Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin T***** K*****, vertreten durch die Sunder-Plaßmann Loibner & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen den Antragsgegner V***** K*****, Russische Föderation, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Oktober 2017, GZ 42 R 289/17m-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 15. Mai 2017, GZ 2 Fam 21/15s-34, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Parteien wurden mit Urteil des Erstgerichts vom 10. 5. 2014 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin ist österreichische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Wien, während der Antragsgegner russischer Staatsangehöriger ist und seinen Lebensmittelpunkt in Moskau hat.
Am 18. 5. 2015 beantragte die Antragstellerin beim Erstgericht die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Mit Beschluss vom 14. 7. 2015 forderte dieses den Antragsgegner fristgebunden und unter Erläuterung der Säumnisfolgen gemäß § 98 Abs 1 ZPO auf, dem Gericht den Namen und die Anschrift eines Zustellungsbevollmächtigten in Österreich für das gerichtliche Aufteilungsverfahren bekanntzugeben.
Die Antragstellerin beantragte die Zustellung des Antrags am letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien in Wien, weil sich der Antragsgegner dort kurzfristig aufgehalten habe. Der Zustellversuch scheiterte jedoch, weil dieser nicht angetroffen werden konnte.
Zeitgleich übermittelte das Erstgericht den Aufteilungsantrag, den Zustellantrag sowie den Beschluss vom 14. 7. 2015 mit dem Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten an das Bundesministerium für Justiz zur Veranlassung der Zustellung der Gerichtsstücke an den Antragsgegner an dessen Adresse in Moskau. Das Bundesministerium leitete die Aktenteile samt Übersetzungen im Wege des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres an die österreichische Botschaft in Moskau weiter.
Am 10. 11. 2016 langten die Gerichtsstücke mit dem Bericht der österreichischen Botschaft in Moskau und einer Erklärung des Bundesministeriums für Justiz, wonach die russischen Gesetze keine Zustellung gegen den Willen eines Empfängers vorsehen, beim Erstgericht ein. Die österreichische Botschaft in Moskau teilte mit, dass das Zustellersuchen unerledigt retourniert werde, „da die genannte Person vor Gericht nicht erschienen ist“.
Nach den aus Russland übermittelten Gerichtsunterlagen langte das Zustellersuchen am 5. 2. 2016 beim zuständigen Kreisgericht in Moskau ein und führte zur Anberaumung einer Gerichtsverhandlung für den 11. 4. 2016, die zur Ausfolgung der Gerichtsstücke an den Antragsgegner bestimmt war. Zur Erwirkung seiner Mitwirkung am Zustellvorgang wurden an ihn „Telegramme gerichtet“. Von der Gerichtsverhandlung wurde er „rechtzeitig und ordnungsgemäß benachrichtigt“, blieb dieser aber fern. Daraufhin fasste das russische Gericht den Beschluss, die Gerichtsstücke an das Erstgericht zu retournieren.
Mit Antrag vom 22. 12. 2016 begehrte die Antragstellerin, dem Antragsgegner den verfahrenseinleitenden Antrag sowie den Beschluss vom 14. 7. 2015 mit der Aufforderung zur Bekanntgabe eines Zustellungsbevollmächtigten in Österreich gemäß § 121 Abs 2 ZPO iVm § 25 ZustG durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Bislang habe eine Zustellung von Gerichtsstücken aus dem Aufteilungsakt an den Antragsgegner auch unter Einbindung der österreichischen Behörden in der Russischen Föderation nicht erfolgen können. Die Fallkonstellationen des § 121 Abs 2 ZPO seien mit der im vorliegenden Fall gegebenen Sachlage „nicht unmittelbar“ vergleichbar. Sämtliche Veranlassungen zur Erwirkung einer Zustellung der Gerichtsstücke an den Antragsgegner seien durch das zuständige Gericht an seinem Wohnort in Moskau – bis hin zur Anberaumung einer Gerichtsverhandlung zur Übergabe der Gerichtsstücke – getroffen worden, sodass eine Zustellung an ihn und eine Beurkundung des Zustellvorgangs durch das Rechtshilfegericht grundsätzlich möglich gewesen wären. Der Antragsgegner habe aber von der ihm durch die russischen Verfahrensvorschriften eingeräumten rechtlichen Möglichkeit, Schriftstücke eines ausländischen Gerichts nicht entgegennehmen zu müssen, Gebrauch gemacht, sodass die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags sowie des Beschlusses nach § 98 ZPO an ihn deshalb gescheitert sei. Die Rechtslage in der Russischen Föderation – die keine Zustellung gegen den Willen des Empfängers vorsehe – könne dazu führen, dass Zustellversuche österreichischer Gerichte auf russischem Hoheitsgebiet erfolglos blieben. Wenn ein Empfänger aufgrund dieser Rechtslage von seiner Möglichkeit Gebrauch mache, an ihn zuzustellende Gerichtsstücke nicht entgegenzunehmen, sei dieses Verhalten nicht mit einer Verweigerung der Annahme ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes im Sinn des § 20 ZustG gleichzusetzen. Ebensowenig seien in einem solchen Fall die Voraussetzungen für eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 121 Abs 2 ZPO erfüllt.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Rechtlich führte es aus, da eine Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die Information des Empfängers, dass er ein gerichtliches Schriftstück bei Gericht abholen solle (also eine Hinterlegung ohne Zustellversuch, jedoch zusammen mit der Mitteilung über die erfolgte Hinterlegung), „offensichtlich nach dem Recht der Russischen Föderation“ zulässig sei, sei diese Zustellart gemäß § 106 Abs 2 ZPO grundsätzlich zulässig und gültig. Die Wirksamkeit dieser Zustellung sei nach dem Recht des Prozessstaats, also nach österreichischem Recht, zu beurteilen. Folgte man der Ansicht des Erstgerichts und ginge weder von einer gültigen Zustellung, noch von einer Verweigerung der Annahme aus, käme es zum „rechtlich nicht tragbaren Ergebnis“, dass ein in der Russischen Föderation wohnhafter Antragsgegner trotz ordnungsgemäßer Mitteilung des örtlichen Gerichts, er solle ein ausländisches gerichtliches Schriftstück beheben, einfach durch „Nichtreagieren“ einen Prozess in Österreich vereiteln könnte, wohingegen bei einer Verweigerung einer ausländischen Behörde, ein Schriftstück zuzustellen, ein Verfahren auch gegen jemand geführt werden könnte, der von diesem keine Kenntnis habe. Der Antragsgegner sei persönlich und ordnungsgemäß an seiner Abgabestelle in Moskau davon informiert worden, dass ein Schriftstück des Erstgerichts für ihn beim örtlich zuständigen Gericht in Moskau aufliege, und aufgefordert worden, dieses – zu einem bestimmten Termin – abzuholen. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen und habe das Schriftstück nicht abgeholt. Dieser Vorgang entspreche nicht einer Annahmeverweigerung, dafür hätte der Antragsgegner beim Gericht in Moskau erscheinen, dort aber die Übernahme ablehnen müssen. Vielmehr entspreche der Vorgang „einer Hinterlegung mit der Mitteilung über die erfolgte Hinterlegung“, weil der Antragsgegner persönlich davon verständigt worden sei, dass er ein gerichtliches Schriftstück beheben solle. Da er dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen und nicht bei Gericht erschienen sei, sei die Sendung vom russischen Gericht zurückgesendet worden, somit als nicht behoben retourniert worden. Ein solcher Vorgang wäre in Österreich nicht als Annahmeverweigerung, sondern als Zustellung durch Hinterlegung zu qualifizieren. Sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Beschluss gemäß § 98 ZPO seien jeweils mit einer Übersetzung in die russische Sprache versehen gewesen, sodass der Antragsgegner die Übernahme jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf eine fehlende Übersetzung verweigern hätte können. Damit sei von der gültigen Hinterlegung und daher auch von der bereits erfolgten gültigen Zustellung auszugehen. Der Antrag auf (neuerliche) Zustellung der Schriftstücke gemäß § 121 Abs 2 ZPO iVm § 25 ZustG durch öffentliche Bekanntgabe sei daher im Ergebnis abzuweisen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil es zur Frage, ob es sich um eine Annahmeverweigerung oder eine gültige Hinterlegung handle, wenn – nach dem Recht der Russischen Förderation „zulässigerweise“ – der Antragsgegner persönlich über die Bereithaltung eines ausländischen gerichtlichen Schriftstücks beim örtlich zuständigen russischen Gericht informiert worden sei, dieses Schriftstück in der Folge jedoch nicht behoben habe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung gäbe.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Erstgericht die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung im Sinn des § 121 Abs 2 ZPO iVm § 25 ZustG aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Nach § 24 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Zustellungen und das Zustellgesetz anzuwenden, soweit nichts anderes angeordnet ist. Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staats, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Die Russische Föderation hat erklärt, sich weiterhin an das Übereinkommen betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (HPÜ 1954, BGBl 1957/91) gebunden zu erachten (vgl BGBl 1993/364). Mit Notenwechsel (Schreiben des österreichischen Außenministers vom 15. 6. 1993; BGBl 1994/257) ist zwischen Österreich und der Russischen Förderation ferner geklärt worden, dass der mit der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken abgeschlossene Rechtshilfevertrag weiter angewendet wird (6 Ob 190/05t mwN; Sengstschmid in Fasching/Konecny3 I Anhang B zu §§ 38–40 JN Rz 169).
Art 2 und 3 des Rechtshilfevertrags (BGBl 1972/112) sehen für den gesamten Rechtshilfeverkehr ausschließlich den diplomatischen Weg vor. Der Rechtshilfevertrag sieht auch keinerlei Vereinfachung der Zustellung vor. Damit richtet sich die Zustellung im Ergebnis nach Art 2 und 3 HPÜ 1954. Demnach ist zwischen der formlosen Zustellung, die nur bei Annahmebereitschaft des Adressaten zulässig ist (Art 2 HPÜ 1954), und der förmlichen Zustellung, die auch gegen den Willen des Empfängers vorgenommen werden darf (Art 3 Abs 2 leg cit), zu unterscheiden. Letztere setzt voraus, dass den Schriftstücken eine Übersetzung angeschlossen ist (6 Ob 190/05t mwN). Das war hier der Fall, wurden doch sämtliche zuzustellende Schriftstücke (insbesondere der verfahrenseinleitende Antrag) in die russische Sprache übersetzt.
Im vom Bundesministerium für Justiz herausgegebenen „Gelben Buch – Online“ sind unter „Internationaler Rechtshilfeverkehr und Internationale Vollstreckungsrechtshilfe in Zivilsachen, Internationale Zustellung, Empfangsstaat: Russische Föderation“ als besondere Hinweise vermerkt, es könne vorkommen, dass Zustellversuche erfolglos blieben, weil die russischen Gesetze keine Zustellung gegen den Willen des Empfängers vorsähen. Ob die darauf ergehenden Berichte der ersuchten russischen Stellen ausreichen, von einer Verweigerung der Annahme im Sinn des § 20 ZustG auszugehen, müsse der Beurteilung im Einzelfall überlassen bleiben.
2. Nach § 8 Abs 2 AußStrG sind verfahrenseinleitende Anträge, sofern sie nicht sogleich ab- oder zurückzuweisen sind, grundsätzlich wie Klagen zuzustellen. Gemäß § 106 Abs 1 Satz 1 ZPO sind diese mit Zustellnachweis zuzustellen.
Gemäß § 106 Abs 2 ZPO genügt bei der Zustellung im Ausland durch Behörden des Zustellstaats die Einhaltung jener Vorschriften, die das Recht dieses Staats für die Zustellung entsprechender Schriftstücke vorsieht. Das gilt nicht, wenn die Anwendung dieser Vorschriften mit Art 6 EMRK unvereinbar wäre.
3. Die Voraussetzungen und Wirkungen einer im Ausland vorzunehmenden Zustellung sind grundsätzlich nach dem im Zustellstaat geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen (RIS-Justiz RS0119937; Gitschthaler in Rechberger4 § 121 ZPO Rz 8 mwN). Der eigentliche (technische) Zustellvorgang richtet sich nach dem Recht des Empfangsstaats (2 Ob 217/12v, 2 Ob 218/12s = RIS-Justiz RS0119937 [T2]). Andererseits soll die (Rechts-)Wirksamkeit der Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des Prozessstaats (Österreich) zu beurteilen sein (2 Ob 101/14p = SZ 2014/123 = RIS-Justiz RS0119937 [T3]; Gitschthaler aaO). Bei der Zustellung im Rechtshilfeweg genügt jedoch, wie sich (jedenfalls) aus § 106 Abs 2 ZPO ergibt, (auch) aus österreichischer Sicht die Einhaltung der Ortsform, also der Zustellvorschriften des Zustellstaats; das an sich maßgebende österreichische Recht verweist somit auf das Recht dieses Staats (2 Ob 158/16y [I. 2.4 (a)] = EvBl 2017/50, 362 [Stumvoll]). Die Voraussetzungen einer wirksamen Zustellung bei der Behördenzustellung (also im Rechtshilfeweg) im Ausland richten sich nach dieser Bestimmung alternativ nach österreichischem oder nach fremdem Recht (Letzteres im Rahmen des ordre public). Entweder müssen die Zustellnormen des Zustellstaats oder die des österreichischen Zustellrechts (für sich zur Gänze) erfüllt sein (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 106 ZPO Rz 18 und 19).
4. Das Erstgericht ersuchte um Zustellung gemäß Art 3 HPÜ 1954 (Zustellung der mit einer beglaubigenden Übersetzung in die russische Sprache versehenen Schriftstücke ohne oder gegen den Willen des Empfängers). Das Zustellersuchen wurde laut Schreiben der österreichischen Botschaft in Moskau unerledigt retourniert, weil die genannte Person vor Gericht nicht erschienen sei. Nach dem Beschluss des zuständigen Kreisgerichts in Moskau vom 11. 4. 2016 hat dieses zur Erledigung des Rechtshilfeersuchens Telegramme an den Antragsgegner gerichtet, er sei rechtzeitig und ordnungsgemäß benachrichtigt worden, jedoch zur Gerichtsverhandlung an diesem Tag nicht erschienen. In Verbindung damit habe das Gericht nach Art 63 der Zivilprozessordnung der Russischen Föderation beschlossen, die „bei der Erledigung des Ersuchens gesammelten Beweismittel“ dem Erstgericht zuzustellen.
Entgegen der Annahme des Rekursgerichts kann ohne weitere Erhebungen zur russischen Rechtslage nicht davon ausgegangen werden, dass diese Form der Erledigung des Zustellersuchens eine „offensichtlich nach dem Recht der Russischen Föderation“ zulässige Zustellart sei. Nach Art 5 Abs 1 HPÜ 1954 erfolgt der Nachweis der Zustellung entweder durch ein datiertes und beglaubigtes Empfangsbekenntnis des Empfängers oder durch eine von der Behörde des ersuchten Staats ausgestellte Bestätigung, aus der die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung hervorzugehen hat. Einen solchen Zustellnachweis übermittelte das ausländische Gericht gerade nicht. Nach Art 63 Abs 1 der russischen Zivilprozessordnung, auf den sich das russische Gericht stützte und der das Verfahren zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens betrifft, soll das Rechtshilfeersuchen in einer Gerichtssitzung nach den in diesem Gesetz festgelegten Vorschriften durchgeführt werden. Die am Verfahren teilnehmenden Parteien sollen von Zeit und Ort der Sitzung verständigt werden, aber ihr Nichterscheinen soll nicht als Hindernis für die Durchführung des Ersuchens angesehen werden. Die Protokolle und im Zuge der Durchführung des Ersuchens erhobenen Beweise sollen unverzüglich dem erkennenden Gericht übermittelt werden. Allein aus dieser Bestimmung kann ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass die vorgenommene Zustellung nach dem Recht der Russischen Föderation rechtswirksam erfolgt wäre. Dies könnte zweckmäßigerweise nur durch eine Anfrage bei der russischen Empfangsstelle geklärt werden. Auf diesen Ermittlungsschritt kommt es jedoch – wie noch zu Punkt 6. dargelegt wird – im Ergebnis nicht an.
5. Nach österreichischem Recht ist gemäß § 17 Abs 1 ZustG das Dokument zu hinterlegen, wenn es an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Durch Hinterlegung darf erst zugestellt werden, wenn weder dem Empfänger noch einem Ersatzempfänger zugestellt werden kann. Andernfalls ist die Hinterlegung gesetzwidrig und die Zustellung rechtsunwirksam (RIS-Justiz RS0111049). Im vorliegenden Fall wurde jedoch eine Zustellung der gerichtlichen Schriftstücke an der Abgabestelle des Antragsgegners gar nicht versucht. Vielmehr wurden diese am russischen Rechtshilfegericht „bereitgehalten“ und der Antragsgegner von der „Möglichkeit der Abholung“ anlässlich einer Gerichtsverhandlung am 11. 4. 2016 verständigt. Von einer wirksamen Hinterlegung im Sinn des § 17 ZustG kann damit nicht ausgegangen werden.
Die Regeln über die Annahmeverweigerung in § 20 ZustG sind auf eine versuchte Übergabe der Sendung durch den Zusteller zugeschnitten. Keinesfalls kann etwa das Nichterscheinen zu einer Verhandlung als Annahmeverweigerung im Sinn des § 20 ZustG ausgelegt werden, mag der Empfänger auch eine verfahrensrechtliche Mitwirkungsobliegenheit verletzt haben; die in dieser Bestimmung geregelte Annahmeverweigerung erfolgt gegenüber dem Zusteller (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 20 ZustG Rz 20; VwGH 2011/21/0244).
Damit liegt jedenfalls nach österreichischem Zustellrecht keine wirksame Zustellung an den Antragsgegner vor.
6. Wurde eine Zustellung im Ausland vergeblich versucht, kann gemäß § 121 Abs 2 ZPO „nach Lage der Sache“ die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) oder eine Kuratorbestellung nach § 116 ZPO erfolgen. Selbst bei unterstellter Erfolglosigkeit der Zustellung an den Antragsgegner in der Russischen Föderation, liegen aber die Voraussetzungen für die allein begehrte Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nicht vor.
Nach § 116 ZPO ist ein Kurator dann zu bestellen, wenn Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung „eine Prozesshandlung vorzunehmen hätten“. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Abwesenden eine Klage, ein Zahlungsauftrag im Mandatsverfahren, eine Aufkündigung, ein Übergabs- oder Übernahmeauftrag im Bestandverfahren, ein Exekutionsantrag oder ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder diese Verfügung selbst zugestellt wird. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Unterlassung einer Prozesshandlung prozessuale Nachteile auslöst, gegen die der Empfänger geschützt werden soll (1 Ob 301/04b = SZ 2005/56; 7 Ob 142/05s). Davon ist gemäß § 24 Abs 1 AußStrG iVm § 121 Abs 2 und § 116 ZPO auch der verfahrenseinleitende Antrag im Verfahren auf nacheheliche Vermögensaufteilung erfasst. Liegen die Voraussetzungen des § 121 Abs 2 ZPO vor, wird im Normalfall ein Prozesskurator (Verfahrenskurator) nach § 116 ZPO zu bestellen sein. Denn üblicherweise wird der Adressat zur Wahrung seiner Rechte eine Prozesshandlung vornehmen müssen, dies insbesondere dann, wenn durch die Zustellung eine Frist ausgelöst oder eine Ladung zugestellt wird. Nur ausnahmsweise, etwa bei der Zustellung einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wird dies nicht der Fall sein, sodass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung möglich wäre (Sengstschmid, Handbuch internationale Rechtshilfe in Zivilverfahren [2009] 294; vgl Christian/Burgstaller in Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht [2000] 399 Rz 8.4).
Selbst unter der Annahme, dass die Zustellung samt Einlangen des Zustellnachweises in angemessener Zeit nicht möglich gewesen wäre (weil sie an der bekannten Abgabestelle des Antragsgegners im Ausland in einem Zeitraum von einem Jahr nicht rechtswirksam erfolgt wäre), käme entgegen dem Antrag der Antragstellerin „nach Lage der Sache“ keine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, sondern nur die Bestellung eines Verfahrenskurators in Betracht. Einen solchen Antrag stellte sie aber nicht. Allein durch die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung könnte der Antragsgegner seine Rechte im fortzusetzenden Verfahren nicht wahren. Dem Antragsgegner soll der Aufteilungsantrag und der Beschluss gemäß § 98 ZPO zugestellt werden. Dadurch wird seine Obliegenheit zu einer Handlung ausgelöst, deren Unterlassung Rechtsnachteile nach sich ziehen könnte. Er wäre bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 121 Abs 2 ZPO nur geschützt, wenn ein Verfahrenskurator seine Rechte wahrnähme, sodass „nach Lage der Sache“ eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung in diesem Fall nicht in Betracht kommt.
7. Aus den dargelegten Gründen ist daher dem Revisionsrekurs im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG.
Textnummer
E121715European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00041.18P.0430.000Im RIS seit
15.07.2018Zuletzt aktualisiert am
15.07.2018