TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/3 W200 2192875-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2192875-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.04.2018, OB 1603638920023, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 6283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 15.01.2010 stellte das Bundessozialamt fest, dass die Beschwerdeführerin auf Grund eines Grades der Behinderung von 50 von 100 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Dem Bescheid zu Grunde gelegt war ein augenfachärztliches Gutachten sowie eine Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin.

Am 14.06.2017 stellte die Beschwerdeführerin ohne Vorlage von Unterlagen einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b STVO sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

Auf Aufforderung legte die Beschwerdeführerin eine Kurzmitteilung einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, einen Befundbericht des AKH Wien, Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie vom 14.06.2017, ein Auszug aus der Ambulanzkartei des AKH Wien, Klinische Abteilung für Rheumatologie, vor.

In einem Schreiben verwies die Beschwerdeführerin auf ihre rheumatische Erkrankung, den nicht entfernbaren Tumor in der Augenhöhle, schwere Depressionen und die zeitweise Unfähigkeit, mehr als ein paar Schritte zurück zu legen oder Stufen zu überwinden.

Das eingeholte neurologische Gutachten vom 20.03.2018 nach Durchführung einer Untersuchung ergab weiterhin einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 von 100 und gestaltete sich wie folgt:

"Anamnese:

(...)

Die Patientin berichtet über immer wieder auftretende Trigeminusschmerzen rechts (einmal pro Monat). Eine Schmerzmedikation nimmt sie dagegen nicht ein. Die Schwerhörigkeit sei gleich geblieben, beidseits hätte sie einen Tinnitus.

Derzeitige Beschwerden:

Vorliegend ist ein Schreiben der Patientin vom 28.9.2017:

rheumatische Erkrankung mit wechselnden Entzündungen und Schmerzen überall im Körper, nicht entfernbarer Tumor der rechten Augenhöhle. Es ist immer etwas entzündet, oft betrifft es die Füße und Beine. Zeitweise kann ich gut gehen, zeitweise fast gar nicht. Von meiner Dienststelle gibt es Gott sei Dank die Regelung, dass ich keine Räume aufsuchen muss, die nicht barrierefrei zu erreichen sind. Privat betreue ich meinen Mann nach Schlaganfall und meine dementen Eltern. Das ist alles nicht einfach mit einer schweren Depression und zeitweiser Unfähigkeit mehr als ein paar Schritte zurück zu legen. Demzufolge bin ich auf ein Auto in jeder Hinsicht völlig angewiesen. Aus diesem Grund ersuche ich dringend um die Bewilligung des Behindertenpasses und des Parkausweises.

Patientin berichtet Folgendes: der Tumor wächst wieder, Cortison ist geplant, das möchte sie jedoch nicht, da sie nach der letzten Cortisonbehandlung stark depressiv und suizidal war.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Methotrexat 2,5mg 1x wöchentlich 8 Tbl., Folsan 5mg, Euthyrox 75ug, Neuromultivit, Magnesium, Venlafaxin 225mg 1-0-0, Oleovit D3, Dolgit 600mg bei Bedarf.

Sozialanamnese:

Verheiratet, keine Kinder, Sozialarbeiterin in der Gerontopsychiatrie 35 Stunden pro Woche

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

(mitgebrachte Befunde):

Rheumaambulanz 14.2.2018: Arthralgien bei bekannter Arthrose, keine Arthritis, hinsichtlich des Auges vermehrt Schmerzen. Zunahme des Tumors, Beginn Aprednislon 50mg pro Tag, MTX steigern.

Rheumatologische Diagnose; Pseudotumor Auge

Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie 12.2.2018, Diagnose: rez. schwere depressive Störung F33.2, Erschöpfungssyndrom Z73.0

Untersuchungsbefund: (...)

Klinischer Status - Fachstatus:

HN: Doppelbilder beim Blick in alle Richtungen werden angegeben, während der Untersuchung Angabe von polytopen Schmerzen.

OE: MER geringgradig gesteigert, geringe Hypodiadochokinese beids., Feinmotorik beids. eingeschränkt, grobe Kraft stgl. unauff, Trophik, Tonus stgl.,

UE: MER gesteigert auslösbar, KHV beids. gering dysmetrisch, grobe Kraft stgl., Trophik, Tonus unauff. sensibel, Hyperästhesie rechte Gesichtshälfte,

Gesamtmobilität - Gangbild: Stand, Gang: unauff.,

Status Psychicus: Pat. klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, wirkt jedoch belastet und energielos, keine prod. Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, von der Stimmung depressiv, in beiden Skalenbereichen eingeschränkt affizierbar, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration uneingeschränkt, psychomotorisch verlangsamt

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Depression Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Dauermedikation notwendig ist.

03.06.01

30

2

Polyarthritis Unterer Rahmensatz, da mäßige Einschränkungen im Bereich mehrerer Gelenke unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ständigen rheumatischen Medikation.

02.02.02

30

3

Zustand nach Operation eines Pseudotumors der rechten Augenhöhle, Zustand nach Schieloperation beidseits, partielle Augenmuskellähmung rechts (Okulomotoriusparese) Mittlerer Rahmensatz, da Hebungseinschränkung und geringe Gesichtsfeldeinschränkung rechts

11.01.03

20

4

Narbe im Bereich der rechten Augenbraue Unterer Rahmensatz, da mäßige kosmetische Beeinträchtigung

11.01.01

10

5

Schwerhörigkeit beidseits Tabelle 2. Zeile, 2. Kolonne Oberer Rahmensatz , da Tinnitus

12.02.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2-4 um insgesamt 2 Stufen erhöht, da ein relevant ungünstiges Zusammenwirken besteht. Leiden 5 erhöht nicht, da kein relevant ungünstiges Zusammenwirken.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Trigeminusneuralgie rechts erreicht keinen GdB, da ohne ärztliche Dokumentation.

(...)

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen

Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine; es besteht ein weitgehend unauffälliges Gangbild. Der Patientin ist es möglich ausreichend lange Gehstrecken zurückzulegen, das Ein- und Aussteigen sowie die Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln ist ausreichend gewährleistet. Die Orientierung im öffentlichen Raum ist ausreichend vorhanden. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht ausreichend begründbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

keine"

Im gewährten Parteiengehör zum eingeholten Gutachten wiederholte die Beschwerdeführerin, durch rheumatische Entzündungen in zeitweise allen Gelenken und in verschiedenen Körperteilen gehandicapt zu sein. Dies führe dazu, dass sie zeitweise nicht in der Lage sei, mehr als eine paar Schritte zurückzulegen. Wenn die eine akute Entzündung abgeklungen sei, sei schon die nächste da. Während der Phasen mit Entzündungen in anderen Körperteilen könnte sie zwar mit leichten und mittelgradigen Schmerzen - aber jedoch relativ unauffällig - gehen. Es sei ihr aber leider nicht möglich die Phasen ihrer mangelnden Gehfähigkeit präzise den Begutachtungsterminen beim Sozialministeriumservice abzustimmen, daher hätte der untersuchende Neurologe ihre Zustände während der Phasen mangelnder Gehfähigkeit nicht beurteilen können. Sie sei mit der Ablehnung des Antrages nicht einverstanden.

Mit Bescheid vom 06.04.2018 wies das Sozialministeriumservice den am 14.06.2017 eingelangten Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab.

Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten und darauf hingewiesen, dass der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand nicht geeignet gewesen sei, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften.

Die Beschwerdeführerin erhob mit den bereits im Parteiengehör getätigten Ausführungen Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Neurologischer Fachstatus:

HN: Doppelbilder beim Blick in alle Richtungen werden angegeben, während der Untersuchung Angabe von polytopen Schmerzen.

OE: MER geringgradig gesteigert, geringe Hypodiadochokinese beids., Feinmotorik beids. eingeschränkt, grobe Kraft stgl. unauff, Trophik, Tonus stgl.,

UE: MER gesteigert auslösbar, KHV beids. gering dysmetrisch, grobe Kraft stgl., Trophik, Tonus unauff. sensibel, Hyperästhesie rechte Gesichtshälfte,

Gesamtmobilität - Gangbild: Stand, Gang: unauff.,

Status Psychicus:

Pat. klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, wirkt jedoch belastet und energielos, keine prod. Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, von der Stimmung depressiv, in beiden Skalenbereichen eingeschränkt affizierbar, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration uneingeschränkt, psychomotorisch verlangsamt

1.2.2. Funktionseinschränkungen: Depression; Polyarthritis; Zustand nach Operation eines Pseudotumors der rechten Augenhöhle, Zustand nach Schieloperation beidseits, partielle Augenmuskellähmung rechts (Okulomotoriusparese); Narbe im Bereich der rechten Augenbraue; Schwerhörigkeit beidseits

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen. Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die zu einer signifikanten Infektanfälligkeit führt, vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Neurologie vom 20.03.2018 basierend auf einer Untersuchung.

Laut Gutachten vom 20.03.2018 leidet die Beschwerdeführerin an einer Depression, Polyarthritis, einem Zustand nach Operation eines Pseudotumors der rechten Augenhöhle und Zustand nach Schieloperation beidseits, einer partiellen Augenmuskellähmung rechts (Okulomotoriusparese), einer Narbe im Bereich der rechten Augenbraue sowie Schwerhörigkeit beidseits.

Der Gutachter beschreibt das Gangbild der Beschwerdeführerin folgendermaßen: "Stand, Gang: unauff.,"

Weiters führte er hinsichtlich der Auswirkungen der Leidens auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nachvollziehbar aus, dass ein weitgehend unauffälliges Gangbild besteht und es der Beschwerdeführerin möglich sei ausreichend lange Gehstrecken zurückzulegen, das Ein- und Aussteigen sowie die Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln sei ausreichend gewährleistet. Die Orientierung im öffentlichen Raum sei ausreichend vorhanden. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht ausreichend begründbar.

Dem Befund des vorgelegten rheumatologischen Befundberichts des AKH Wien vom 09.08.2017 ist zu entnehmen, dass die Gelenke nicht geschwollen sind. Weiters wird als Medikation Dolgit 600mg bei Bedarf empfohlen - d.h. dass keine Dauerbehandlung mit Schmerzmittel vorgeschlagen wurde.

Wenn die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausführt, dass sie die Phasen ihrer mangelnden Geh(un)fähigkeit nicht präzise mit den Begutachtungsterminen abstimmen könne und vom Neurologen der Zustand während der Phasen mangelnder Gehfähigkeit nicht beurteilt werden könne, so ist dem abermals die vom AKH vorgeschlagene Bedarfschmerzmittelsmedikation entgegenzuhalten, wonach offensichtlich nicht von durchgehenden Schmerzzuständen auszugehen ist. Es wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass sie am Untersuchungstag gehfähig war.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest sechs Monate andauert. Dies ist bei der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht der Fall.

Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung des schlüssigen neurologischen Gutachtens bei der Beschwerdeführerin nicht erkennen.

Aus dem Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.

In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen, es weist keine Widersprüche und Ungereimtheiten auf.

Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Ausführungen in der Beschwerde vermochten keine substantiierten Einwendungen gegen das eingeholte Sachverständigengutachten darzustellen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar."

rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Die beschwerdeführende Partei hat auch mit der Beschwerde keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der erstinstanzlichen gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen.

Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2192875.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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