TE OGH 2018/6/12 5Ob92/18t

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** GesmbH, *****, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei Ö*****, beide vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in St. Andrä-Wördern, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei W*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 94.546 EUR), hilfsweise Zahlung (Streitwert 135.455,50 EUR) und (Zwischenantrag auf) Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Jänner 2018, GZ 4 R 92/17d-66, mit dem das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 19. April 2017, GZ 47 Cg 6/15g-58, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs und die Rekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist im Bereich der Abfallverwertung tätig. Sie sammelt Alttextilien in Containern und veräußert diese. Die Klägerin arbeitete mit der Beklagten rund zwei Jahrzehnte bis 2014 zusammen. Die Beklagte übernahm die wirtschaftliche Verwertung der in den Containern gesammelten Altkleider. Sie nahm diese vom Spediteur entgegen, der die Container entleerte, entlohnte diesen auf der Basis der Menge der eingesammelten Kleidermenge, lieferte die abgewogenen Kleider an Sortierbetriebe und andere Kunden und teilte den Erlös an Hand einer Auflistung der ihr gelieferten Alttextilien, der daraus lukrierten Umsätze, Kosten und Auslagen sowie der sich daraus ergebenden und aufzuteilenden Gewinne im vereinbarten Verhältnis mit der Klägerin.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rechnungslegung über alle ihr zwischen 1. 1. 2007 und 31. 7. 2014 von einem bestimmten Spediteur gelieferten Altkleider. Die Bezifferung des Zahlungsbegehrens dieser Stufenklage behielt sie sich bis zur Rechnungslegung vor. Hilfsweise begehrte sie (ausgedehnt) 135.455,50 EUR als Schadenersatz, aber auch aufgrund eines Verwendungsanspruchs, gestützt auf das von ihr behauptete Alleineigentum an den Altkleidersammelcontainern.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klageabweisung. Sie erhob auch eine Gegenforderung von letztlich insgesamt 189.405,60 EUR. Sie leitet diese aus dem behaupteten Umstand ab, dass die Klägerin Altkleidercontainer, die nach gemeinsamer Anschaffung durch die Parteien in deren Miteigentum stünden, allein genutzt habe.

Die Klägerin stellte daraufhin den Zwischenantrag auf Feststellung, dass an sämtlichen im Besitz der Klägerin befindlichen (bestimmt bezeichneten) Altkeidersammelcontainern kein Miteigentum bestehe, oder hilfsweise dass die Klägerin Alleineigentümerin dieser Altkleidersammelcontainer sei. Die Beklagte bestritt auch dieses Vorbringen und beantragte die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass an bestimmten, konkret aufgelisteten Altkleidercontainern kein Miteigentum bestehe.

Das Berufungsgericht hob dieses Zwischenurteil anlässlich der Berufung der Beklagten ersatzlos auf. Besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags sei unter anderem die Präjudizialität des Rechts oder Rechtsverhältnisses für die Entscheidung über das Klagebegehren. Fehle diese
– amtswegig in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende – Voraussetzung, sei der Zwischenfeststellungsantrag mit Beschluss zurückzuweisen. Für die Präjudizialität eines Zwischenfeststellungsantrags sei maßgebend, welcher Einwendung des Beklagten die ausschlaggebende Bedeutung für die Entscheidung über das Klagebegehren beigemessen werde und welche so die Grundlage des Erkenntnisses bilde. Andere eingewandte Rechtsverhältnisse oder Rechte, die vom Gericht als Vorfrage für die Entscheidung nicht herangezogen und behandelt worden seien, könnten trotz ihrer theoretischen Präjudizialität nicht zum Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags gemacht werden. Ein Zwischenfeststellungsantrag könne zwar auch dann zulässig sein, wenn er sich nicht auf das Klagebegehren, sondern auf einen vom Beklagten erhobenen Gegenanspruch beziehe. Ein solcher Zwischenfeststellungsantrag sei aber unzulässig und daher zurückzuweisen, wenn sich die Klageforderung als unberechtigt erweise. Dies folge aus dem Eventualcharakter der Aufrechnungseinrede. Es sei daher stets zuvor über den Bestand und die Berechtigung der Klageforderung zu entscheiden. Die Klägerin habe ihren Zwischenfeststellungsantrag ausdrücklich auf den geltend gemachten, auf ihr Alleineigentum an den Containern gegründeten Verwendungsanspruch bezogen. Der Verwendungsanspruch sei bloß das Eventualbegehren, über das nur dann entschieden werde, wenn die Hauptforderung, das allein auf die Vereinbarung der Streitteile gestützte Rechnungslegungsbegehren, keinen Erfolg habe. Der Sache und dem Wortlaut nach könnte sich der Zwischenfeststellungsantrag auch auf die Gegenforderung der Beklagten beziehen, der ebenfalls deren Miteigentum an den Containern zugrunde liege. Mangels Gleichartigkeit könne die Gegenforderung nicht dem einen Rechnungslegungsanspruch verfolgenden Hauptbegehren entgegengehalten werden, sondern nur dem Eventualbegehren, mit dem eine Geldleistung geltend gemacht werde. Die Verhandlung und Entscheidung über das Eventualbegehren hänge aber von der innerprozessualen Bedingung der Zurückweisung oder Abweisung des Hauptbegehrens ab. Über die eingewandte Gegenforderung könne, dem Grunde und der Höhe nach, erst abgesprochen werden, wenn das Eventualbegehren
– zumindest zum Teil – als zu Recht bestehend festgestellt werde. Daraus folge, dass vor diesen Zeitpunkten die Präjudzialität des zum Eventualbegehren und der Gegenforderung gestellten Zwischenfeststellungsantrags derzeit weder bejaht noch verneint werden könne. Es sei vielmehr noch offen, ob über die nur hilfsweise geltend gemachte Geldforderung und die bedingt erhobene Aufrechnungseinwendung überhaupt zu entscheiden sein werde. Der Zwischenfeststellungsantrag stehe daher wie diese unter der innerprozessualen Bedingung der negativen Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren und/oder der positiven Entscheidung über das (eventualiter erhobene) Zahlungsbegehren. Das Hindernis der noch ungeklärten Präjudizialität des Zwischenfeststellungsantrags hätte zur ersatzlosen Aufhebung des verfrühten Zwischenurteils zu führen. Von der Aufnahme eines Zulässigkeitsausspruchs sah das Berufungsgericht ab.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und der Berufung der Beklagten keine Folge zu geben. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem (ihrer Ansicht nach zulässigen) Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

1. Gemäß § 519 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts über die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (Z 1), oder soweit das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen oder die Sache an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und wenn es dabei ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist ( Z 2).

2. Das Berufungsgericht hat in seinem Aufhebungsbeschluss nicht im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ausgesprochen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Die Rekurswerberin begründet die Zulässigkeit des Rekurses daher auch mit der analogen Anwendbarkeit des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO.

3. Nach der Rechtsprechung ist der Rekurs in sinngemäßer Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO dann jedenfalls, also unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und vom Wert des Entscheidungsgegenstands zulässig, wenn das Berufungsgericht ein über einen Zwischenantrag ergangenes Urteil aufgehoben und den Zwischenantrag mangels der Voraussetzungen des § 236 ZPO zurückgewiesen hat (RIS-Justiz RS0039705; RS0039554; vgl auch RS0043894).

4. Diese Rechtsprechung ist für den vorliegenden Fall aber nicht einschlägig. Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Zwischenurteil in seinem Ausspruch über den Zwischenfeststellungsantrag der Klägerin zwar aus Anlass der Berufung auf, es wies den Zwischenantrag auf Feststellung aber nicht zurück. Es wies vielmehr explizit darauf hin, dass der Zwischenantrag lediglich derzeit noch keiner Entscheidung zugänglich sei. Lehre und Rechtsprechung haben die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nur auf berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse anerkannt, mit denen – ohne Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen – dem Verfahren ein Ende gesetzt wird, sodass sie ihrem Wesen nach einer Klagszurückweisung gleichkommen (RIS-Justiz RS0043869). Voraussetzung für die analoge Anwendung ist, dass der Rechtsschutz abschließend (definitiv) verweigert wird (RIS-Justiz RS0043869 [T2]). Die hier angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts kommt der Sache nach einer Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags nicht gleich; das Berufungsgericht setzte dem auf den Zwischenfeststellungsantrag bezogenen Verfahren kein Ende und hat den diesbezüglichen von der Klägerin erhobenen Rechtsschutzanspruch damit nicht abschließend erledigt. Auf diese Entscheidung des Berufungsgerichts ist die Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO daher nicht analog anzuwenden.

5. Der Rekurs ist demnach absolut unzulässig und zurückzuweisen. Das Verfahren über ein absolut unzulässiges Rechtsmittel ist nicht zweiseitig. Daher ist auch die Rekursbeantwortung als unzulässig zurückzuweisen (7 Ob 161/17b mwN).

Textnummer

E122020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00092.18T.0612.000

Im RIS seit

16.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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