TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/3 W200 2175765-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2175765-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.10.2017, OB:

61841325200012, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2,

§ 45 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 26.05.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag angeschlossen waren zwei Patientenbriefe vom AKH datiert mit 29.06.2015 sowie 19.12.2016.

Das vom Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 12.09.2017 ergab im Wesentlichen einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 vH. Als Gesundheitsschädigung wurde eine somatoforme Schmerzstörung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH festgestellt, die unter die Pos. Nr. 03.05.01 mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz eingestuft wurde mit der Begründung, dass sie dauerhaft aber ohne fachspezifische Therapie sei.

Zum klinischen Status hielt der Gutachter fest: "(...) Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.

Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, Zehenspitzen/ Fersen/ Einbeinstand beidseits möglich. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt, die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben bis auf diffuse Schmerzen im Unterbauch rechts besonders um die Narbe. Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel schmerzbedingt re hinkend. (...)"

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 03.10.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte Beweisverfahren einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 vH ergeben habe. Dem Bescheid war als Beilage das eingeholte Gutachten als Bescheidbestandteil angeschlossen.

Im Rahmen der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass die letzte OP im neurologischen Gutachten nicht berücksichtigt worden sei und er sich auch schon nervenärztlichen Behandlungen unterzogen hätte. Der Beschwerde angeschlossen waren weitere Unterlagen des AKH, ein Befundbericht eines FA für Chirurgie vom 30.10.2017 sowie Patientenbriefe des St. Josef Krankenhaus.

In weiterer Folge holte das BVwG ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie vom 03.03.2018 - basierend auf einer Untersuchung am 25.01.2018 - ein, das Folgendes ergab:

"(...) Vorgeschichte:

2011 offene AE. danach Hernia cicatricea, diese wurde am 1.4. 2014 saniert. Postoperative Schmerzen, 24. 6. 2014 Revision mit Neuimplantation eines weiteren Netzes.

10/2014 offene Netzentfernung.

Nach wie vor Beschwerden im rechten Unterbauch, sonographisch wird ausgedehnte Narbenbildung der seitlichen Bauchmuskulatur festgestellt. Revision mit Neurolyse der Nn. iliohypogastricus und ilioinguinalis wird empfohlen (Abl. 37) und am 24. 8. 2017 durchgeführt.

Trotz Schmerztherapie mit Lyrica und Tramal keine Besserung (Abl. 40).

09/2011 Nierensteinoperation

12/2011 Augenoperation bei Netzhautdefekt

Diabetes mellitus seit etwa 4 Jahren

arterielle Hypertonie

Zwischenanamnese seit letzter Begutachtung am 12. 9. 2017:

28.12. 2017 Exzision des Schloffertumors rechte Bauchnarbe

Befunde:

Abl. 17, Befund Klinik für Chirurgie vom 29. 6. 2015 (Neurolyse, Rückkürzung des N. iliohypogastricus und N. subcostalis rechts mit Verlagerung in die Muskulatur)

Abl. 18-20, Bericht Universitätsklinik für Chirurgie vom 19. 12. 2016 (Nervenrückkürzung rechter UB, CRPS im Bereich des rechten Unterbauchs)

Abl. 32, Ambulanzbericht plastische Chirurgie vom 5. 4. 2016 (drückende, elektrische, brennende Schmerzen rechter UB, Gewichtsreduktion empfohlen, dann eventuell OP)

Abl. 33, Bericht chirurgische Universitätsklinik vom 13. 2. 2015 (Neurolyse indiziert bei Nahebeziehung der Nn. iliohypogastricus und ilioinguinalis zu Operations-Narbe)

Abl. 34, Bericht über ultraschallgezielte Neurolyse am 14. 4. 2015 (bei Zustand nach zweimaliger Operation und Korrektur und neuropathischen Schmerzen im Narbenverlauf)

Abl. 37, Bericht Universitätsklinik für Chirurgie vom 19. 5. 2015 (ausgedehnte Narbenbildungen Ultraschall, Neurolyse des N. iliohypogastricus und ilioinguinalis empfohlen)

Abl. 40, Bericht Dr. XXXX , Facharzt für Chirurgie vom 30. 10. 2017 (keine Besserung trotz Therapie mit Lyrica und Tramal, exakt umschrieben schmerzhaft ist die Narbe am rechten Unterbauch, vermutlich Narbenexzision indiziert)

Abl. 41,42, chirurgische Abteilung Sankt Josef Krankenhaus vom 19. 10. 2017 (im CT- Abdomen Zeichen einer Bauchwandschwäche, kein Hinweis auf Herniation oder postoperative Retention, Lyrica und Tramal wird empfohlen)

Abl. 43, Sonografie rechter Unterbauch vom 2. 11. 2015 (Blockade, laut Patient keine Befundbesserung)

Abl. 44,45, Bericht chirurgische Abteilung Sankt Josef Krankenhaus vom 27.8. 1017 (Adhäsiolyse rechter Unterbauch, IPOM)

Abl. 46, Ambulanzbericht plastische Chirurgie vom 13. 10. 2015 (unverändert Schmerzen rechter Unterbauch, Subcostalis Block, keine Befundbesserung)

Abl. 47, Bericht plastische Chirurgie vom 4. 10. 2016 (Schmerzen eindeutig am Ende der lateralen Narbe Richtung Mons pubis, Blockade geplant)

Bei der Begutachtung am 25. 1. 2018 vorgelegt:

Bericht chirurgische Abteilung Sankt Josef Krankenhaus vom 29. 12. 2017 (stationärer Aufenthalt vom 28.-29. 12. 2017, Exzision des Schloffertumors rechte Bauchnarbe)

Ambulanzbericht chirurgische Abteilung Sankt Josef Spital vom 5. 1. 2018 (Nahtentfernung bei Zustand nach Exzision des Schloffer Tumors rechte Bauchnarbe am 28. 12. 2017, weiterhin im Bereich der Narbe starke Schmerzen, Schmerzqualität im Vergleich zu präoperativ hat sich nicht verändert. Blande Wunde. Bei anhaltenden Schmerzen MRT der Wirbelsäule empfohlen, Kontrolle hierorts bei Bedarf)

Sozialanamnese: Verheiratet, 6 Kinder, lebt in Wohnung im 4.

Stockwerk mit Lift. Berufsanamnese: LKW-Fahrer, AMS seit 2012

Medikamente: Metformin, Aktiferrin, Ramipril, Simvastatin, Novalgin bei Bedarf Allergien: 0 Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1100 Wien

Derzeitige Beschwerden:

‚Wurde siebenmal in der rechten Leiste operiert, habe nach wie vor Schmerzen in der rechten Leiste, ständig, keine Besserung durch letzte Operation. Habe außerdem Kreuzschmerzen und Schmerzen in der Lendenwirbelsäule.

Bei Facharzt für Neurologie war ich bisher einmal, Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit wurde durchgeführt.'

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 180 cm, Gewicht 90 kg, RR 160/90, 48 a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: Narbe schrägverlaufend rechter UB, nicht frisch, berührungsempfindlich, Narbe nach medianer Unterbauchlaparotomie, Bauch geringgradig gebläht, sonst klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar. Rechter Unterbauch insbesondere hinsichtlich Rezidivs einer Hernie aufgrund Berührungsempfindlichkeit eingeschränkt beurteilbar.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten.

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild ist unauffällig, das Aufstehen von der Untersuchungsliege ist geringgradig schmerzgehemmt.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) Somatoforme Schmerzstörung 03.05.01 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da postoperative neuropathische Schmerzen im rechten Unterbauch

Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie sind nicht durch aktuelle fachärztliche Befunddokumentation belegt.

Im Bereich der Wirbelsäule konnte kein behinderungsrelevantes Leiden objektiviert werden.

ad 2) Gesamtgrad der Behinderung 20%

ad 3) Ist eine Veränderung zum neurologischen Gutachten vom 12. 9. 2017 und zum chirurgischen Gutachten vom 16. 3. 2015 objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sie sich?

Eine Veränderung zum neurologischen Gutachten und zum chirurgischen Gutachten ist jeweils nicht objektivierbar.

Dokumentiert sind eine Hernienoperation und mehrere Rezidivoperationen im rechten Unterbauch, postoperativ jeweils anhaltende Schmerzsymptomatik ohne Besserung auf konservative Therapie bzw. operative Therapie mit Adhäsiolyse und Neurolyse.

Die anhaltenden Beschwerden im Bereich des rechten Unterbauchs werden in vollem Umfang in der Beurteilung erfasst. Ein Hinweis für ein Hernienrezidiv liegt nicht vor.

Im Beschwerdevorbringen, Abl. 31, 02.11.2017, wird eingewendet, dass die letzte Operation nicht berücksichtigt worden sei, es seien auch nervenärztliche Behandlungen gemacht worden.

Die zum Zeitpunkt des Beschwerdevorbringens letzte Operation wurde im August 2017 mit Adhäsiolyse und intraperitonealer Onlay-Meshtechnik (Abl. 44, 45) durchgeführt. Der Befund über diese neuerliche operative Intervention zur Behebung der Beschwerden ist dem Gutachten vom 12. 9. 2017 nicht vorgelegen, konnte somit nicht berücksichtigt werden.

Es ist jedoch unter Berücksichtigung dieses Befundes keine Änderung der Gesundheitsschädigung bzw. der Höhe der Einstufung indiziert. Eine wesentliche Besserung oder Verschlimmerung durch diese Operation hinsichtlich neuropathischer Beschwerden konnte nicht erreicht werden, siehe nachfolgende Berichte Abl. 40, 41,42.

Eine neurologisch fachärztliche Begutachtung und Behandlung ist nicht dokumentiert, es wurde eine Behandlung mit Lyrica und Tramal durch einen Facharzt für Anästhesie (Abl. 42) vorgeschlagen. In Abl. 40 ist dokumentiert, dass dadurch keine Besserung erzielt werden konnte.

Stellungnahme zu bei der Begutachtung am 25. 1. 2018 vorgelegten Befunden:

Exzision des Schloffer Tumors rechte Bauchnarbe am 28. 12. 2017 brachte keine Besserung, dokumentiert ist, dass im Bereich der Narbe weiterhin unverändert starke Schmerzen vorlägen.

Die nachgereichten Befunde bewirkten keine Änderung der getroffenen Beurteilung.

ad 4) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.

Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

Der Beschwerdeführer gab zum vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen des gewährten Parteiengehörs keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 vH.

1.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 180 cm, Gewicht 90 kg, RR 160/90, 48 a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: Narbe schrägverlaufend rechter UB, nicht frisch, berührungsempfindlich, Narbe nach medianer Unterbauchlaparotomie, Bauch geringgradig gebläht, sonst klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar. Rechter Unterbauch insbesondere hinsichtlich Rezidivs einer Hernie aufgrund Berührungsempfindlichkeit eingeschränkt beurteilbar.

Integument: unauffällig

Neurostatus: Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten.

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild ist unauffällig, das Aufstehen von der Untersuchungsliege ist geringgradig schmerzgehemmt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen

1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Somatoforme Schmerzstörung 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da postoperative neuropathische Schmerzen im rechten Unterbauch.

03.05.01

20

Der Gesamtgrad

der Behinderung beträgt 20%, da keine weitere ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung hinzutritt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Neurologie vom 12.09.2017 ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Der Beschwerdeführer litt zu diesem Zeitpunkt an einer somatoformen Schmerzstörung, die unter die Positionsnummer 03.05.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft wurde.

Aufgrund der Beschwerde und vorgelegten Befunde holte das BVwG ein weiteres Gutachten (allgemeinärztliches, unfallchirurgisches Gutachten vom 03.03.2018) ein, das grundsätzlich zum gleichlautenden Ergebnis führte.

Die vom BVwG befasste Ärztin beschreibt den Status des Beschwerdeführers genau und detailreich und unterzog auch alle vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung. Sie stellt fest, dass grundsätzlich keine Abweichung gegenüber dem Gutachten vom 12.09.2017 (und einem chirurgischen Gutachten vom 16.3.2015) gegeben ist. Demnach sind eine Hernienoperation und mehrere Rezidivoperationen im rechten Unterbauch, sowie postoperativ jeweils anhaltende Schmerzsympotmatik ohne Besserung auf konservative Therapie bzw. operative Therapie mit Adhäsiolyse und Neurolyse dokumentiert. Die anhaltenden Beschwerden im Bereich des rechten Unterbauchs werden aber in vollem Umfang in der Beurteilung erfasst. Ein Hinweis für ein Hernienrezidiv liegt nicht vor.

Das vorliegende Leiden stuft sie - gleichlautend dem vom SMS bestellten Gutachter - fachärztlich nachvollziehbar unter Pos.Nr. 03.05.01 - Somatoforme Schmerzstörung - ein und begründet die Einstufung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz schlüssig und nachvollziehbar damit, dass postoperative neuropathische Schmerzen im Unterbauch vorliegen. Der von der belangten Behörde bestellte Gutachter kam im Wesentlichen zu demselben Ergebnis. Dem in diesem Zusammenhang stehenden Beschwerdevorbringen, wonach die letzte Operation nicht berücksichtigt worden sei und auch nervenärztliche Behandlungen stattgefunden hätten, hält die Gutachterin schlüssig entgegen, dass die zum Zeitpunkt des Beschwerdevorbringens letzte Operation (im August 2017) mit Adhäsiolyse und intraperitonealer Onlay-Meshtechnik durchgeführt wurde. Der Befund über diese neuerliche operative Intervention zur Behebung der Beschwerden ist dem Gutachten vom 12.09.2017 jedoch nicht vorgelegen und konnte somit auch nicht berücksichtigt werden. Es ist jedoch auch unter Berücksichtigung dieses Befundes keine Änderung der Gesundheitsschädigung bzw. der Höhe der Einstufung indiziert. Eine wesentliche Besserung oder Verschlimmerung durch diese Operation hinsichtlich neuropathischer Beschwerden konnte demnach nicht erreicht werden. Überdies ist eine neurologisch fachärztliche Begutachtung und Behandlung nicht dokumentiert. Es wurde lediglich eine Behandlung mit Lyrica und Tramal durch einen Facharzt für Anästhesie vorgeschlagen, jedoch ist dokumentiert, dass dadurch keine Besserung erzielt werden konnte.

Zur Diabetes mellitus und arteriellen Hypertonie hält die Gutachterin fest, dass diese nicht durch aktuelle fachärztliche Befunddokumentation belegt sind. Im Bereich der Wirbelsäule konnte kein behinderungsrelevantes Leiden objektiviert werden.

Die vom BVwG beauftragte Gutachterin stuft den Gesamtgrad der Behinderung - wie auch der von der belangten Behörde bestellte Gutachter - mit 20 vH ein. Abschließend hält sie ausdrücklich fest, dass die am 25.01.2018 vorgelegten Befunde keine Änderung der getroffenen Beurteilung bewirken.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist den eingeholten Sachverständigengutachten in seiner Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die vorgelegten Unterlagen von der Gutachterin bei ihrer Beurteilung mitberücksichtigt.

Für den erkennenden Senat ergibt sich kein Anhaltspunkt vom festgestellten Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 von Hundert abzuweichen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Im vom BVwG eingeholten Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 % festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist dem Gutachten nicht in substantiierter Weise entgegengetreten.

Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen - in Anbetracht der hiezu ergangenen Ausführungen in den vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten - nicht geeignet darzutun, dass ein höherer Gesamtgrad der Behinderung vorläge, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2175765.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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