TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/28 97/02/0245

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67g Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des RT in K, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Graz, Pestalozzistraße 1/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 15. April 1997, Zl. UVS 30.8-126/96-22, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.950.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 2. Juli 1996 wurde unter Spruchpunkt 1 ausgeführt, es sei anlässlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat Graz am 2. Mai 1994 in einer näher genannten Spezialpappenfabrik an einem näher genannten Ort in der Steiermark festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG und als zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Spezialpappenfabrik unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass die arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden seien, weil die Zubringervorrichtung des Scharnierautomaten in der "Final II Abteilung" im laufenden Zustand abgedeckt werde, obwohl Quetsch-, Scher-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen durch Schutzmaßnahmen, wie sofort wirkende Notschaltvorrichtungen, gesichert sein müssten. Beim Wegschwenken der Abdeckung sei die Zubringervorrichtung nicht außer Betrieb gesetzt worden bzw. habe sich diese noch vor ordnungsgemäßer Anbringung der Schutzmantelung in Betrieb nehmen lassen.

An der Hebelpresse - so die BH in Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses weiter - in der "Abteilung Final II" sei das Presswerkzeug nicht gegen gefahrbringende Berührung abgesichert gewesen. Eine entsprechende Schutzvorrichtung gegen gefahrbringendes Berühren sei nicht vorhanden gewesen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu Spruchpunkt 1 § 35 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (kurz: AAV), BGBl. Nr. 218/1983, in Verbindung mit "§ 31 Abs. 2 lit. p", und zu Spruchpunkt 2 § 35 Abs. 1 AAV in Verbindung mit "§ 31 Abs. 2 lit. p" übertreten, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die belangte Behörde wies die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe ab, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber bestraft werde und die übertretene Rechtsvorschrift richtig "§ 31 Abs. 2 lit. p ASchG, BGBl. Nr. 234/1972" zu lauten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, der angefochtene Bescheid sei entgegen § 67g AVG von der belangten Behörde nicht verkündet, sondern bloß schriftlich ausgefertigt worden. Er habe das Recht, den Bescheid verkündet zu erhalten, wie dies einem tragenden Prinzip des (Verwaltungs-) Strafrechts entspreche. Der angefochtene Bescheid sei daher schon mangels Verkündung "unwirksam und dessen schriftliche Ausfertigung aufzuheben".

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 (sohin vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) ist der Bescheid samt der wesentlichen Begründung öffentlich zu verkünden. Wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, dann kann die öffentliche Verkündung des Bescheides unterbleiben, sofern die Einsichtnahme in den Bescheid jedermann gewährleistet ist. Gleiches gilt, wenn der Bescheid nicht unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung gefällt wird und alle anwesenden Parteien auf die Verkündung verzichten.

Der Behauptung der "Unwirksamkeit" des angefochtenen Bescheides ist entgegenzuhalten, dass dieser zwar nicht verkündet, jedoch auch gegenüber dem Beschwerdeführer durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung wirksam wurde (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes,

7. Auflage, RN 197). Wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, hat vor der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung (an zwei verschiedenen Tagen) stattgefunden. Ein Verzicht aller anwesenden Parteien auf eine Verkündung der Berufungsentscheidung der belangten Behörde kann den vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere den aufgenommenen Verhandlungsschriften, nicht entnommen werden. In der erstatteten Gegenschrift begründet die belangte Behörde die Unterlassung der mündlichen Verkündung des angefochtenen Bescheides mit der drohenden Verjährung "des gegenständlichen Verwaltungsstrafaktes".

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. September 1996, Zl. 96/03/0045, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, erweist sich ein Bescheid bei einem gleich gelagerten Sachverhalt wie dem vorliegenden als inhaltlich rechtswidrig (vgl. gleichfalls zur Rechtslage vor der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 auch das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/03/0071), weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Es erübrigt sich daher auch ein näheres Eingehen auf das sonstige Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997020245.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten