TE OGH 2018/6/27 13Os37/18t

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Veröffentlicht am 27.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvie M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. Jänner 2018, GZ 16 Hv 76/17m-48, und die Beschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen die unter einem gefassten Beschlüsse nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Silvie M***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A) und des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 2 zweiter Fall StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat sie

A/I in E***** und andernorts vom 27. Februar 2013 bis zum 30. Dezember 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betrugs ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (US 15 und 22), Andreas S***** durch Täuschung über ihre Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit, die Tatsache, eine dauerhafte gemeinsame Lebensführung mit ihm zu beabsichtigen, sowie darüber, schwer erkrankt zu sein oder aus sonstigen dringenden persönlichen Notlagen akuten Geldbedarf zu haben (US 11), in zahlreichen (im Ersturteil näher bezeichneten) Angriffen zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von Bargeldbeträgen an sie oder an einen von ihr beauftragten Boten sowie zur Überweisung von Geldbeträgen mittels Postanweisung aus seinem Vermögen und jenem seiner Eltern verleitet, welche den Genannten um insgesamt 517.650 Euro am Vermögen schädigten;

B) in L***** vom 13. Februar 2017 bis zum 7. März 2017 in sieben Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Gewahrsamsträgern der R***** fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld im Gesamtbetrag von 3.110 Euro weggenommen, indem sie unter Verwendung einer zuvor entfremdeten Bankomatkarte zum Girokonto von Leopold und der Theresia S***** Bankomatbehebungen vom genannten Konto vornahm, wobei sie „zur Ausführung der Tat eine Sperrvorrichtung, und zwar den Bankomaten der Bankfiliale *****, mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnete und ab der dritten Tat die Diebstähle nach § 129 Abs 1 StGB gewerbsmäßig beging, nachdem sie bereits zwei solche Taten begangen hatte (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Abweisung des Antrags auf Sicherstellung und Auswertung sämtlicher Nachrichten (SMS, MMS und WhatsApp), Fotos und Videos aus den Jahren 2012 bis inklusive 2017, die gewalttätige oder sexuelle Übergriffe zeigen. Dieser zielte darauf, die von Andreas S***** getätigten Anschuldigungen zu widerlegen und nachzuweisen, dass vielmehr Andreas S***** die Angeklagte in diesen Nachrichten durch Fotos und Videos bedroht und angegriffen habe (ON 43 S 42). Weiters wendet sich die Rüge gegen die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der ehemaligen Freundin des Andreas S*****, Anita H***** (ON 47 S 45), womit erwiesen werden sollte, dass Andreas S***** dieser gegenüber gewalttätig gewesen sei und angekündigt habe, sie anzuzeigen, sollte sie ihn verlassen, weiters zum Beweis dafür, dass Andreas S***** auch an sie Postanweisungen getätigt, H***** das Geld aber nicht erhalten habe (ON 43 S 42). Releviert wird auch die Ablehnung der Sicherstellung von H***** betreffenden Drohbriefen und Aufzeichnungen, die zur Widerlegung der Anklagevorwürfe und zum Beweis dafür begehrt wurde, dass Andreas S***** der Genannten gegenüber falsche Anschuldigungen zu tätigen beabsichtigte (ON 43 S 43).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht die Beweisanträge der Angeklagten ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab. Für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage waren sie allesamt nicht von Bedeutung (RIS-Justiz RS0118444). Im Übrigen ließen sie nicht erkennen, weshalb die angestrebte Beweisaufnahme das behauptete Beweisergebnis erwarten lasse.

Dass der Zeuge S***** bereits wegen Verleumdung oder falscher Beweisaussage zur Verantwortung gezogen worden sei, wurde bei der Antragstellung nicht behauptet. Wenn auch eine Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0098429, RS0028345), ließen sich dem Antragsvorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für eine habituelle Falschbezichtigungstendenz des Zeugen entnehmen (vgl RIS-Justiz RS0120109).

In der Beschwerdeschrift nachgereichte Ausführungen zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Mit den Ausführungen zum Privatbeteiligtenzuspruch und zur Mittelherkunft (US 11) bezieht sich die Mängelrüge (Z 5) auf keine schuld- oder subsumtionsrelevanten Umstände (siehe aber RIS-Justiz RS0106268). Soweit die Beschwerdeführerin die Relevanz aus der Frage nach der Person des Geschädigten ableitet, übersieht sie, dass der Tatbestand des Betrugs keine Identität zwischen Getäuschtem und Geschädigtem voraussetzt (RIS-Justiz RS0094011; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 1; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 146 Rz 38; Fabrizy, StGB12 § 146 Rz 21).

Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zu A/I aus der Aussage des Zeugen Andreas S***** im Zusammenhalt mit den vorgelegten Postanweisungsbelegen und schriftlichen Aufzeichnungen des Genannten (US 18) sowie zu B aus den Angaben des Andreas und des Leopold S***** in einer Zusammenschau mit den Lichtbildern ON 5 S 9 ff (US 21), die die Angeklagte bei den Behebungen des Bargelds zeigen, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit der Kritik, es sei in hohem Grad unplausibel, dass der Vater des Andreas S***** von den Geldbehebungen und Geldübergaben an die Angeklagte nichts wusste, verlässt die Rüge den aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO eröffneten Anfechtungsrahmen.

Entgegen dem Vorwurf der

Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) war es bei den Feststellungen zu A/I keineswegs erforderlich, auf jedes Detail der als unglaubwürdig verworfenen Aussage der Beschwerdeführerin (US 20) einzugehen. Dies hätte vielmehr gegen das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS-Justiz RS0098778, RS0106295 und RS0106642).

Indem die Rüge aus der – für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage irrelevanten – Zurückgabe der Bankomatkarte (vgl dazu US 18) für die Beschwerdeführerin günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Gegen den Schuldspruch A/I und die Feststellungen zur Schadenshöhe gerichtet kritisiert die Mängelrüge erneut die aus der Aussage des Belastungszeugen und dessen Aufzeichnungen gezogenen Schlüsse der Tatrichter und wendet sich, mit der Behauptung, er habe in einem anderen Verfahren „zumindest einmal nicht der Wahrheit entsprechend ausgesagt“, gegen die Andreas S***** attestierte Glaubwürdigkeit. Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Bei als gegeben erachteter Glaubwürdigkeit stellt die Judikatur insoweit auf Anhaltspunkte für eine habituelle, auf das jeweils gegenständliche Verfahren durchschlagende Falschbezichtigungstendenz des Zeugen ab (RIS-Justiz RS0120109). In diese Richtung weisende Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) zeigt die Beschwerdeführerin aber nicht auf. Zudem übergeht die Rüge die Klarstellung des Andreas S***** in der Hauptverhandlung (ON 47 S 21 und 29 f). Die Aussagen des Zeugen zur (worauf noch einzugehen sein wird) allein nicht entscheidungsrelevanten Rückzahlungsfähigkeit der Angeklagten, die nicht die gegenständlichen, sondern andere Tatvorwürfe betrafen, erörterte das Erstgericht sehr wohl (US 16).

Dass die Mängelrüge mit der Bekämpfung des Privatbeteiligtenzuspruchs den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung verfehlt, wurde bereits dargelegt.

Der von der Beschwerdeführerin angesprochene „Zweifelsgrundsatz“ kann niemals Gegenstand der Nichtigkeitsgründe der Z 5 oder der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS-Justiz RS0102162).

Soweit die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) widersprüchliche Konstatierungen zu den von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Täuschungshandlungen einwendet, spricht sie schon deshalb keine entscheidenden Tatsachen an, weil sie die Feststellung, die Angeklagte habe Andreas S***** unter Vorspiegelung tatsächlich gar nicht bestehender Gründe zur Übergabe der Geldbeträge veranlasst (US 11 oben und US 14 f), nicht bekämpft. Damit kann die Frage nach der von der Beschwerde insoweit relevierten Täuschung (auch) über das Eingehen einer dauerhaften gemeinsamen Lebensführung oder die Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit der Beschwerdeführerin (US 11, siehe auch US 16 oben) dahingestellt bleiben (vgl RIS-Justiz RS0109555; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 51 und 68).

Mit dem Hinweis auf einzelne Details der Aussage des Zeugen Andreas S***** oder mit Zweifeln an dessen Auflistung weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00037.18T.0627.000

Im RIS seit

16.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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