dr. XXXX vom 20.6.2014 untermauert die im Gutachten korrekt herangezogene Positionsnummer und den Rahmensatz von 20% ("....30% GdB lediglich bei Vorlieger häufiger Durchfälle UND geringer bis mittelgradiger Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes).

In Zusammenschau aller Fakten, Mitberücksichtigung der neu beigebrachten Befunde sowie Einwendungen der BF sind diese daher insgesamt nicht dazu geeignet, eine Änderung im Gutachten herbeizuführen."

6. Mit Schreiben vom 02.05.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der BF und der belangten Behörde das eingeholte Gutachten zur Kenntnisnahme und allfälliger Stellungnahme binnen zweier Wochen. Diese Frist blieb ungenützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 06.07.2017 bei der belangten Behörde die.

Die BF hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der BF besteht folgende Funktionseinschränkung:

- Zöliakie (Pos.Nr. 09.03.01, 20 % GdB)

Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 20 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der BF im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

Die Feststellung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung der BF in der Höhe von 20 v.H. beruht auf dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 09.10.2017 einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, sowie auf deren vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholten Stellungnahme vom 16.03.2018.

Im Gutachten vom 09.10.2017 wird auf die Art des Leidens der BF und dessen Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzte sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die im Gutachten angeführt sind, auseinander. In ihrer Stellungnahme vom 16.03.2018 führt sie nachvollziehbar aus, weshalb sie gegenüber ihrem Vorgutachten zu keiner Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung gelangt:

Die Erkrankung der BF wurde - wie auch von der BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 14.09.2017 bestätigt - ausschließlich mittels entsprechender Ernährungsmodifikation behandelt. Auch der Allgemein- und der Ernährungszustand wurden als normal befundet (vgl. "Größe 171,00 cm, Gewicht: 62,00 kg").

Pos.Nr. 09.03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:

"Stoffwechselstörungen leichten Grades 10 - 40 %

Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten. Je umfassender die Therapiemaßnahmen desto höher die Einschätzung.

10 - 20 %: Ausschließlich diätetische Maßnahmen ermöglichen die

Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Die Erkrankung ist weitgehend stabil. Arbeits- und Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich. Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.

30 - 40 %: Zusätzliche therapeutische Maßnahmen sind notwendig, um

die Körperfunktionen aufrecht zu halten. Die Erkrankung ist weitgehend stabil. Arbeits- und Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich. Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.

Die Heranziehung der im Rahmen der EVO anzuwendenden Pos.Nr. 09.03.01 mit 20 % ist somit zu Recht erfolgt. Dies wird auch durch die von der BF selbst ins Treffen geführte Stellungnahme von Dr. XXXX vom 20.06.2014 in der Zeitschrift "Zöliakie aktuell" aus dem Jahre 2014 untermauert, wonach ein GdB von 30 % lediglich bei Vorlieger häufiger Durchfälle UND geringer bis mittelgradiger Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes gerechtfertigt ist.

Die BF ist der eingeholten Stellungnahme trotz ihr durch das Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs nicht und damit auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens, welches durch die Stellungnahme vom 16.03.2018 bestätigt wird. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. ...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

.....

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 09.10.2017, welches durch die Stellungnahme vom 16.03.2018 bestätigt wird, zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Grad der Behinderung der BF von 20 v.H.

Die BF ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sie hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahme und Schlussfolgerung der dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig sei.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2177197.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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