Entscheidungsdatum
03.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2173892-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 22.08.2017, OB:
85528969000044, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 vH und stellte am 16.12.2016 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO).
Mit Schreiben vom 12.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Sozialministeriumservice aufgefordert, aktuelle Befunde vorzulegen woraufhin der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen übermittelte.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 08.06.2017, basierend auf einer Begutachtung am 06.04.2017, ergab Folgendes:
"Anamnese:
Auf das Erkenntnis des BvWG vom 10.11.2016 -
1) Beeinträchtigung der Funktionen von Hypophysenvorderlappen und Hypophysenhinterlappen nach Operation, wobei sowohl die cortikale Achse, als auch Sexualhormone betroffen sind (40%)
2) Ptose des rechten Augenlides (30%)
3) Hypertonie (20%)
4) Zustand nach Magensleeve-Operation (10%)
- mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% - wird eingangs verwiesen.
Letzte Operation 2013 (Magensleeve).
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragsteller will eine Zusatzeintragung in den Behindertenpass, den er noch nicht bekommen hat - nämlich die: Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel -
Herr XXXX kam mit U-Bahn und Strassenbahn zur diesmaligen Untersuchung ins SMS - wurde aber davor mit dem Auto zum Donauzentrum gebracht - Grund: Beschwerden in den Kniegelenken und im Lumbalbereich - daher kann er nicht länger stehen - und zudem kommt es bei Erschütterungen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Schwindelzustände.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Exforge, Nomexor, Hydrocortone, Dostinex, fallweise Trittico retard.
Sozialanamnese:
Pension, ledig, keine Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund Orthopädie Donau Zentrum vom 25.1.2017: St. p. Hypophysentumor-OP; mediale Gonarthrose bds; Rissbildung mediales Hinterhorn re. Knie; Subluxation Pars Intermedia re; Chondropathie Grad 4 medial re; Partialruptur VKB re; Gelenkserguss re; Gonarthrose bds; Lumbalgie; Gangunsicherheit.
Radiologischer Befund Diagnosezentrum Donaustadt vom 25.1.2017:
LWS a.p. und seitlich. Beckenübersicht a.p. im Stehen mit Raster:
Vertiefte Lordose. Sacrum arcuatum.
Geringe Chondrosen am thorakolumbalen Obergang.
Geringe dorsal betonte Chondrosen L3-S1.
Geringe Intervertebralarthrosen L4 - S1 mit Baastrup-Phänomen.
Geringe bis mäßige Sl-Gelenkarthrosen beidseits.
Radiologischer Befund Diagnosezentrum Donaustadt vom 24.1.2017:
Kniegelenke beidseits a.p. und seitlich:
Geringe Varusstellung beidseits.
Mäßige medial betonte Femorotibialarthrose und Retropatellararthrose,
rechts mehr als links. Fabella beidseits.
Geringe suprapatellare Weichteilschwellung links.
Radiologischer Befund KH Barmherzige Brüder, Wien vom 15.12.2016:
MRT des Neurokranium: Z. n. Resektion der Hypophyse im Rahmen eines Adenoms, nur mehr subseptierte zystoide Residuen in der Sella turcica ohne pathologisches Enhancement und ohne raumfordernde Komponente, Verdrängung des Restgewebes nach lateral. Keine relevante Dynamik im Vergleich zur Voruntersuchung vom Oktober 2015.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: normal
Ernährungszustand: adipös
Größe: 167,00 cm Gewicht: 118,00 kg Blutdruck: 120/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (Brillenträger) und Gehör unauffällig, Ptose rechtes Augenlid, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, keine Atemnot, Nichtraucher.
Abdomen: über TN, Z. n. Magensleeve-Operation, unauffällige Organgrenzen.
Obere Extremitäten: frei beweglich, keine neuromuskuloskelettalen Funktionseinschränkungen.
Untere Extremitäten: frei bewegliche Gelenke - auch die Kniegelenke bieten keine wesentlich auffälligen Befunde, Beine gleich lang, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, frei bewegliche HWS, FBA im Stehen: 20cm.
Gesamtmobilität - Gangbild:
frei, sicher, keine Schwindelhinweise beobachtet.
Status Psychicus:
voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Beeinträchtigung der Funktionen von Hypophysenvorderlappen und Hypophysenhinterlappen nach Operation, wobei sowohl die cortikale Achse, als auch Sexualhormone betroffen sind
2
Ptose des rechten Augenlides
3
Hypertonie
4
Zustand nach Magensleeve-Operation
5
Geringe überlastungsbedingte Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Neuaufnahme von Leiden 5, da befunddokumentiert.
Dauerzustand. [...]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein. [...]
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen
Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen: [...] Erkrankungen des Verdauungssystems, GdB: 10 v.H.
Gutachterliche Stellungnahme:
Öffentliche Verkehrsmittel sind Herrn XXXX zumutbar, da der 48-jährige Untersuchte in normalem Allgemeinzustand und adipösem Ernährungszustand weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und auch nicht erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen aufweist. Längeres Stehen ist dem Antragsteller aus gutachterlicher Sicht durchaus möglich, Schwindelzustände konnten im Rahmen der Untersuchung nicht objektiviert werden. Eine kurze Wegstrecke kann unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus."
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 22.08.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens (das eingeholte Gutachten) verwiesen.
Im Rahmen der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein gesundheitlicher Zustand im alltäglichen Leben regelmäßige und lebenslängliche Untersuchungen und Kontrollen notwendig machen würde. Die Summe der Beschwerden mache es bei ihm sehr schwierig, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Da er auf einem Auge praktisch blind sei (komplette Ptose rechts mache es unmöglich, auf beiden Augen zu sehen), hätte er oft Gleichgewichtsprobleme die Ein- oder Aussteigen bei vielen öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig bis unmöglich machten. Darüber hinaus sei das oftmalige Fahren im Stehen in vollen Verkehrsmitteln für ihn mit einer psychischen Belastung verbunden. Damit verbunden hätte er auch gegebenenfalls mit panikähnlichen Zuständen zu kämpfen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status - Fachstatus:
Allgemeinzustand: normal; Ernährungszustand: adipös.
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (Brillenträger) und Gehör unauffällig, Ptose rechtes Augenlid, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, keine Atemnot, Nichtraucher.
Abdomen: über TN, Z. n. Magensleeve-Operation, unauffällige Organgrenzen.
Obere Extremitäten: frei beweglich, keine neuromuskuloskelettalen Funktionseinschränkungen.
Untere Extremitäten: frei bewegliche Gelenke - auch die Kniegelenke bieten keine wesentlich auffälligen Befunde, Beine gleich lang, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, frei bewegliche HWS, FBA im Stehen: 20cm.
Gesamtmobilität - Gangbild: frei, sicher, keine Schwindelhinweise beobachtet.
Status Psychicus: voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Funktionseinschränkungen:
Beeinträchtigung der Funktionen von Hypophysenvorderlappen und Hypophysenhinterlappen nach Operation, wobei sowohl die cortikale Achse, als auch Sexualhormone betroffen sind. Ptose des rechten Augenlides. Hypertonie. Zustand nach Magensleeve-Operation. Geringe überlastungsbedingte Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum trotz der festgestellten Leiden selbständig fortbewegen und kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 08.06.2017 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die festgestellten Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Demnach liegen beim Beschwerdeführer keine maßgeblichen Einschränkungen vor, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würden.
Ebenso liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist ebenso möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.
Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems.
Dem nunmehrigen Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer aufgrund von Gleichgewichtsproblemen nicht lange stehen könne, wird bereits im vorzitierten Gutachten nachvollziehbar entgegengehalten, dass ihm längeres Stehen aus gutachterlicher Sicht durchaus möglich ist. Ebenso konnten die vorgebrachten Schwindelzustände im Rahmen der Untersuchung nicht objektiviert werden.
Dem Beschwerdevorbringen, wonach die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eine psychische Belastung für den Beschwerdevorbringen darstellen würde, ist entgegenzuhalten, dass der psychische Zustand des Beschwerdeführers im Gutachten insgesamt als unauffällig beschrieben wurde (orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ). Dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eine psychische Belastung für den Beschwerdeführer darstelle wurde von ihm ebenso wenig durch entsprechende Befunde belegt.
In dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers.
Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet, das Sachverständigengutachten vom 08.06.2017 in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurde daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar."
rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 08.06.2017 eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen - konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen - für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen - in Anbetracht der Ausführungen im Sachverständigengutachten - nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2173892.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.07.2018