Entscheidungsdatum
03.07.2018Norm
BBG §40Spruch
W200 2170566-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende, den Richter Dr. KUZMINSKI und den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 22.08.2017 Zl. 59359511200067, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2,
§ 45 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei stellte am 28.03.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und nannte als Gesundheitsschädigungen Tumor rechter Oberschenkel, Tumor rechte Wade.
Dem Antrag angeschlossen waren ein Ultraschall, Röntgenbefund des St. Anna Kinderspitals vom 04.01.2017 sowie ein Laborbefund.
Das eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 16.08.2017 ergab einen Gesamtkörperbehinderung von 30/100 und gestaltete sich wie folgt:
Anamnese:
Operationen: 2005 Biopsie am rechten dorsalen Oberschenkel, Diagnosestellung eines Tumor (aggressive Fibromatose), Behandlung im St. Anna KS 01/2005 über9 , wegen mangelndem Ansprechen auf die Therapie einmal wöchentliche Infusionen und orale Therapie mit Tamoxifen und Nexavar 20 1-0-1, Operation 2010 im AKH Wien, Tumorresektion, jedoch nicht im Ganzen entfernt worden, Rest nach wie vor in Situ, Rezidiv im Bereich des rechten Unterschenkels 2012, Therapie im St. Anna KS mittels Chemotherapie (über 6 Monate), wegen der Nebenwirkungen der Behandlung wurde die Therapie abgebrochen,
dann orale Therapie mit Nexavar über 4 Monate, auch hier Nebenwirkungen:
Nervenzusammenbruch 2-mal täglich, rote Hautverfärbungen an den Handflächen und Fußsohlen auch Haarausfall, derzeit Nachsorge in 4-monatigen Abständen im St. Anna KS: derzeit kein Fortschreiten der Grunderkrankung, auch chirurgische Behandlung zur Verkleinerung des Tumor am Unterschenkel geplant noch kein Termin, Beschwerden:
Gangstörung, Beschwerden beim Treppensteigen, Gefühl eines Pulsierens im rechten Unterschenkel, auch Probleme im Beruf, Beschwerden beim Ankleiden der Hose, wird vom Gatten zu Arbeit geführt, kann nicht alleine Gehen, "ich schaff das nicht", verwendet keine Gehhilfe,
Nik: 4, Alk: 0, P: 0
Derzeitige Beschwerden:
Schmerzen im rechten Unterschenkel, muss sich am Arbeitsplatz oft hinsetzen, befürchtet vom Dienstgeber deswegen gekündigt zu werden.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Keine
Sozialanamnese:
Zahnärztliche Assistentin, letzter längerer Krankenstand 2013 über 6
Monate wegen Chemotherapie, verheiratet, keine Kinder, Gatte:
arbeitsloser Maurer, AW lebt in einer Wohnung im 2 Stock ohne Lift,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe)
Röntgenbefund des St. Anna Kinderspitals vom 4.1.2017 in zweifacher Ausfertigung/Anamnese: aggressivere Fibromatose rechter Ober- und Unterschenkel, st. p. Chemotherapie, st. P. Resektion, st. P. Nexavar-Therapie von 11/2012-04/2013, Tamoxifen und Celebrex-Therapie bis Anfang 2014, deutliche Schmerzen im rechten medianen Unterschenkelbereich seit gestern, Hinweis für Thrombose?, Ultraschall der tiefen Beinvenen Extremität rechts: kein Nachweis einer Beinvenenthrombose im Bereich der Vena femoralis superficialis und der Vena poplitea rechts bei vollständiger Komprimierbarkeit und regulärem Fluss im Doppler, naturgemäß infolge der bekannten aggressiveren Fibromatose, dass venöse Gefäßvolumen durch die raumfordernde Wirkung abschnittsweise beengt,
Laborbefund vom 0.1.2017 ohne signifikante Pathologie,
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: guter Allgemeinzustand
Ernährungszustand: guter Ernährungszustand
Größe: 156,00 cm Gewicht: 58,00 kg Blutdruck: 130/80
Klinischer Status - Fachstatus
Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 98 %, Puls: 63/min, keine Ruhedyspnoe
Kopf: Zähne: saniert, Sensorium frei, Nervenaustrittspunkte unauff.,
Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,
Thorax: symmetrisch,
Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche
Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,
Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 25cm, thorakaler Schober
Abdomen: weich, in Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, Nacken- und Kreuzgriff möglich,
untere Extremität: frei beweglich bis auf schmerzbedingte Flexionsstörung des rechten Hüftgelenkes (0/0/90° werden demonstriert), Flexionsstörung des rechten Kniegelenkes: (0/0/90°), am dorsalen rechten Oberschenkel längsverlaufende bis in die Kniekehle reichende blande Narbe nach Tumorresektion, Oberschenkel und rechts: 49cm (links: 53cm), Schwellung des rechten Unterschenkels, Umfang des rechten Unterschenkels: 41cm (links: 37,5cm), keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Zehen und Fersengang links unauff., rechts mühevoll möglich,
Gesamtmobilität - Gangbild: leicht hinkendes Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich
Status Psychicus: zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes
Pos. Nr.
Gdb %
1
Zustand nach aggressiver Fibromatose rechter Oberschenkel 3/2010 zwei Stufen nach dem unteren Rahmensatz, da mehr als 5 Jahre nach Resektion ohne Rezidiv im Oberschenkelbereich und ohne dokumentierte Operationsindikation bei mäßiger Fibromatose im Unterschenkelbereich rechts; inkludiert geringgrade Funktionsstörung im Hüft- und Kniegelenke rechts
13.01.20
30
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
(...)
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizieren Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Eine Beinvenenthrombose rechts konnte mittels Ultraschall ausgeschlossen werden."
Mit Bescheid vom 22.08.2017 wies das Sozialministeriumservice den Antrag mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab.
Im Rahmen der dagegen erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer aggressiven Fibromatose und aktuell unter einer Tumorprogression leide, die wieder medizinisch intensiv behandelt werden müsse. Sie gehe aktuell mit Krücken und leide unter starken Schmerzen. Übernächste Woche beginne im AKH eine Therapie:
Nexavar in hoher Dosis, begleitet von folgenden Nebenwirkungen:
Übelkeit, Kraftlosigkeit- oder Müdigkeitsgefühl, Schmerzen, Haarausfall, Rötungen oder Schmerzen an Handflächen oder Fußsohlen, Erbrechen, Gelenkschmerzen, Gewichtverlust, trockene Haut, Schluckbeschwerden, trockener Mund, Verdauungsstörungen, Muskelschmerzen, entzündende Haut, Rötungen des Gesichts.
Das BVwG holte aufgrund des Beschwerdevorbringens, insbesondere aufgrund der Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, MSC Orthopädie ein, welches Folgendes ergab:
"Im Beschwerdevorbringen der BF vom 22.11.2017 und 05.12.2017 wird eingewendet. dass eine Tumorprogression vorliege und sie an zahlreichen Nebenwirkungen habe: Gewichtszunahme, blaue Flecken, Hautausschlag, brennender Juckreiz, Bauchschmerzen, schwarzer Stuhl, Durchfall, Kopfschmerzen. Müdigkeit, Augenschmerzen, Taubheit der Zehen, Beine und Finger, Magenschmerzen. Übelkeit. Ohnmacht, Muskelkrämpfe, Knochen- Gelenksschmerzen. Wassereinlagerung. Mondgesicht, Erbrechen.
Vorgeschichte:
Fibromatose (Desmoidtumor) rechter Unterschenkel, Erstdiagnose 2005, Chemotherapie Tumorresektion 2012
derz. Therapie in Abtlg. für Onkologie AKH
Zwischenanamnese seit 06/2017:
Keine Operationen, rglm. ambulante Therapie Onkologie AKH
Nachgereichte Befunde:
Befund St. Anna vom 12.10.2017
Befund Onkologie AKH vom 10.10.2017. 21.11.2017 und 06.12.2017 (Th. mit Glivec)
MRT Oberschenkel und Unterschenkel rechts vom 11.08.2017, Seite 1 von 2 (soweit abgebildet unauffällig)
Sozialanamnese: verheiratet, keine Kinder, lebt in Wohnung im 2.
Stwk. ohne Lift Berufsanamnese: Zahnarztassistentin, Krankenstand, laut Brief vom 05.12.2017 gekündigt Medikamente: derzeit Glivec, Mefenabene tgl.
Allergien: 0 Nikotin: 3-4
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1140
Derzeitige Beschwerden:
"Schmerzen habe ich im rechten Unterschenkel seit 06/2017, zunehmend, seit 1 Monat gehe ich mit Krücken. Schmerzen habe ich vor allem in der Früh. Habe starke Nebenwirkungen von den Medikamenten."
STATUS:
(...)
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett. Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich. Zehenballengang und Fersengang links mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, rechts nicht durchgeführt. Der Einbeinstand ist links mit Anhalten, rechts nicht möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich. Die Beinachse ist im Lot.
Umfang: Unterschenkel rechts 42 cm, links 39 cm. Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Narbenbereich rechter Oberschenkel dorsal nahezu gesamte Länge als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seltengleich.
Knie- und Sprunggelenk rechts unauffällig. Umfang rechter Unterschenkel vermehrt, sonst unauffällig, nicht überwärmt, keine Rötung, Haut unauffällig.
Oberschenkel rechts unauffällig.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot. regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein wesentlicher Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhe mit 1 Krücke, das Gangbild rechts hinkend, rechts kaum belastend.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
STELLUNGNAHME:
Das Beschwerdevorbringen und sämtliche vorgelegten Befunde bewirken keine Änderung der getroffenen Einstufung.
Diagnostiziert wurde erstmals 2005 eine Fibromatose, ein gutartiger Tumor mit infiltrativem Wachstum im Bereich des rechten Unterschenkels.
Der Verlauf ist durch intermittierende Beschwerden und medikamentöse Behandlungen gezeichnet. Seit 04/2017 bestehen zunehmende Beschwerden, eine Tumorprogression wurde festgestellt und eine weitere Behandlung eingeleitet.
Die vorliegenden Berichte, insbesondere das Fragment des MRT des rechten Unter- und Oberschenkels vom 11.08.2017, ermöglichen es nicht, das Ausmaß der Zunahme des Tumorgewebes zu quantifizieren, leider ist der MRT Befund nicht vollständig.
Maßgeblich ist jedenfalls die Tatsache, dass es sich um einen Tumor handelt, der zwar infiltrativ wächst, jedoch von gutartiger Dignität ist. Absiedelungen sind nicht anzunehmen und nicht nachgewiesen. Die angrenzenden Gelenke sind unauffällig, der rechte Unterschenkel ist zwar umfangsvermehrt, sonst jedoch unauffällig, keine Beteiligung von nervalen Strukturen.
Eine Änderung der Einschätzung ist somit nicht vorzunehmen.
Die beschriebenen Nebenwirkungen durch die Behandlungen sind als vorübergehend anzunehmen und in der Einschätzung inkludiert.
Zusammenfassend liegt auch nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher Befunde kein Hinweis für eine Neueinstufung vor, an der getroffenen Einschätzung wird festgehalten."
Im Rahmen des gewährten Parteiengehörs gab die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.
1.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
beschwerderelevanter Status:
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett. Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich. Zehenballengang und Fersengang links mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, rechts nicht durchgeführt. Der Einbeinstand ist links mit Anhalten, rechts nicht möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich. Die Beinachse ist im Lot.
Umfang: Unterschenkel rechts 42 cm, links 39 cm. Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Narbenbereich rechter Oberschenkel dorsal nahezu gesamte Länge als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seltengleich.
Knie- und Sprunggelenk rechts unauffällig. Umfang rechter Unterschenkel vermehrt, sonst unauffällig, nicht überwärmt, keine Rötung, Haut unauffällig.
Oberschenkel rechts unauffällig.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot. regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein wesentlicher Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhe mit 1 Krücke, das Gangbild rechts hinkend, rechts kaum belastend.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes
Pos. Nr.
Gdb %
Zustand nach aggressiver Fibromatose rechter Oberschenkel 3/2010 zwei Stufen nach dem unteren Rahmensatz, da mehr als 5 Jahre nach Resektion ohne Rezidiv im Oberschenkelbereich und ohne dokumentierte Operationsindikation bei mäßiger Fibromatose im Unterschenkelbereich rechts; inkludiert geringgrade Funktionsstörung im Hüft- und Kniegelenke rechts
13.01.20
30
2.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Bereits das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin basierend auf einer Untersuchung ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf.
Aufgrund der Beschwerde holte das BVwG ein Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie, MSc Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.01.2018 ein, das grundsätzlich zum gleichlautenden Ergebnis führte.
Sowohl der Allgemeinmediziner als auch die Fachärztin für Unfallchirurgie, MSc Orthopädie, und Ärztin für Allgemeinmedizin stufen den Zustand nach aggressiver Fibromatose rechter Oberschenkel 3/2010 unter Pos.Nr. 13.01.20 mit 30 % ein.
Wenn die Beschwerdeführerin nunmehr eine Verschlechterung ihres Zustandes vorbringt, so ist auf das detaillierte unfallchirurgische Gutachten zu verweisen, wonach erstmals 2005 eine Fibromatose (gutartiger Tumor mit infiltrativem Wachstum im Bereich des rechten Unterschenkels) diagnostiziert wurde, und der Verlauf durch intermittierende Beschwerden und medikamentöse Behandlungen gezeichnet ist. Seit 04/2017 bestehen zunehmende Beschwerden, eine Tumorprogression wurde festgestellt und eine weitere Behandlung eingeleitet.
Die vorliegenden Berichte, insbesondere das Fragment des MRT des rechten Unter- und Oberschenkels vom 11.08.2017, ermöglichen es der Gutachterin nicht, das Ausmaß der Zunahme des Tumorgewebes zu quantifizieren.
Maßgeblich ist für die Gutachterin jedenfalls die Tatsache, dass es sich um einen infiltrativ wachsenden, jedoch gutartigen Tumor handelt. Absiedelungen sind nicht anzunehmen und nicht nachgewiesen. Die angrenzenden Gelenke sind laut der untersuchenden Unfallchirurgin unauffällig, der rechte Unterschenkel ist zwar umfangsvermehrt, sonst jedoch unauffällig, und es liegt keine Beteiligung von nervalen Strukturen vor.
Die beschriebenen Nebenwirkungen durch die aktuelle Behandlungen sind als vorübergehend anzunehmen und in der Einschätzung inkludiert.
Beide eingeholte Sachverständigengutachten werden in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Zweifel am Inhalt der Gutachten bestehen für das BVwG keine - die Gutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, weisen keine Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Beide eingeholte ärztliche Gutachten kommen zum selben Ergebnis: Einstufung des Leidens unter Pos.Nr. 13.01.20, 30%.
Für den erkennenden Senat ergibt sich kein Anhaltspunkt vom festgestellten Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert abzuweichen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Im vom BVwG eingeholten Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 % festgestellt.
Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurden zwei ärztliche Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, sind diese gleichlautend und wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Für den erkennenden Senat lässt sich aus einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.
Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2170566.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.07.2018