TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/6 W171 2195920-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2018
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Entscheidungsdatum

06.07.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W171 2195920-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria alias Liberia, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx und Dr. Lennart BINDER LL.M, gegen die weitere Anhaltung aufgrund des gerichtlichen Fortsetzungsausspruchs vom 29.05.201, XXXX zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 29.05.2011 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2011 vollinhaltlich abgewiesen und der BF aus Österreich nach Nigeria ausgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.12.2011 abgewiesen. Ein sprachanalytisches Gutachten vom 30.09.2011 ergab, dass der sprachliche Hintergrund des BF mit sehr hoher Sicherheit in Nigeria und mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit in Liberia liegt.

2. Am 09.08.2013 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz.

3. Am 07.10.2013 stellte der BF nach seiner Überstellung aus der Schweiz seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.10.2013 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und der BF aus Österreich nach Nigeria ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.11.2013 abgewiesen.

4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 19.05.2015 wurde der BF nach §§ 27 Abs. 1 8. Fall, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 1 1. Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wovon 8 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurden, verurteilt. Die letzte dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat beging der BF am 26.11.2014.

5. Mit Ladungsbescheid vom 08.10.2015 wurde der BF zu einem Termin zur Feststellung seiner Identität zur Vertretungsbehörde Liberias geladen. Diesen Bescheid behob der BF jedoch nicht und konnte an seiner Meldeadresse von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes trotz zahlreicher Versuche nicht persönlich angetroffen werden.

6. Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes vom 12.05.2017 wurde der BF neuerlich zu einem Termin zur Erlangung eines Heimreisezertifikates geladen. Eine Zustellung dieses Bescheides an den BF war nicht möglich. Auch die Zustellung des Ladungsbescheides des Bundesamtes vom 27.10.2017 an den BF war nicht möglich und teilte die um Zustellung dieser Bescheide ersuchte Landespolizeidirektion mit Schreiben vom 10.11.2017 dem Bundesamt mit, dass eine Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokumentes am 27.10.2017 unbeachtet geblieben sei und der BF weder an seiner Meldeadresse anwesend noch postalisch erreichbar sei. Hinweise zum Aufenthaltsort habe die Landespolizeidirektion nicht in Erfahrung bringen können.

7. Am 10.03.2018 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in XXXX aufgegriffen. Dabei versteckte sich der BF zuerst und versuchte anschließend zu flüchten. Seiner Festnahme widersetzte sich der BF durch körperliche Angriffe gegen die einschreitenden Organe und verletzte dabei einen Polizisten. Der BF wurde gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt.

8. Der BF wurde am 10.03.2018 vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er gesund sei und sich in Österreich befinde um zu arbeiten. Er wolle in Österreich bleiben. An Verwandten und Freunden befänden sich seine Kirchenmitglieder und seine Freunde in Österreich. Er sei liberianischer Staatsangehöriger und wohne an einer von seiner Meldeadresse verschiedenen Adresse in Österreich. Er werde von seiner Kirche unterstützt und erhalte Essen von einer Hilfsorganisation. Er sei immer an seiner Meldeadresse aufhältig und wisse nicht, warum ihn die Polizei ihn nicht habe antreffen können. Er sei auch von der Polizei kontrolliert worden.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.03.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass Fluchtgefahr bestehe, da der BF höchst mobil sei, zwischenzeitlich auch in der Schweiz einen Asylantrag gestellt habe, illegal nach Italien gereist sei und von Italien mit einem Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum belegt worden sei. Der BF sei zwar in Österreich polizeilich als obdachlos gemeldet, lebe aber im Untergrund, entziehe sich dem Verfahren und den Behörden, um seine Abschiebung zu verhindern. Seinen Lebensunterhalt finanziere er sich nur durch Zuwendungen der Kirche. Aus diesem Grund sei die Entscheidung verhältnismäßig und werde der BF ehestens der nigerianischen Botschaft vorgeführt, um nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates - welches die nigerianische Botschaft grundsätzlich ausstelle - zeitnah die Abschiebung zu organisieren.

Aus der persönlichen Lebenssituation und dem Vorverhalten des BF könne geschlossen werden, dass eine Verfahrensführung, während der sich der BF in Freiheit befinde, ausgeschlossen sei. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne daher nicht das Auslangen gefunden werden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 10.03.2018 durch persönliche Übergabe zugestellt.

10. Am 23.03.2018 wurde der BF der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wobei bekannt gegeben wurde, dass für die Bestätigung der nigerianischen Staatsangehörigkeit bzw. der Widerlegung der Staatsangehörigkeit Liberias zusätzliche Nachweise erforderlich seien.

11. Am 30.04.2018 wurde ein Telefoninterview des BF mit der liberianischen Vertretungsbehörde durchgeführt, wobei von der liberianischen Vertretungsbehörde mitgeteilt wurde, dass der BF kein Staatsbürger Liberias sei, da er nicht einmal gewusst habe, zu welchem Stamm er gehöre.

12. Am 22.05.2018 erhob der BF Beschwerde gegen seine weitere Anhaltung in Schubhaft. Begründend brachte er vor, dass die Anhaltung unverhältnismäßig sei, da er seit 10.03.2018 in Schubhaft angehalten werde und trotz Vorführungen zu den liberianischen und nigerianischen Vertretungsbehörden keine konkrete Aussicht auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates bestehe. Der Zweck der Schubhaft könne daher nicht erreicht werden, weshalb die weitere Anhaltung unverhältnismäßig sei. Darüber hinaus sei eine Fluchtgefahr als Voraussetzung für die Schubhaft bzw. ein gelinderes Mittel nicht erkennbar. Der BF sei für die Behörden immer erreichbar gewesen, da er über eine Meldeadresse verfügt habe.

Wenn dem BF vorgeworfen werde, dass er versucht habe sich seiner Festnahme zu entziehen, so sei dies damit zu begründen, dass er in Westafrika sozialisiert worden sei, wo allgemein große Angst vor herbeistürmenden Polizisten herrsche.

Der Schubhaftbescheid sei ohne jegliches Ermittlungsverfahren erlassen worden, die fortlaufende Überprüfung der Verhältnismäßigkeit des Mandatsbescheides sei gesetzlich nicht einmal vorgesehen.

Fehlende Ausreisewilligkeit könne für sich allein entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verhängung der Schubhaft nicht rechtfertigen.

Aus dem tatsächlichen Verhalten des BF lasse sich keine Fluchtgefahr ableiten. Dass der BF gegenüber der Behörde etwas verheimlicht habe oder besonderes Interesse habe unterzutauchen sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass der BF seinen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzen wolle.

Allenfalls könne mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden.

Der BF beantragte die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und der Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten entsprechend der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung zu ersetzen.

Da der Beschwerde keine Vollmacht des BF angeschlossen war, wurde am 22.05.2018 vom Bundesverwaltungsgericht ein Auftrag zur Mangelbehebung erlassen. Die Vollmacht wurde am 24.05.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

13. Das Bundesamt legte am 22.05.2018 und am 25.05.2018 den Verwaltungsakt vor, gab am 22.05.2018 eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder als unzulässig zurückzuweisen, gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den BF zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.

14. Am 25.05.2018 wurde der BF neuerlich der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Dabei wurde bestätigt, dass es sich beim BF um einen nigerianischen Staatsangehörigen handle und die ehest mögliche Ausstellung eines Heimreisezertifikates in Aussicht gestellt.

15. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, zu der der Rechtsvertreter des BF trotz rechtzeitiger nachweislicher Ladung unentschuldigt nicht erschienen ist. Vor Eröffnung der Verhandlung wurde telefonisch beim Rechtsvertreter des BF nachgefragt, ob eine Teilnahme an der Verhandlung erfolgen werde. Ein Vertreter des Rechtsvertreters teilte daraufhin mit, dass eine Verhandlungsteilnahme vorgesehen sei. Er werde seinerseits versuchen, den eingeteilten Vertreter telefonisch zu erreichen, was jedoch - laut telefonischer Mitteilung des Vertreters des Rechtsvertreters - nicht möglich war. Eine weitere Mitteilung des Rechtsvertreters, ob ein Vertreter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde, erfolgte nicht. Mit der Eröffnung der mündlichen Verhandlung wurde zugewartet. Der BF wurde ausdrücklich dazu befragt, ob er der Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit seines Rechtsvertreters zustimme, was vom BF bejaht wurde. Ein Vertreter seines Rechtsvertreters erschien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht.

Der BF gab bei seiner Befragung im Wesentlichen an, dass er aus Liberia stamme. Er könne keine Angaben zu Liberia machen, da er mit seiner Mutter Liberia sehr früh verlassen habe und seine Mutter habe ihm nicht viel über Liberia erzählen können. Deshalb habe er die detaillierten Fragen bei der Telefonbefragung durch die liberianische Vertretungsbehörde nicht beantworten können. Der BF verfüge in Österreich über keine Familienangehörigen und habe keine Familie. Er habe Bekannte, die Kirchenmitglieder seiner Kirche seien. Er habe etwa zwei Jahre lang ohne Arbeitsbewilligung als Zeitungszusteller gearbeitet und diese Tätigkeit drei Monate vor seiner Festnahme aufgegeben. Eine weitere Tätigkeit habe er seither nicht ausgeübt. Er besitze kein Vermögen und habe seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit als Zeitungszusteller finanziert. Zusätzlich habe er Essensspenden erhalten. Er könne in seiner Kirche übernachten und habe das auch manchmal während gewisser Veranstaltungen gemacht. Er leide an keinen Krankheiten und nehme keine Medikamente ein. Über Dokumente, die seine Identität bescheinigen, verfüge er nicht und habe er derartige Dokumente auch nie besessen. Er habe im Jahr 2013 in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sei jedoch nach Österreich abgeschoben worden. In Italien habe er sich zwei Tage aufgehalten, da er dort auf eine Party habe gehen wollen. Dass Italien gegen ihn ein Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum erlassen habe, sei ihm nicht bewusst gewesen. Seine Meldeadresse in Österreich könne er nicht angeben, er sei jedoch dort gemeldet gewesen. Konkret nach jener Adresse befragt, die er bei seiner Einvernahme am 10.03.2018 angegeben hatte, führte der BF aus, dass er sich damals vielleicht nicht an die korrekte Adresse habe erinnern können. Bei seiner Festnahme am 10.03.2018 habe er beabsichtigt, sich zwei Tage lang wegen einer Kirchenveranstaltung an jenem Ort, an dem er festgenommen wurde, aufzuhalten.

Seine im Zentralen Melderegister aufscheinende Zustelladresse habe er regelmäßig, längstens alle zwei Wochen, aufgesucht, um seine postalische Erreichbarkeit sicherzustellen. An dieser Adresse habe er eine dauerhafte Wohnmöglichkeit, habe sein Zimmer jedoch mit einem zweiten Mitbewohner teilen müssen, weshalb er immer öfter auswärts geschlafen habe. Er habe bei jener Person geschlafen, mit der er als Zeitungszusteller gearbeitet habe.

Auf den Vorhalt, dass es nicht möglich war, ihm drei Ladungsbescheide des Bundesamtes zuzustellen, gab der BF an, dass er diese Ladungen erhalten und seinem Anwalt gezeigt habe. Dieser habe ihm gesagt, dass ihn die Polizei einlade, um ein Dokument zu erhalten. Sein Anwalt habe ihm gesagt, dass er einen Brief schreiben werde, damit Ladungen in Zukunft direkt an ihn übermittelt werden.

Er habe bei der zuständigen Polizeiinspektion auch bestätigt, dass er die drei genannten Ladungen erhalten habe.

Auf Vorhalt des Schreibens der Landespolizeidirektion vom 10.11.2017, wonach die Ladung vom 27.10.2017 nicht habe zugestellt werden können, da der BF die Abgabestelle nicht benütze und auch sonst keine Anhaltspunkte für seinen Aufenthaltsort vorlägen, gab der BF an, dass er zwei Ladungen empfangen habe und sein Anwalt ihm daraufhin mitgeteilt habe, dass er die Behörde kontaktieren werde um in Zukunft Ladungen direkt zugestellt zu erhalten.

Vor seiner Festnahme am 10.03.2018 sei er vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes geflohen, da er einige Tage vor seiner Festnahme von Unbekannten attackiert worden sei und deshalb in Schock geraten sei, als er die Polizisten gesehen habe. Er habe sich vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch nicht versteckt und habe auch keine körperliche Gewalt angewendet um sich seiner Festnahme zu entziehen.

Nach Nigeria wolle er nicht ausreisen, da er nicht aus Nigeria stamme. Einem gelinderen Mittel in Form einer periodischen Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion würde er nachkommen. Im Fall seiner Entlassung aus der Schubhaft werde er sich eine Wohnung suchen sowie seine Telefonnummer und die Telefonnummer seines Anwalts und dessen Adresse hinterlegen.

Das Gericht verkündete die Abweisung der Beschwerde und die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft.

16. Mit Schreiben vom 06.06.2018 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des am 29.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses, welche bereits übermittelt wurde.

17. Am 03.07.2018 legte das BFA den Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung nach § 22 a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin Fluchtgefahr des BF bestehe. Bereits im Mai 2018 sei der seinerzeitige Schubhaftbescheid vom 10.03.2018 in Beschwerde gezogen worden und habe das BVwG mit Urteilsverkündung vom 29.05.2018 die Rechtmäßigkeit der Verhängung und Fortsetzung der gegenständlichen Schubhaft geprüft und bestätigt. In der Zwischenzeit sei von der Nigerianischen Botschaft ein gültiges Heimreisezertifikat für den BF übermittelt worden, welches noch bis zum 30.08.2018 gültig sei. Es sei beabsichtigt, den BF mittels Charterflug am XXXX nach Nigeria abzuschieben. Aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr und der gegebenen Verhältnismäßigkeit möge die Verlängerung der laufenden Schubhaft über die Viermonatsgrenze überprüft werden.

18. In weiterer Folge wurde dem Rechtsvertretung des BF die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme im Prüfverfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG eingeräumt.

19. Eine Stellungnahme wurde nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 10.03.2018 in Schubhaft. Die gesetzliche Viermonatsfrist läuft am 10.07.2018, die gerichtliche Entscheidungsfrist am 11.07.2018 ab.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.05.2018 für rechtmäßig erklärt und die für die Fortsetzung der Schubhaft erforderlichen Voraussetzungen für gegeben erachtet. Eine Änderung wesentlicher Umstände in der laufenden Schubhaft seit des seinerzeitigen gerichtlichen Fortsetzungsausspruches hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF ist aktuell haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Der BF ist als Nigerianer identifiziert worden (Sprachgutachten, Botschaft).

3.2. Ein Heimreisezertifikat für Nigeria liegt vor. Eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF ist zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung absehbar.

3.3. Die Abschiebung ist für den XXXX geplant und in Vorbereitung.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Die beruflichen, familiären oder sonstigen sozialen Verhältnisse des BF in Österreich haben sich seit der Entscheidung des BVwG vom 29.05.2018 nicht verändert.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit mehrmals gegen verwaltungsrechtliche Verbote verstoßen und ist auch strafgerichtlich verurteilt worden. Er hat bisher trotz mehrerer ihn treffender Verbote das Land nicht in seinen Herkunftsstaat verlassen und sich nicht für eine Abschiebung bereitgehalten. Stattdessen hat er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag gestellt. Er hat auch Italien bereist, wurde aber nach Österreich rücküberstellt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG iVm § 22a Abs. 4 BFA-VG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 10.07.2018 fällt. Das Ende der gerichtlichen Entscheidungsfrist ist daher der 11.07.2018.

Zu. 1.2.: Aus dem Beschwerdeakt zu XXXX ergibt sich, dass mit Erkenntnis des BVwG vom 29.05.2018 nach eingehender Überprüfung und mündlicher Verhandlung gerichtlich festgestellt wurde, dass die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft mit Bescheid vom 10.03.2018 rechtmäßig gewesen ist. Darüber hinaus wird in diesem Verfahren festgestellt, dass auch die Voraussetzungen für eine Fortsetzung dieser Schubhaft vorgelegen sind. Aus dem gegenständlichen Schubhaftüberprüfungsverfahren ergibt sich insbesondere in Zusammensicht mit den sonstigen Angaben des Gerichtsakts, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich keine relevanten Änderungen in der Situation des BF, sowohl in familiärer Hinsicht, als auch in Hinsicht auf seine laufende Haft (Haftbedingungen) ergeben haben. Die Voraussetzungen für die laufende Haft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.10.2013 wurde der BF aus Österreich nach Nigeria ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.11.2013 abgewiesen. Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Zu 2.1.: Aus dem Akt ergibt sich kein Hinweis dafür, dass der Beschwerdeführer haftunfähig sein könnte. Eine anderslautende Stellungnahme liegt dem Gericht nicht vor. Es bestanden daher keine Anhaltspunkte für eine Annahme einer allfälligen Haftunfähigkeit. Aus der Anhaltedatei ergeben sich ebenso keine diesbezüglichen Hinweise.

Zu 3.1.: Aus dem Verfahrensakt zu XXXX ergibt sich, dass bereits im behördlichen Verfahren ein Sprachgutachten hinsichtlich der Herkunft des BF eingeholt wurde. Daraus war zu entnehmen, dass es sich beim BF mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Nigerianer handelt. Die Tatsache, dass die nigerianische Botschaft nunmehr auch bereit gewesen ist, ein Heimreisezertifikat für den BF auszustellen, zeigt klar, dass hinsichtlich der bislang zweifelhaften Herkunft des Beschwerdeführers nunmehr Klarheit eingetreten ist.

Zu 3.2. und 3.3.: Gemeinsam mit der Beschwerdevorlage wurde seitens der Behörde auch eine Kopie des vorliegenden Heimreisezertifikates vorgelegt. Den Ausführungen der Behörde in ihrer Vorlage folgend geht das Gericht in weiterer Folge von einer hohen Wahrscheinlichkeit der Abschiebung am geplanten Termin XXXX aus. Es liegen keine Gründe für die Annahme vor, dass am diesem Tag die Abschiebung des BF nicht durchgeführt werden könnte.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus einem Vergleich der seinerzeit im Rahmen des ersten Beschwerdeverfahrens festgestellten Verhältnisse mit den nunmehr vorliegenden Verhältnissen. Das Gericht stellte seinerzeit fest, dass dem BF nicht in der Art ausreichend sozial verankert sei, sodass eine erhebliche Fluchtgefahr daraus nicht mehr ableitbar wäre. In diesem Punkt hat sich im gegenständlichen Verfahren auch keine Änderung ergeben. Es muss daher weiterhin von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen werden, da das laufende Verfahren eine sonstige inzwischen eingetretene soziale bzw. berufliche Integration nicht ergeben hat.

Zu 5.1.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der BF aufgrund eines rechtsgültigen Titels bereits im Jahr 2013 aus Österreich ausgewiesen wurde und ein Einreise-/Aufenthaltsverbot ins Schengengebiet seitens Italiens verhängt wurde. Er hat in Österreich weiters einen Folgeantrag und in der Schweiz einen Erstasylantrag gestellt und stellt sich daher auch im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung klar dar, dass sich der BF an keine Regeln bzw. Verbote im Inland hält. Das Gericht konnte daher im gegenständlichen Fall weiterhin von einem erhöhten öffentlichen Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.2. Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse zeigt sich, dass diesbezüglich keine Veränderungen seit der Entscheidung des BVwG vom 29.05.2018 eingetreten sind. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF auch weiterhin nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich nach wie vor nicht gegeben sind um das Bestehen von Fluchtgefahr in Zweifel zu ziehen oder eine andere Art der verlässlichen Sicherung der baldigen Abschiebung erreichen zu können.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt wäre, zumal hiezu weder Anhaltspunkte vorlagen, noch Vorbringen erstattet wurden.

Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass im vorliegenden Fall von einer zügigen Außerlandesbringung noch im Juli 2018 auszugehen ist. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung der Schubhaft durch Überschreitung der Viermonatsfrist des § 80 FPG weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Viermonatsfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.

3.2.0. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Das BVwG hat seine seinerzeitigen, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und hat das laufende Prüfverfahren in diesen Punkten keine Änderungen ergeben.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität,
Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtmitteldelikt, Überprüfung, Verhältnismäßigkeit, Verschleierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2195920.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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