TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/21 VGW-001/059/418/2018

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Entscheidungsdatum

21.06.2018

Index

82/04 Apotheken, Arzneimittel
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWEG 2010 §3 Abs1
AWEG 2010 §21 Abs1 Z1
VStG §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerde der Frau D. I., U., U.-straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 20. Bezirk, vom 07.12.2017, Zahl ..., wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. l Nr. 79/2010 in der geltenden Fassung,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 20. Bezirk, vom 7.12.2017 wurde der Beschwerdeführerin (Bf) wie folgt zur Last gelegt:

„Sie haben im Fernabsatz mit der Empfängeradresse G., U.-straße, und somit vom Inland aus dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 - AWEG 2010, BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, unterliegende und unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur der EU (§ 2 Zif. 1 lit. C AWEG 2010) fallende Arzneiwaren, nämlich:

90 Stück P.,

per Fernkommunikationsmittel bestellt, welche von Indien über N. (Deutschland), aufgrund der von Ihnen getätigten Bestellung im Postversand - Flugverkehr durch die Österreichische Post AG am 02.12.2016 in das Bundesgebiet (Flughafen Wien Schwechat) eingeführt und vom Zollamt Wien, Zollstelle Post in 1230 Wien, Halban-Kurz-Straße 5, entdeckt wurden und haben somit zu verantworten, dass entgegen § 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, wonach die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig ist, wenn vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde, die vorgenannten Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Einfuhrbescheinigung somit in das österreichische Bundesgebiet eingeführt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 210,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden

gemäß §°21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 leg. cit.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 21,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/kosten) beträgt daher € 2321,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Gleichzeitig werden gemäß § 17 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der geltenden Fassung, die am 02.12.206 um 09:00 Uhr durch das Bundesministerium für Finanzen – Zollamt Wien – Zollstelle Wien/Post, gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ZollR-DG vorläufig beschlagnahmten Arzneiwaren, nämlich 90 Stück P., für verfallen erklärt.“

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde in welcher die Beschwerdeführerin in Abrede stellte, die genannten Tabletten bestellt zu haben.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den Bezug habenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht am 10.1.2018 (einlangend) vor.

Sachverhalt:

Die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses umschriebene Ware wurde am 2.12.2016 mittels Postversand aus der Bundesrepublik Deutschland in das österreichische Bundesgebiet eingeführt und sodann vom Zollamt Wien beschlagnahmt (vgl. die nachvollziehbare aktenkundige Anzeige vom 6.7.2017). Nach Erstattung der verfahrenseinleitenden Anzeige wurde der Bf bis zuletzt die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ersichtliche, oben im Wortlaut wiedergegebene Übertretung zur Last gelegt (vgl. den unbedenklichen Akteninhalt).

Das Verwaltungsgericht Wien hat hierzu erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AWEG 2010, BGBl. I Nr. 79, lauten in ihrer zum Tatzeitpunkt geltenden und hienach unveränderten Fassung BGBl. I Nr. 163/2015 – auszugsweise – wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

1. Arzneiwaren: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1:

a), b) [...]

c) Waren der Position 3004,

d) – f) [...]

2., 3. [...]

4. Einfuhr: Beförderung von Arzneiwaren, Blutprodukten oder Produkten natürlicher Heilvorkommen aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind, in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;

5. Verbringen: Beförderung von Arzneiwaren oder Blutprodukten aus einer Vertragspartei des EWR in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;

6., 7. [...]

Arzneiwaren

Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit

§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

(2) Für die Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen und die Entgegennahme von Meldungen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zuständig.

[...]

Meldung

§ 6. (1) Das Verbringen von in einer Vertragspartei des EWR zugelassenen oder hergestellten Arzneiwaren darf nur für Zwecke gemäß § 5 Abs. 1 und 2 erfolgen und bedarf – sofern Abs. 2 nicht anderes bestimmt – einer Meldung gemäß § 3.

(2) – (6) [...]

Strafbestimmungen

§ 21. (1) Wer

1. Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder

2. bei Arzneiwaren die nachträgliche Meldung des Verbringens gemäß § 6 unterlässt oder Arzneiwaren ohne Meldung entgegen §§ 7, 8 oder 9 verbringt, oder

3. – 7. [...]

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.

(2), (3) [...]“

Auch in – wie hier – Verwaltungsstrafverfahren richtet sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).

Darüber hinaus ist jedoch das in § 42 leg. cit. normierte Verbot der „reformatio in peius“ zu berücksichtigen, welches nur dann nicht gilt, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Beschwerde nicht zu Gunsten des Bestraften erhoben wird. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinne des § 50 Abs. 1 VwGVG hinaus wurde durch den Gesetzgeber nicht geschaffen und würde dies eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und damit der Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht darstellen (vgl. hierzu bspw. VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018).

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dies hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 27.4.2011, 2010/08/0091). Der Beschuldigte hat dabei ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. zB VwGH 8.8.2008, 2008/09/0042, mwN). Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. zB VwGH 12.3.2010, 2010/17/0017, mwN).

Grundsätzlich bestehen das Recht und die Pflicht einen fehlerhaften Abspruch der erstinstanzlichen Behörde richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn durch die Behörde innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung gesetzt wurde (vgl. zB VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033, mwN) und wenn keine Auswechslung der angelasteten Tat stattfindet (vgl. etwa VwGH 30.4.1992, 92/02/0069; 17.2.2016, Ra 2016/04/0006).

Ausgehend hievon ist für den konkreten Fall festzustellen, dass der Bf bis zuletzt einzig zur Last gelegt wurde, dass sie – zusammengefasst – für die Einfuhr von dem Anwendungsbereich des AWEG 2010 unterliegenden Arzneiwaren ohne Einfuhrbescheinigung in das österreichische Bundesgebiet verantwortlich sei.

Sofern im Arzneiwareneinfuhrgesetz der Begriff Einfuhr verwendet wird, ist die Beförderung von Waren aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des EWR sind, nach Österreich gemeint. Beim Verbringen handelt es sich hingegen um die Beförderung von Waren aus EWR-Vertragsparteien nach Österreich (vgl. Gesetzesmaterialien; GP XXIV RV 773 zu §§ 1 und 2 AWEG 2010).

Gemäß § 2 Z 4 AWEG 2010 wird die „Einfuhr“ in diesem Sinne als Beförderung einer Arzneiware aus einem Staat, welcher nicht Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist, in das österreichische Bundesgebiet definiert. Fest steht im konkreten Fall, dass die vom Bf georderte Ware – unabhängig von deren Provenienz – aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich übersendet wurde. Da es sich jedoch bei der Bundesrepublik Deutschland unzweifelhaft um einen Vertragsstaat des EWR handelt, kann demnach hier keine „Einfuhr“ im Sinne des AWEG 2010 vorliegen und hat die Bf folglich auch keiner Einfuhrbescheinigung gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. bedurft (vgl. hiezu den expliziten Wortlaut der zuletzt genannten Bestimmung).

Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall um die „Verbringung“ einer Arzneiware im Sinne des § 2 Z 5 AWEG 2010, für welche bloß eine Meldung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 6 leg. cit. zu erstatten ist. Dass die Bf dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, wurde ihr jedoch nie zur Last gelegt – auch die von der belangten Behörde im Spruch mitherangezogene Strafbestimmung des § 21 Abs. 1 Z 1 AWEG 2010 erfasst ausschließlich die „Einfuhr“ von Arzneiwaren ohne Einfuhrbescheinigung (vgl. demgegenüber für den Fall einer Verbringung Abs. 1 Z 2 par. cit.) – und wäre eine dahingehende Ergänzung bzw. Auswechslung des wider die Bf erhobenen Tatvorwurfes durch das Verwaltungsgericht im Lichte der obzitierten Judikatur unzulässig.

Der Beschwerde war sohin ein Erfolg nicht zu versagen. Dass die Bf die im Spruch des Straferkenntnisses genannten Arzneiwaren, ihrer Behauptung folgend, nicht bestellt haben sollte, scheint unglaubwürdig, zumal es der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, dass ein kostenpflichtiges Produkt an einen Adressaten ohne vorangehenden Bestellvorgang versandt wird, Feststellungen dazu sind aber entbehrlich. Zumal die Verfolgungsverjährungsfrist (vgl. § 31 Abs. 1 VStG) bereits abgelaufen ist, war zudem vielmehr bezogen auf den konkreten Tatvorwurf spruchgemäß auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).

Schlagworte

Medikament; Deutschland; Einfuhr contra Verbringung; Beschlagnahme; reformatio in peius; Meldepflicht; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.001.059.418.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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