TE Bvwg Beschluss 2018/7/3 I419 2145574-2

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Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I419 2145574-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX

alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX

alias XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. ALGERIEN alias Italien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.06.2018, Zl. XXXX:

A) Die nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfolgte Aufhebung des

faktischen Abschiebeschutzes war nicht rechtswidrig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zunächst 2001 mit einem Schengenvisum ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BAA am 21.08.2001 abwies und feststellte, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Die Berufung dagegen wies der UBAS ab, eine Beschwerde beim VwGH blieb erfolglos.

2. Nach Rückkehr in den Herkunftsstaat reiste er illegal neuerlich ein und stellte am 07.05.2008 einen weiteren Asylantrag, worauf das Verfahren eingestellt wurde, da der Beschwerdeführer untergetaucht war und die folgenden Jahre in Ungarn verbrachte, wo er 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und daraufhin nach Österreich rücküberstellt wurde.

3. Hier stellte er am 31.10.2012 einen weiteren Folgeantrag, den das BAA am 28.03.2013 ab- und den Beschwerdeführer nach Algerien auswies, was am 26.04.2013 rechtskräftig wurde. Seinen vorletzten Folgeantrag vom 12.01.2017 hat das BFA am 16.08.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, was mit einer Rückkehrentscheidung verbunden und am 31.08.2017 rechtskräftig wurde.

4. Wegen des Verdachts auf Drogendelinquenz in Untersuchungshaft stellte der Beschwerdeführer am 07.06.2018 einen weiteren Folgeantrag, zu dem er erstbefragt angab, als Berber nicht die ihm zustehenden Rechte zu bekommen, islamische Extremisten der "XXXX" hätten zudem wegen seiner Drogen- und Alkoholsucht einen Unfall inszeniert, bei dem er schwer verletzt worden sei. Nun habe er vor diesen Leuten Angst. Als Diabetiker, der kein Geld besitze, bekomme er im Herkunftsstaat, wo es keine Sozialversicherung gebe, keine Behandlung.

Diese Fluchtgründe seien ihm seit "ca. 2009" bekannt. In Österreich habe er mehr Möglichkeiten und wolle hier leben und eine Existenz aufbauen. Andere Gründe habe er nicht.

Niederschriftlich einvernommen erklärte er, seine bisherigen Fluchtgründe seien aufrecht, er sei auch weiterhin homosexuell und suche heiratshalber einen Mann. Wegen psychischer Probleme sei er in Behandlung, das namentlich genannte Medikament, das er erhalten habe nehme er aber nicht mehr und versuche, dieses abzusetzen.

5. Mit dem nun angefochtenen Bescheid hob das BFA am 26.06.2018 gegenüber dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das damit, dass der Beschwerdeführer keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der eine Asylrelevanz mit sich bringe. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und würde keinen Eingriff in die durch Art. 2, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten.

Anschließend an die mündliche Verkündung des Bescheids gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Beschwerde dagegen zu erheben, wobei er auf sein Vorbringen verwies.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Fremden

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, algerischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Berber und Diabetiker. Seine Identität steht fest. Im Herkunftsstaat leben seine Eltern sowie neun Schwestern und drei Brüder. Er spricht Arabisch sowie nach eigenen Angaben Berberisch als Muttersprache sowie schlecht Ungarisch, Deutsch, Englisch und Italienisch.

Der Beschwerdeführer wurde vom LGXXXX zweimal strafrechtlich verurteilt, und zwar

am 16.08.2005 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 3 und 4 SMG bezogen auf zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG, § 28 Abs. 1 und 2 SMG, der Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie der kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, und

am 09.02.2006 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 3 SMG und des Vergehens nach § 28 Abs. 2 SMG als junger Erwachsener zu einer Zusatzstrafe von 5 Monaten.

Die BPD XXXX hat 2002 und 2005 Aufenthaltsverbote über den Beschwerdeführer verhängt. Die Niederlande haben gegen den Beschwerdeführer ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengengebiet verhängt.

Am 25.05.2018 wurde er in Salzburg mit zwei weiteren Personen festgenommen, wobei festgestellt wurde, dass er wegen des Verdachts eines Verbrechens nach dem SMG gesucht wurde und Cannabis bei sich hatte. Seither befindet er sich in Haft. Er ist arbeitsfähig und hat Berufserfahrung als Pizzabäcker.

Der Beschwerdeführer weist kein schützenswertes Privat- oder Familienleben, keine Einkünfte und keine Mittel zu seinem Unterhalt im Bundesgebiet auf. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Seit 2004 war der Beschwerdeführer 10 Tage in einer Flüchtlingsunterkunft, fünf Monate an einer Obdachlosenadresse und 36 Monate in Haftanstalten gemeldet. In der verbleibenden Zeit hatte er keine Meldeadresse im Inland.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Algerien mit Stand 12.03.2018 zitiert.

Im Beschwerdeverfahren sind keine Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Medizinische Versorgung

Grundsätzlich ist medizinische Versorgung in Algerien allgemein zugänglich und kostenfrei (ÖB 3.2015; vgl. AA 23.2.2017). Krankenhäuser, in denen schwierigere Operationen durchgeführt werden können, existieren in jeder größeren Stadt; besser ausgestattete Krankenhäuser gibt es an den medizinischen Fakultäten von Algier, Oran, Annaba und Constantine. Häufig auftretende chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Tuberkulose, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Geschlechtskrankheiten und psychische Erkrankungen können auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden. AIDS-Patienten werden in sechs Zentren behandelt (AA 23.2.2017). Der Standard in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Niveau. Grundsätzlich meiden Algerier nach Möglichkeit die Krankenhäuser und bemühen sich, Kranke so schnell wie möglich in häusliche Pflege übernehmen zu können. Oft greift man zu Bestechung, um ein Intensivbett zu bekommen oder zu behalten. Ohne ständige familiäre Betreuung im Krankenhaus ist eine adäquate Pflege nicht gesichert. Die Müttersterblichkeit und Komplikationen bei Geburten sind aufgrund von Nachlässigkeiten in der Geburtshilfe hoch. Mit Frankreich besteht ein Sozialabkommen aus den 60er Jahren, das vorsieht, dass komplizierte medizinische Fälle in Frankreich behandelt werden können. Dieses Abkommen ist seit einiger Zeit überlastet. Nicht alle Betroffenen können es in Anspruch nehmen. Auch mit Belgien besteht ein entsprechendes Abkommen (ÖB 3.2015).

Es sind Privatspitäler, v.a. in Algier entstanden, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen. Der Sicherheitssektor kann auf ein eigenes Netz von Militärspitälern zurückgreifen. Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Algerien ausgebildete Ärzte in Frankreich niederlassen, was zu einem Ärztemangel in Algerien führt. Die Versorgung im Landesinneren mit fachärztlicher Expertise ist nicht sichergestellt. Augenkrankheiten sind im Süden häufig. Algerien greift diesbezüglich für die Versorgung im Landesinneren auf kubanische Ärzte zurück, z.B. die im April 2013 neu eröffnete Augenklinik in Bechar. Tumorpatienten können medizinisch nicht nach westlichem Standard betreut werden. Schwierig ist die Situation von Alzheimer- und Demenzpatienten und von Behinderten (ÖB 3.2015).

Krankenversichert ist nur, wer einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Die staatliche medizinische Betreuung in Krankenhäusern steht auch Nichtversicherten beinahe kostenfrei zur Verfügung, allerdings sind Pflege und die Verpflegung nicht sichergestellt, Medikamente werden nicht bereitgestellt, schwierige medizinische Eingriffe sind nicht möglich (ÖB 3.2015).

In der gesetzlichen Sozialversicherung sind Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Rentner sowie deren Ehegatten und Kinder bis zum Abschluss der Schul- oder Hochschulausbildung obligatorisch versichert. Die Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht grundsätzlich in staatlichen Krankenhäusern eine kostenlose, in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung. Immer häufiger ist jedoch ein Eigenanteil (Krankenhausbett zum Beispiel 100,- Dinar = etwas mehr als 1 Euro pro Nacht) zu übernehmen. Die höheren Kosten bei Behandlung in privaten Kliniken werden nicht oder nur zu geringerem Teil übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgeführt werden, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (AA 23.2.2017).

Seit der Ära Boumedienne ist in Algerien die medizinische Versorgung kostenlos und wurde vom Staat garantiert. Daran hat sich bis heute im Prinzip nichts geändert. Die Finanzierung erfolgt über Sozialversicherungsbeiträge, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden (den größeren Teil, derzeit 12,5%, trägt der Arbeitgeber, wesentlich weniger, 1,5%, der Beschäftigte) und Staatszuweisungen aus dem Budget des Gesundheitsministeriums. Algerien gibt 6,64% seines BIP (2013) für das Gesundheitswesen aus (Deutschland: 11,3%). Die Versorgung mit Standard-Medikamenten (Schmerzmittel, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Mittel) zumindest in den Städten ist durch die Apotheken gewährleistet. Spezielle chirurgische Eingriffe, die über die Grundversorgung hinausgehen, werden jedoch nur nach langer Wartezeit durchgeführt. Sehr wohlhabende Familien, wie auch der Präsident selbst, lassen sich gern in Frankreich behandeln. Eine Infrastruktur für Notfälle, z.B. Notrufe, gibt es nicht (außer bei Verkehrsunfällen); es ist Sache der Betroffenen, Hilfe zu organisieren (GIZ 12.2016c).

1.2.2 Homosexuelle

Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind laut Gesetz strafbar (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018) und können mit Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen geahndet werden. Die vage Definition von "homosexuelle Akte" und "Akte gegen die Natur" im Gesetz erlaubt gemäß LGBT Aktivisten pauschale Beschuldigungen (USDOS 3.3.2017), welche in zahlreichen Inhaftierungen wegen gleichgeschlechtlicher Beziehungen allerdings in keinen Verurteilungen resultieren (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Homosexuelle Handlungen sind nach Art. 338 des Strafgesetzbuchs strafbar. Daneben sieht Art. 333 eine qualifizierte Strafbarkeit für Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Bezügen zur Homosexualität vor. In der Rechtspraxis finden beide Vorschriften regelmäßig Anwendung (Zahl anhängiger Verfahren nicht überprüfbar), insbesondere Art. 333 wird von den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zur Verhinderung der Gründung von Schutzorganisationen homosexueller Personen herangezogen. Eine systematische Verfolgung homosexueller Personen (verdeckte Ermittlungen etc.) findet nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht statt; Homosexualität wird für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie offen ausgelebt wird. 2015 wurden mehrere Personen aufgrund gleichgeschlechtlicher Beziehungen verhaftet, jedoch nicht strafrechtlich verfolgt (AA 23.2.2017).

LGBT Personen sehen sich starker sozialer und religiöser Diskriminierung ausgesetzt. Einige LGBT Personen leben ihre sexuelle Orientierung offen aus, die meisten jedoch nicht, da sie Belästigungen seitens ihrer Familien oder der Behörden fürchten (USDOS 3.3.2017). Homosexualität ist ein Tabu-Thema. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Homosexuelle aufgrund ihrer als "unislamisch" empfundenen Lebensweise durch islamistische Gruppierungen gefährdet sind. In arabischen Zeitungen erschienene vereinzelt Hass-Artikel, unter anderem in der auflagenstarken Zeitung "Echourouk". Betroffene der LGBTTI-NGO Abu Nawas bei einer Veranstaltung in der niederländischen Botschaft Algier am 17.5.2014 sowie im Anschluss eine weitere NGO bestätigten, dass die Polizei Diskriminierung oder gewalttätige Übergriffe auf Homosexuelle dulde (AA 23.2.2017).

1.2.3 Rückkehr

Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 3.2015; vgl. SGG o.D., AA 23.2.2017). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (SGG o.D.). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 3.2015).

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor (AA 23.2.2017).

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wiederaufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Wer nicht von seiner Familie aufgenommen wird und ohne Einkommen ist, wird insbesondere in Algier Schwierigkeiten haben, die hohen Mieten zu zahlen. In Algier wird vermehrt gegen informelle Siedlungen vorgegangen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Der algerische Außenminister erklärte gegenüber dem politischen Direktor des BMEIA im Jänner 2013, dass man jederzeit bereit sei, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 3.2015).

1.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Bereits im Verfahren 2017 bezog sich der Beschwerdeführer auf Gründe, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Asylverfahrens (von 2013) waren und brachte kein im Kern glaubhaftes neues Fluchtvorbringen vor. Das tut er auch jetzt nicht. Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Abschluss der vorangegangenen Asylverfahren mit Bescheiden des BAA vom 28.03.2013 und des BFA vom 16.08.2017 eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

Die geltend gemachte Homosexualität hat er bereits bei der Folgeantragstellung am 31.10.2012 und neuerlich am 20.01.2017 vorgebracht, sodass auch darüber bereits rechtskräftig abgesprochen ist.

Der Beschwerdeführer leidet an Diabetes Typ 2. Das war aber bereits in der vorangegangenen rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigt worden und ist in Algerien behandelbar. Auch eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens in Österreich liegt nicht vor. Die psychischen Probleme, wegen derer das namentlich genannte Medikament verabreicht wurde, waren bereits Thema der Niederschrift des BFA am 30.11.2012 und somit bei der vorangegangenen Entscheidung auch bekannt.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, zumal Algerien nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat ist.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung entgegenstünden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Algerien ist seit der Entscheidung über den vorigen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nicht eingetreten, insbesondere nicht auf sein Vorbringen bezogen.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich vom BFA zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes und den Feststellungen im Beschluss dieses Gerichts vom 26.01.2017, I403 2145574-1, betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes am 20.01.2017.

2.1 Zur Person des Fremden

Die Identität des Beschwerdeführers steht bereits auf Basis des eben angeführten Beschlusses fest, der sich seinerseits auf den Reisepass bezieht. Die Vorstrafen ergaben sich aus dem Strafregister.

Soweit sein Gesundheitszustand angesprochen wird, kann die auf den Entscheidungszeitpunkt bezogene Feststellung im Hinblick auf die angeblichen psychischen Probleme naturgemäß nicht die ärztliche Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkungen eines Transports zum Abreisezeitpunkt entbehrlich machen.

Die Arbeitsfähigkeit ergab sich aus seinen Angaben, insbesondere betreffend die Schwarzarbeit (AS 97), die Berufserfahrung aus seiner Aussage am 30.11.2012 zum Ungarnaufenthalt (AS 91 ff).

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die oben wiedergegebenen Länderfeststellungen, welche der Entscheidung des BFA zu Grunde zu legen waren und dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt wurden, zeigen keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Algerien gegenüber der Zeit der vorangehenden Entscheidung auf.

Daher konnte eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat verneint werden. Demgemäß konnte eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen nicht festgestellt werden.

2.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Der Beschwerdeführer behauptet im vorliegenden Folgeverfahren weiterhin Homosexualität als Verfolgungsgrund, wegen derer er privat und staatlich verfolgt werde (AS 37, 75), nunmehr gesteigert um den Sachverhalt des von Radikalmoslems inszenierten Unfalls zu seinem Nachteil, weil er alkohol- und drogensüchtig sei. Diese Vorbringen entsprechen im Kern denen des Verfahrens 2012 (AS 91), wenngleich er im Verfahren 2017 bestritt, homosexuell zu sein (AS 101).

Jedenfalls ist über alles flucht- und verfolgungsbezogene Vorbringen bereits rechtskräftig abgesprochen worden, ebenso über die gesundheitliche Versorgung. Es war daher nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien eine reale Gefahr einer konventionsrelevanten Verfolgung mit sich bringen würde.

Selbst dann, wenn die Behauptungen einen glaubhaften Kern aufwiesen, wäre dem Folgeantrag kein anderes Schicksal beschieden als die Zurückweisung, wie in der rechtlichen Beurteilung noch näher ausgeführt wird, weil damit keine nachträgliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage behauptet wurde. Somit konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückgewiesen werden wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes.

Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).

Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).

Die angeführte Rückkehrentscheidung ist seit 31.08.2017 rechtskräftig. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre.

Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich bei den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder um nachträglich eingetretene Änderungen noch um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des BFA zu erwarten ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung in Algerien droht. Nach all dem wird der Folgeantrag des Beschwerdeführers voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Es gibt nämlich auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, keine Anhaltspunkte, zumal der Beschwerdeführer grundsätzlich ausreichend gesund für Arbeitstätigkeiten ist und daher erwerbsfähig ist. Er hat auch angegeben, zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in Österreich schwarz und in Ungarn als Pizzaiolo gearbeitet zu haben.

Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, selbst wenn die große Zahl Angehöriger ersten und zweiten Grades in wider Erwarten nicht unterstützt, sei es mit der genannten oder einer anderen Tätigkeit. Zudem besteht ganz allgemein in Algerien keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Er war bisher drei Jahre lang in Haftanstalten gemeldet und nicht einmal ein halbes Jahr außerhalb.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache und zur Beurteilung gesteigerten Vorbringens in Folgeverfahren. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Glaubwürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2145574.2.00

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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