TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/5 W250 2196374-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
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Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W250 2196374-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2018, Zl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 03.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 10.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Mit diesem Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde. Bevor über diese entschieden worden war, stellte der BF am 06.02.2018 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der im anhängigen Beschwerdeverfahren mitbehandelt wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018 wurde die Beschwerde abgewiesen, jener Spruchteil des angefochtenen Bescheides, mit dem eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, wurde behoben.

2. Während seines in erster Instanz anhängigen Asylverfahrens reiste der BF in die Schweiz und stellte dort am 04.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. In weiterer Folge wurde er nach Österreich überstellt.

3. Am 05.08.2016 wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet.

4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.05.2017 wurde der BF rechtskräftig wegen versuchten Diebstahls, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung nach den §§ 105 Abs. 1, 125 und 127 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Dieser Verurteilung lag eine Tat zu Grunde, die der BF am 17.01.2017 begangen hatte.

5. Am 03.01.2018 wurde der BF - der seit 28.06.2017 über keine Meldeadresse verfügte - von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und am 04.01.2018 vom Bundesamt zu einer möglichen Anordnung der Schubhaft einvernommen. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass seine Abschiebung nach Marokko geplant sei. Nach Verbüßung einer Verwaltungshaftstrafe wurde der BF am 11.01.2018 wieder entlassen, wobei er darüber belehrt wurde, dass er sich umgehend nach den Bestimmungen des Meldegesetzes anzumelden habe. Seiner Meldeverpflichtung kam der BF jedoch auch weiterhin nicht nach.

6. Am 05.02.2018 wurde der BF erneut aufgegriffen und festgenommen. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 06.02.2018 gab er im Wesentlichen an, dass er seiner Meldeverpflichtung nach seiner Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft nicht nachgekommen sei, da er ein bisschen betrunken gewesen sei. Er schlafe bei irakischen Freunden. Er habe Österreich nicht verlassen, da er bei seinem Bruder bleiben wolle. Nach Marokko wolle er nicht zurückkehren, sondern ein weiteres Mal um Asyl ansuchen. Dem BF wurde vorgehalten, dass eine telefonische Nachfrage bei der von ihm genannten Wohnadresse ergeben habe, dass ihm in der dort etablierten Einrichtung ein unbefristetes Hausverbot auferlegt worden sei. Dazu gab der BF an, dass er sich aufgeregt habe, weil er dorthin nicht mehr gehen dürfe. Er lebe von der Unterstützung durch eine Hilfsorganisation. Einen Reisepass besitze er nicht. An Familienmitgliedern befänden sich sein Bruder und ein Cousin in Österreich, seine Angehörigen leben in Marokko.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF seit 2016 verpflichtet gewesen sei, Österreich zu verlassen. Dieser Ausreiseverpflichtung sei er jedoch nicht nachgekommen und verfüge auch nicht über finanzielle Mittel oder einen ordentlichen Wohnsitz. Einer geregelten Beschäftigung gehe er nicht nach. Auf Grund des Verhaltens des BF sei auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG von erheblicher Fluchtgefahr auszugehen.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 07.02.2018 durch persönliche Übernahme zugestellt.

8. Am 19.03.2018 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu Fragen zu seiner Identität einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er nicht rückkehrwillig sei. Sein marokkanischer Reisepass sei ihm vom Schlepper abgenommen worden - in diesem Sinne habe er auch seine Aussage in seiner Erstbefragung gemeint, als er angegeben habe, er habe seinen Reisepass verloren. In Marokko befinde sich sein Personalausweis. Er lebe von der Unterstützung seiner Freunde, eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz besitze er nicht, Geld habe er nicht. Nach Marokko wolle er nicht zurückkehren.

9. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 27.04.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Die Probezeit auf Grund des Urteiles vom 23.05.2017 wurde auf fünf Jahre verlängert.

10. Am 16.05.2018 wurde das Bundesamt von der erneuten Anklageerhebung gegen den BF wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage gemäß § 288 Abs. 1 und Abs. 4 Strafgesetzbuch verständigt.

11. Der BF befand sich von 19.04.2018 bis 22.04.2018 und von 17.06.2018 bis 25.06.2018 in Hungerstreik.

12. Am 07.03.2018, 04.04.2018 und 02.05.2018 führte das Bundesamt jeweils eine Schubhaftprüfung durch. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2017, dem BF zugestellt durch persönliche Übergabe am 07.06.2017, wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

13. Das Bundesamt teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 03.07.2018, welches außerhalb der Amtsstunden einlangte, mit, dass beabsichtigt sei, die Schubhaft über den BF über einen Zeitraum von vier Wochen nach Feststellung der Verhältnismäßigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht aufrecht zu erhalten. Auf den bereits beim Bundesverwaltungsgericht aufliegenden Verwaltungsakt wurde verwiesen, ergänzende Unterlagen wurden nicht vorgelegt.

Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht teilte das Bundesamt mit, dass im Fall des BF zuletzt am 05.06.2018 eine Urgenz an die marokkanische Vertretungsbehörde übermittelt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.13.)

Der unter Punkt I.1. bis I.13. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität belegen. Er gibt an, marokkanischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Seine Identität steht nicht fest. Es bestehen keine Zweifel darüber, dass der BF volljährig ist. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.05.2017 rechtskräftig wegen versuchten Diebstahls, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung nach den §§ 105 Abs. 1, 125 und 127 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Dieser Verurteilung liegt eine Tat zu Grunde, die der BF am 17.01.2017 begangen hat.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 27.04.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß § 127 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Die Probezeit auf Grund des Urteiles vom 23.05.2017 wurde auf fünf Jahre verlängert. Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF am 14.01.2018 und 17.01.2018 begangen hat.

2.2. Der BF wird seit 07.02.2018 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.05.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 03.12.2015 vollinhaltlich abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gegen den BF getroffen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist und eine Frist für eine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018 mit der Maßgabe abgewiesen, dass jener Spruchpunkt, mit dem eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt worden war, behoben wurde. Dieses Erkenntnis wurde dem BF am 02.03.2018 zugestellt. Die Rückkehrentscheidung ist rechtskräftig und durchsetzbar.

3.2. Der BF ist noch vor Erlassung des Bescheides vom 10.05.2016 in die Schweiz ausgereist und hat dort am 04.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF hat sich damit seinem Asylverfahren in Österreich entzogen.

3.3. Der BF verfügt seit 28.06.2017 über keine Meldeadresse in Österreich. Er hat dem Bundesamt auch sonst keine Zustelladresse bekannt gegeben. Der BF ist untergetaucht und hat seine Abschiebung dadurch behindert.

3.4. Der BF befand sich von 19.04.2018 bis 22.04.2018 und von 17.06.2018 bis 25.06.2018 in Hungerstreik um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

3.5. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.6. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

3.7. In Österreich leben außer einem Bruder, der sich ebenfalls in Schubhaft befindet, und einem Cousin keine Familienangehörigen und keine engen Freunde des BF.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF ist unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist, hat sich seinem Asylverfahren entzogen und ist untergetaucht. Er verfügt weder über familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte in Österreich.

4.2. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde am 05.08.2016 eingeleitet. Bei der marokkanischen Botschaft wurde zuletzt am 05.06.2018 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF urgiert. Eine Vorführung des BF vor die marokkanische Vertretungsbehörde ist nicht vorgesehen, da er über keine Dokumente verfügt. Vorführungen finden grundsätzlich nur in Einzelfällen statt. Der BF hat am 19.03.2018 ein Formular mit ergänzenden Informationen zu seiner Identität ausgefüllt. Es sind noch Erhebungen der marokkanischen Behörden in Marokko erforderlich, die drei bis vier Monate, in Ausnahmefällen auch länger, dauern können. Da in Fallkonstellationen wie jener des BF Heimreisezertifikate durch die marokkanische Vertretungsbehörde ausgestellt werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch für den BF ein Ersatzreisedokument ausgestellt wird. Zwischen dem Bundesamt und der marokkanischen Vertretungsbehörde ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit gegeben.

4.3. Der BF verfügt laut seiner Aussage vom 19.03.2018 über einen marokkanischen Personalausweis, der sich in Marokko befindet. Da der BF diesen Ausweis bisher nicht vorgelegt hat, behindert und verzögert er das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

4.4. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates scheint eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung möglich.

4.5. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 07.02.2018 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2196374-1, die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach vier Monaten betreffend, und zu den Zahlen 2127234-1 und 2127234-2, das Asylverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2196374-1, die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach vier Monaten betreffend, sowie zu den Zahlen 2127234-1 und 2127234-2, das Asylverfahren des BF betreffend.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Daraus ergibt sich, dass der BF keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebensowenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde vollinhaltlich abgewiesen, dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der BF ist daher weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.3. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie die im Akt des Bundesamtes einliegende gekürzte Urteilsausfertigung vom 27.04.2018.

1.4. Dass der BF seit 07.02.2018 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Haftfähigkeit des BF beruhen auf dem im Zuge seiner Anhaltung am 06.02.2018 erstellten amtsärztlichen Gutachten, sowie den Aussagen des BF in seinen Einvernahmen am 06.02.2018 und 19.03.2018, in denen er jeweils angab, gesund zu sein.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Abweisung des Antrags des BF auf internationalen Schutz vom 03.12.2015 sowie der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zl. 2127234-1 und 2127234-2, das Asylverfahren des BF betreffend.

2.2. Aus dem Zentralen Fremdenregister, in dem die Eurodac-Treffer bezüglich des BF enthalten sind, ergibt sich, dass er am 04.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz gestellt hat. Da zu diesem Zeitpunkt das Asylverfahren des BF noch in erster Instanz anhängig war, steht fest, dass er sich seinem Verfahren in Österreich entzogen hat.

2.3. Dass der BF seit 28.06.2017 über keine Meldeadresse verfügt steht auf Grund der Angaben im Zentralen Melderegister fest. Dafür, dass er dem Bundesamt eine Zustelladresse bekannt gegeben hätte, findet sich im Verfahrensakt kein Hinweis. Dass der BF untergetaucht ist um seine Abschiebung zu behindern, ergibt sich nicht nur aus der mangelnden Erreichbarkeit sondern auch dadurch, dass sich der BF trotz Aufforderung nach seiner Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft am 11.01.2018 nicht nach den Bestimmungen des Meldegesetzes angemeldet hat. Auf Grund dieses Verhaltens steht in Zusammenschau mit den Aussagen des BF in seinen Einvernahmen vom 06.02.2018 und 19.03.2018, in denen er jeweils ausdrücklich angegeben hat, nicht nach Marokko zurückkehren zu wollen, fest, dass er sich bewusst der Behörde entzogen hat.

2.4. Die Feststellungen zum Hungerstreik konnten auf Grund der Eintragungen in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres getroffen werden.

2.5. Die Feststellungen zur familiären, sozialen und beruflichen Verankerung des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben in den Einvernahmen vom 06.02.2018 und 19.03.2018. Darin gibt er jeweils übereinstimmend an, dass sich mit Ausnahme seines - ebenfalls in Schubhaft angehaltenen - Bruders und eines Cousins keine Familienangehörigen in Österreich befinden, er keinen Beruf ausübt und über kein Geld verfügt. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines nennenswerten sozialen Netzes finden sich im Akt nicht und wurden auch vom BF keinerlei Angaben gemacht, die auf eine soziale Verankerung schließen lassen. Er nennt in seiner Einvernahme vom 06.02.2018 zwar Freunde, bei denen er geschlafen habe, doch hat eine telefonische Erhebung des Bundesamtes an der vom BF angegebenen Adresse ergeben, dass er auf Grund aggressiven Verhaltens ein unbefristetes Hausverbot in der dort befindlichen Einrichtung hat.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Dass der BF unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, ergibt sich aus seinen Angaben im Verfahren, wonach er sein Reisedokument vor seiner Einreise in Österreich verloren habe bzw. ihm dieses von seinem Schlepper abgenommen worden sei.

3.2. Die Feststellungen zum Verfahren über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beruhen auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 22.05.2018 sowie der am 04.07.2018 vorgelegten Liste über die erfolgten Urgenzen bei der marokkanischen Vertretungsbehörde. Dass der BF am 19.03.2018 ein Formular mit ergänzenden Angaben zu seiner Identität ausgefüllt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

3.3. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 19.03.2018 räumt der BF ein, dass er einen marokkanischen Personalausweis besitzt, der sich jedoch in Marokko befindet. Dem BF wurde daraufhin mitgeteilt, dass die Vorlage dieses Ausweises sein Verfahren beschleunigen würde. Trotzdem wurde vom BF dieses Dokument nicht einmal in Kopie vorgelegt.

3.4. Im Akt finden sich keine Hinderungsgründe, dass nach Erlangung eines Heimreisezertifikates eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF möglich ist.

3.5. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 07.02.2018 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit einer Abschiebung des BF ist insofern zu rechnen, als das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bereits im Jahr 2016 nach Erlassung der Rückkehrentscheidung eingeleitet wurde und von der marokkanischen Vertretungsbehörde bisher nicht mitgeteilt wurde, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde. Die Dauer des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ist durch Umstände begründet, die aus dem Verhalten des BF selbst resultieren, da er bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen, obwohl sich sein Personalausweis in Marokko befindet. Mit der Abschiebung des BF ist zeitnahe nach Vorliegen des Heimreisezertifikates zu rechnen, weshalb die Anordnung von Schubhaft bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen im Fall des BF grundsätzlich möglich ist.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF verfügt seit 28.06.2017 über keine Meldeadresse in Österreich, eine Zustelladresse hat er dem Bundesamt nicht bekannt gegeben. Der BF ist in Österreich untergetaucht und hat dadurch seine Abschiebung zumindest behindert. Damit hat er aber auch den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, auch zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Der BF hat das Bundesgebiet kurze Zeit nach seiner Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 03.12.2015 verlassen und am 04.03.2016 einen Asylantrag in der Schweiz gestellt. Dadurch hat er sich jedoch dem beim Bundesamt anhängigen Verfahren auf Grund seines Antrages vom 03.12.2015 entzogen. Durch das Verhalten des BF ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt. Durch das Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung wird die Gefahr des Untertauchens auf Grund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums noch erhöht.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt in Österreich außer seinem ebenfalls in Schubhaft angehaltenen Bruder und einem Cousin über keine Familienangehörigen und kein nennenswertes soziales Netz. Er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, bezieht kein Einkommen, besitzt kein Vermögen und verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es ist daher von keinen Umständen im Sinne der genannten Bestimmung auszugehen, die gegen das Vorliegen von Fluchtgefahr sprechen.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf, er ist wenige Monate nach seiner Einreise nach Österreich in die Schweiz weitergereist und hat sich damit seinem Asylverfahren in Österreich entzogen. Es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und er ist seit 28.06.2017 untergetaucht, um seine Abschiebung zu behindern. Er hat bereits zwei Mal versucht, durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeizuführen, um so seine Entlassung aus der Schubhaft zu erzwingen. Beweismittel, die seine Identität bescheinigen und die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes erleichtern, hat der BF bisher nicht vorgelegt, obwohl er über einen Personalausweis verfügt, der sich in Marokko befindet. Der BF ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert.

Es ist daher auch von Sicherungsbedarf auszugehen, da das Verfahren nicht ergeben hat, dass der BF nach seiner Freilassung nicht wieder untertauchen werde um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

3.1.7. Da bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, reichen in diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178). Es liegt daher auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.8. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat nur schwache familiäre und keine sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach. Er hat Österreich während seines vor dem Bundesamt anhängigen Asylverfahrens verlassen und ist zuletzt untergetaucht, um seine Abschiebung zu behindern. Am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wirkt der BF insofern nicht mit, als er den in Marokko befindlichen Personalausweis bisher weder im Original noch in Kopie vorgelegt hat. Während seiner Anhaltung in Schubhaft hat der BF zwei Mal versucht durch Hungerstreik seine Freilassung zu erzwingen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt. Der BF weist zwei Vorstrafen wegen versuchten Diebstahls auf. Bemerkenswert ist, dass der BF jene Straftaten, die zu seiner Verurteilung mit Urteil vom 27.04.2018 geführt hat, im Jänner 2018 begangen hat, obwohl er bereits mit Urteil vom 23.05.2017 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war. Da der BF auch durch eine bereits erfolgte Bestrafung nicht von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abgehalten werden konnte und auf Grund seiner Mittellosigkeit die Gefahr besteht, dass er weitere Vermögensdelikte begeht, besteht ein hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und auch durch die Verhängung von Freiheitsstrafen nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegt werden kann. Im Verfahren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändern wird.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bedingt. Dass sich die Erlangung dieses Dokumentes verzögert, ist dem Verhalten des BF zuzurechnen, da er bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen, obwohl er über einen marokkanischen Personalausweis verfügt.

Das Bundesamt kommt seiner Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich aufrecht zu halten insofern nach, als regelmäßig die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der marokkanischen Vertretungsbehörde urgiert wird. Da vor Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF noch Erhebungen durch die marokkanische Polizei vor Ort erforderlich sind und diese etwa drei bis vier Monate und in Einzelfällen auch längere Zeit dauern, ist derzeit davon auszugehen, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF möglich ist. Gegenteiliges wurde von der marokkanischen Vertretungsbehörde bisher nicht mitgeteilt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.9. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache dass er sich seinem Asylverfahren bereits entzogen hat, zuletzt untergetaucht war, um seine Abschiebung zu behindern und bereits zwei Mal versucht hat, durch Hungerstreik seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und von der marokkanischen Vertretungsbehörde eine Überprüfung der Identitätsdaten des BF durchgeführt wird.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nicht in Betracht.

3.1.10. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Asylantragstellung, Fluchtgefahr, Fortsetzung der
Schubhaft, mangelnder Anknüpfungspunkt, Meldeverstoß, Mitgliedstaat,
Mitwirkungspflicht, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen, Verfahrensentziehung,
Verhältnismäßigkeit, Verwaltungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2196374.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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