TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/26 E4261/2017

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Veröffentlicht am 26.06.2018
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

VereinsG 2002 §11, §12
FührerscheinG-DurchführungsV §6 Abs2
EMRK Art11 Abs2
SanitäterG §45

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtgestattung der Gründung eines Vereins; Möglichkeit der Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen zur Erlangung einer Lenkberechtigung nur durch bestimmte, taxativ aufgelistete Institutionen keine Verletzung der Vereinsfreiheit

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 zeigte der Beschwerdeführer bei der Landespolizeidirektion (im Folgenden: LPD) Tirol die Errichtung des Vereins "Lebensrettende Sofortmaßnahmen im Straßenverkehr" unter Vorlage der Vereinsstatuten an.

Die vorgelegten Statuten lauten auszugsweise (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen) wie folgt:

"§2: Zweck

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt ausschließlich die Unterweisung seiner Mitglieder in lebensrettende Sofortmaßnahmen gemäß §64 Abs2 KFG iVm §6 FSG-DV und Ausstellung einer Bescheinigung, zum Zwecke des Führerscheinerwerbs gem. §6 Abs2 FSG-DV ohne eine Institution iSd §6 Abs2 Z1 – 8 FSG-DV in der geltenden Fassung darzustellen."

2.       Nach Aufforderung zur Stellungnahme im Rahmen eines Verbesserungsauftrags teilte der Beschwerdeführer der LPD Tirol weiters betreffend den Vereinszweck Folgendes mit:

"Zweck ist es den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen (selbstverständlich auch älteren Personen, soweit für den Führerscheinerwerb notwendig) die Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen mittels eines mehrstündigen Unterrichts durch geschultes Personal zu vermitteln gem. §64 Abs2 KFG iVm §6 Fsg-Dv. Es soll eine Bescheinigung gem. §6 Abs2 Fsg-DV ausgestellt werden (also einen Nachweis für die Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen, wie [i]hn §64 Abs2 KFG vorsieht). Der Verein geht aber weder Kooperationen mit den in §6 Abs2 Fsg-DV erwähnten Institutionen ein, noch soll der Verein einen eigenständigen Rettungsdienst darstellen bzw. eine zur Ausbildung zum Rettungssanitäter befugte Institution darstellen."

3.       Die LPD Tirol gestattete mit Bescheid vom 18. Juli 2017 die Gründung des besagten Vereins gestützt auf §12 Abs1 des Vereinsgesetzes 2002 (im Folgenden: VerG) iVm Art11 Abs2 EMRK nicht. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Vereinszweck beinhalte, Bescheinigungen gemäß §6 Abs2 der Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung (im Folgenden: FSG-DV) auszustellen, ohne eine der in §6 Abs2 Z1 bis 8 FSG-DV taxativ aufgelisteten Organisationen darzustellen, denen diese Tätigkeit vorbehalten sei.

4.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (im Folgenden: LVwG) Tirol, welches diese mit angefochtenem Erkenntnis vom 2. November 2017 mit im Wesentlichen gleicher Begründung abwies.

5.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten ausschließlich wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich §6 Abs2 FSG-DV, und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"§6 Abs2 FSG-DVO schränkt die Freiheit der Erwerbsausübung […] ein. Ein Gesetz verletzt dieses Grundrecht, wenn kein öffentliches Interesse am Bestand des Gesetzes besteht, es ungeeignet ist, das öffentliche Interesse zu verwirklichen, es nicht erforderlich ist oder schlicht nicht adäquat ist. Als öffentliches Interesse könnte hier die kompetente Durchführung der Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen sein. §6 Abs2 FSG-DVO ist durchaus geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, allerdings sind im Sinne der Sicherung der Gesundheit bei Unfällen weitaus gelindere Mittel adäquater.

Die derzeitige Regelung geht weit über das öffentliche Interesse hinaus. Dieses könnte bereits dadurch verwirklicht werden, dass nur qualifiziertes Personal bzw der verantwortliche Rechtsträger derartige Unterweisungen anbieten darf. De facto halten bei Rettungsdiensten ebenfalls besonders ausgebildete Personen derartige Schulungen ab (§6 Abs5). Eine Verpflichtung, dass ein vollständiger Rettungsdienst eingerichtet werden muss, um derartige Unterweisungen abzuhalten, ist unter Gesamtbetrachtung unverhältnismäßig, da die persönliche Qualifikation durch das Betreiben einer Rettungswache nicht gesteigert wird. Da die Themen, die in einem derartigen Kurs vermittelt werden müssen, bereits gesetzlich vorgegeben sind (§6 Abs1), ist auch materiell keine derartig starke Einschränkung des Grundrechtes gerechtfertigt.

Des Weiteren beruht das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol […] auf einem gleichheitswidrigen Gesetz. […]

§6 Abs2 FSG-DVO nennt explizit Organisationen, die derartige Unterweisungen abhalten dürfen, dies jedoch ohne auf aktuelle Betätigungen der Organisation Bedacht zu nehmen bzw zu überprüfen, ob die Voraussetzungen gemäß §45 SanG immer noch vorliegen. Dies stellt eine rechtliche Ungleichbehandlung von gleichen Sachverhalten dar, da eine nicht gelistete Hilfsorganisation somit beweisen muss, dass sie die Voraussetzungen erfüllt, während die genannten Organisationen keinen Nachweis erbringen müssen.

[…] Da das Erkenntnis auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht, verletzt es auch das Grundrecht auf Vereinsfreiheit."

6.       Die LPD Tirol und das LVwG Tirol haben die Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vorgelegt. Die LPD Tirol erstattete zudem eine Gegenschrift.

II.      Rechtslage

1.       §12 des Bundesgesetzes über Vereine, BGBl I 66/2002, idF BGBl I 161/2013 (Vereinsgesetz 2002 – VerG), lautet:

"Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist

§12. (1) Die Vereinsbehörde hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art11 Abs2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, mit Bescheid zu erklären, dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre.

(2) Eine Erklärung gemäß Abs1 muss ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen vier Wochen nach Einlangen der Errichtungsanzeige bei der zuständigen Vereinsbehörde schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen.

(3) Ergibt eine erste Prüfung der vorgelegten Statuten Anhaltspunkte dafür, dass der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig sein könnte, so kann die Vereinsbehörde, wenn dies zur Prüfung dieser Fragen im Interesse eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens notwendig ist, die in Abs2 angeführte Frist mit Bescheid auf längstens sechs Wochen verlängern.

(4) Ein Bescheid gemäß Abs3 muss ohne unnötigen Aufschub schriftlich und unter Angabe der Gründe erlassen werden. Einer gegen einen solchen Bescheid erhobenen Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

(5) Ein Bescheid gemäß Abs1 gilt hinsichtlich der in Abs2 angeführten und allenfalls gemäß Abs3 verlängerten Frist auch dann als rechtzeitig erlassen, wenn seine Zustellung innerhalb dieser Frist an der in der Errichtungsanzeige angegebenen Abgabestelle versucht worden ist."

2.       Die §§2 und 3 des Bundesgesetzes über den Führerschein, BGBl I 120/1997, idF BGBl I 15/2017 bzw. idF BGBl I 74/2015 (Führerscheingesetz – FSG), lauten auszugsweise:

"Umfang der Lenkberechtigung

§2. (1) Die Lenkberechtigung darf nur für folgende Klassen von Kraftfahrzeugen gemäß §2 KFG 1967 erteilt werden:

1.-4. […]

5. Klasse B:

a) Kraftwagen mit nicht mehr als acht Plätzen für beförderte Personen außer dem Lenkerplatz und mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3500 kg,

b) dreirädrige Kraftfahrzeuge, sofern der Lenker das 21. Lebensjahr vollendet hat,

c) Krafträder der Klasse A1, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung für die Klasse B

aa) seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung für die Klasse B ist,

bb) sich nicht mehr in der Probezeit gemäß §4 befindet,

cc) nachweist, eine praktische Ausbildung im Lenken von derartigen Krafträdern absolviert zu haben und

dd) der Code 111 in den Führerschein eingetragen ist;

6.-15. […]

(1a) […]

(2) Das Ziehen eines Anhängers mit Kraftfahrzeugen der nachfolgend genannten Klassen ist in folgendem Umfang gestattet:

1. […]

2. mit einem Zugfahrzeug der Klasse B:

a) einen leichten Anhänger,

b) falls bei der Genehmigung der Fahrzeuge nichts anderes festgelegt worden ist einen anderen als leichten Anhänger, sofern die höchste zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination 3500 kg nicht übersteigt,

c) falls bei der Genehmigung der Fahrzeuge nichts anderes festgelegt worden ist einen anderen als leichten Anhänger, sofern die höchste zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination mehr als 3500 kg aber nicht mehr als 4250 kg beträgt; zum Ziehen solcher Anhänger ist die Absolvierung einer theoretischen und praktischen Ausbildung im Ausmaß von insgesamt sieben Unterrichtseinheiten erforderlich;

3.-10. […]

(3), (4) […]

(5) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung die näheren Bestimmungen über den Inhalt der Ausbildung gemäß Abs1 Z5 litc und Abs2 Z2 litc festzusetzen.

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§6),

2. verkehrszuverlässig sind (§7),

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§8 und 9),

4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§10 und 11) und

5. den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.

(1a) Eine Lenkberechtigung für die Klassen C1, C, D1 und/oder D darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller im Besitz der Lenkberechtigung für die Klasse B ist. Eine Lenkberechtigung für die Klassen BE, C1E, CE, D1E und/oder DE darf nur erteilt werden, wenn der Führerscheinwerber bereits im Besitz der Klassen B, C1, C, D1 und/oder D ist.

(2) Personen, denen eine Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen wurde, darf vor Ablauf der Entziehungsdauer keine Lenkberechtigung erteilt werden.

(3) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Gesundheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechend, durch Verordnung jene Institutionen zu benennen, die befugt sind, die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen abzuhalten, sowie die näheren Bestimmungen festzusetzen über:

1. den Inhalt und den zeitlichen Umfang der Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen gemäß Abs1 Z5 und

2. den Nachweis darüber."

3.       §6 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes, BGBl II 320/1997, idF BGBl II 54/2015 (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung – FSG-DV), lautet:

"Nachweis über die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen

§6. (1) Die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen hat den Bewerbern um eine Lenkberechtigung für alle Klassen mit Ausnahme der Klassen AM und D(DE) durch theoretische Unterweisung und praktische Übungen in der Dauer von mindestens sechs Stunden die Grundzüge der Erstversorgung von Unfallverletzten im Straßenverkehr zu vermitteln. Sie hat folgende Sachgebiete zu umfassen:

1. Bergung aus akuter Gefahr,

2. Lagerung,

3. Maßnahmen bei Atemstillstand,

4. Maßnahmen bei Herzstillstand,

5. Maßnahmen bei Blutungen,

6. Schockbekämpfung.

(2) Der Nachweis über die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen ist durch eine Bescheinigung einer Dienststelle, bei der die Unterweisung vorgenommen wurde, folgender Institutionen zu führen:

1. des Österreichischen Roten Kreuzes,

2. des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreichs,

3. des Hospitaldienstes des souveränen Malteser Ritterordens,

4. einer Ärztekammer,

5. des Rettungs- oder Krankenbeförderungsdienstes einer Gebietskörperschaft,

6. der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich,

7. des Grünen Kreuzes – österreichweiter eigenständiger Rettungs-, Krankentransport und Sanitätshilfsdienst,

8. sonstiger Einrichtungen, denen gemäß §45 des Bundesgesetzes über die Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter – SanG, BGBl I Nr 30/2002, das Modul zur Ausbildung zum Rettungssanitäter bewilligt wurde.

(3) Die Bescheinigung gemäß Abs2 hat zu enthalten:

1. Vor- und Zuname sowie Geburtsdatum des Unterwiesenen,

2. Name, Anschrift und Unterschrift der Person, die die Unterweisung durchgeführt hat,

3. die Bestätigung einer der in Abs2 genannten Organisationen über die ordnungsgemäße Durchführung der Unterweisung und

4. das Datum der Ausstellung.

(4) Bei mangelnder Mitarbeit des Bewerbers um eine Lenkberechtigung bei der Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen ist keine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Unterweisung ist durch Ärzte vorzunehmen. Die in Abs2 genannten Organisationen haben, wenn bei ihnen Ärzte für eine Unterweisung nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, wegen der Namhaftmachung von Ärzten mit der örtlich zuständigen Ärztekammer und der ärztlichen Kraftfahrvereinigung Österreichs das Einvernehmen zu pflegen. Stehen Ärzte nicht zur Verfügung, so kann die Unterweisung auch durch Personen, die den in Abs2 angeführten Organisationen angehören und nicht Ärzte sind, erfolgen, wenn sie hiezu besonders ausgebildet sind. Die besondere Ausbildung solcher Personen hat nach den Richtlinien dieser Organisationen zu erfolgen.

(6) Die in Abs2 genannte Bescheinigung wird ersetzt durch

1. das Doktorat der gesamten Heilkunde,

2. eine Bescheinigung der in Abs2 genannen (Anm.: richtig: genannten) Organisationen über eine abgeschlossene Ausbildung in Erster Hilfe,

3. eine Bescheinigung eines Sozialversicherungsträgers über die Teilnahme an einem Kurs zur Ausbildung in Erster Hilfe,

4. eine Bescheinigung einer öffentlichen Dienststelle, die gemäß §120 KFG 1967 zur Ausbildung von Kraftfahrern berechtigt ist, über die Teilnahme an einem Kurs in Erster Hilfe,

5.1. ein Diplom in einem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege oder ein Zeugnis über die Abschlußprüfung in der Pflegehilfe,

5.2. ein Diplom in einem gehobenen medizinisch-technischen Dienst oder einem medizinisch-technischen Fachdienst oder ein Zeugnis in einem Sanitätshilfsdienst oder eine Bescheinigung über die Unterweisung in Erster Hilfe im Rahmen der Ausbildung in diesen Berufen,

6. den Nachweis der abgeschlossenen Sanitätsgrundausbildung beim Bundesheer,

7. eine Bescheinigung des österreichischen Zivilschutzverbandes über die Teilnahme an einem Lehrgang für Selbstschutz-Grundunterweisung,

8. den Nachweis über die Absolvierung der Vorlesung 'Erste Hilfe'' des 1. Studienabschnittes der Studienrichtung Medizin,

9. den Nachweis über die Absolvierung des Lehrganges 'Erste Hilfe im Feuerwehrdienst' eines Landesfeuerwehrverbandes,

10. den Nachweis über die Absolvierung der Vorlesung 'Erste Hilfe' der Studienrichtung Pharmazie,

11. den Nachweis über die Absolvierung des Lehrganges 'Erste Hilfe' an den Bundesanstalten für Leibeserziehung,

12. eine Bescheinigung über die Absolvierung des nach den Richtlinien des Österreichischen Roten Kreuzes geführten Kurses für Erste Hilfe des Österreichischen Bundesheeres,

13. eine Bescheinigung der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich über die Teilnahme an einem Kurs in Erster Hilfe,

14. eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Grundlehrgang für Zivildienstleistende oder

15. eine Bescheinigung über die Absolvierung der 'Erste Hilfe Ausbildung' gemäß den 'Erste Hilfe Ausbildungsrichtlinien' der Österreichischen Wasserrettung."

4.       §45 des Bundesgesetzes über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter, BGBl I 30/2002, idF BGBl I 80/2013 (Sanitätergesetz – SanG), lautet:

"Bewilligung der Module

§45. (1) Die Durchführung einer Ausbildung zum Sanitäter und in den Notfallkompetenzen bedürfen der Bewilligung des auf Grund des Ausbildungsortes zuständigen Landeshauptmannes. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn

1. die für die Abhaltung des theoretischen Unterrichts erforderlichen Räumlichkeiten und Lehrmittel sowie Sozialräume zur Verfügung stehen,

2. ein medizinisch-wissenschaftlicher sowie organisatorischer Leiter namhaft gemacht werden, die die Voraussetzungen gemäß §46 erfüllen,

3. das für die theoretische Ausbildung erforderliche Lehrpersonal vorhanden ist, das die Voraussetzungen gemäß §47 erfüllt,

4. für praktische Ausbildung entsprechende Einsatzfahrzeuge und – einrichtungen und fachlich und pädagogisch geeignete Praktikumsbegleiter vorhanden sind und

5. hinsichtlich der Ausbildung in den Notfallkompetenzen erforderliche Praktikumsplätze in einer fachlich geeigneten Krankenanstalt sichergestellt sind.

(2) Die Durchführung des Berufsmoduls bedarf der Bewilligung des auf Grund des Ausbildungsortes zuständigen Landeshauptmannes. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn

1. die für die Abhaltung des theoretischen Unterrichts erforderlichen Räumlichkeiten und Lehrmittel sowie Sozialräume zur Verfügung stehen,

2. ein fachkompetenter und pädagogisch geeigneter organisatorischer Leiter namhaft gemacht wird,

3. das für die theoretische Ausbildung erforderliche Lehrpersonal vorhanden ist.

(3) Sind die Voraussetzungen gemäß Abs1 oder 2 bereits anfänglich nicht gegeben oder liegen diese nicht mehr vor, ist die Bewilligung nach erfolglosem Verstreichen einer zur Behebung der Mängel gesetzten angemessenen Frist durch den Landeshauptmann zurückzunehmen.

(Anm.: Abs4 aufgehoben durch BGBl I Nr 80/2013)"

III.    Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit der Beschwerde

Im Verfahren zur beabsichtigten Bildung eines Vereins sind die Proponenten Träger der Vereinsfreiheit; der Beschwerdeführer, dem sowohl der Bescheid der LPD Tirol, mit der die Gründung des Vereins "Lebensrettende Sofortmaßnahmen im Straßenverkehr" nicht gestattet wurde, als auch die angefochtene Entscheidung des LVwG Tirol zugestellt wurden, ist legitimiert, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen die die Untersagung der Bildung des Vereins bestätigende Entscheidung zu erheben.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.       In der Sache

2.1.    Gemäß §11 VerG ist die beabsichtigte Errichtung eines Vereins von den Gründern der Vereinsbehörde anzuzeigen. Diese hat gemäß §12 VerG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art11 Abs2 EMRK – nach Durchführung eines näher beschriebenen Verfahrens – mit Bescheid zu erklären, dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre.

Ein Eingriff in das durch Art11 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist auch dann verfassungswidrig, wenn die zur Untersagung der Bildung des Vereins festgestellte Gesetzwidrigkeit auf einer – wie die beschwerdeführende Partei hier allein behauptet – angewendeten verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht. Die behördliche Auflösung eines Vereins selbst (§29 VerG; vgl. zB VfSlg 19.078/2010, 19.120/2010, 19.208/2010) wie auch die Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist (§12 VerG; vgl. zB VfSlg 13.025/1992, 16.395/2001, 19.260/2010), sind, so wie die Beurteilung der Frage, ob überhaupt ein Verein iSd Art11 EMRK vorliegt, Entscheidungen, die den Kernbereich der Vereinsfreiheit betreffen. Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art11 Abs2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind (vgl. analog VfSlg 19.961/2015, 19.962/2015). Eine Entscheidung darüber obliegt dem Verfassungsgerichtshof.

2.2.    Wenn der Beschwerdeführer – nach Darstellung der sich aus seiner Sicht aus dem FSG bzw. des §6 Abs2 FSG-DV ergebenden verfassungswidrigen Rechtslage – zusammenfassend behauptet, das Erkenntnis beruhe auf einem verfassungswidrigen Gesetz und (gemeint wohl) verletze ihn daher im Ergebnis auch im Grundrecht auf Vereinsfreiheit, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

2.2.1.  Der Verfassungsgerichtshof hat im Ergebnis weder Bedenken gegen die gesetzlichen Grundlagen des §6 Abs2 FSG-DV, welcher der mit Gesetzwidrigkeit gemäß §12 VerG begründeten Untersagung der Bildung des Vereins zugrunde liegt, noch gegen §6 Abs2 FSG-DV selbst, dient diese Regelung doch im Wesentlichen der Qualitätssicherung der Unterweisungen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen:

2.2.2.  Der Beschwerdeführer hegt nämlich – auf das Wesentliche zusammengefasst – das Bedenken, dass §6 Abs2 FSG-DV ungerechtfertigt in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreife, da Bewerber um eine Lenkberechtigung die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen gemäß dieser Bestimmung anhand eines Nachweises in Form einer Bescheinigung über die Unterweisung nur durch bestimmte, eben in §6 Abs2 FSG-DV taxativ aufgelistete Institutionen erbringen könnten.

Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG (s. zB VfSlg 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehalts nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Der Verordnungsgeber hat mit der taxativen Aufzählung in §6 Abs2 FSG-DV im Ergebnis entsprechend der gesetzlichen Grundlage in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Regelung getroffen, die geeignet ist, einen einheitlichen, auch im öffentlichen Interesse liegenden Standard bei der Vermittlung dieser Fähigkeiten sicherzustellen. Es ist auch dem Verordnungsgeber nicht verwehrt, eine leicht handhabbare, verwaltungsökonomischen Überlegungen Rechnung tragende Regelung zu treffen (vgl. zB VfSlg 19.933/2014, 15.202/1998 mwN), um laufend sicherzustellen, dass dieser Standard leicht kontrolliert werden kann. Dazu kommt, dass neben den in §6 Abs2 Z1 bis 7 FSG-DV genannten (Blaulicht-)Institutionen der Nachweis der Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen gemäß §6 Abs2 Z8 FSG-DV auch über sonstige Einrichtungen geführt werden kann, denen gemäß §45 SanG das Modul zur Ausbildung zum Rettungssanitäter bewilligt wurde. Dass §45 SanG allerdings nähere Anforderungen an die personelle und sachmittelbezogene Ausstattung dieser unterweisenden Einrichtungen stellt, bewirkt – insbesondere vor dem Hintergrund der Lehrinhalte – auch nicht, dass §6 Abs2 FSG-DV verfassungsrechtlich anders zu beurteilen ist.

2.2.3.  Die Auffassung des Beschwerdeführers, dass eine verfassungsrechtlich verpönte Ungleichbehandlung daraus resultiere, dass das Vorliegen der in §45 Abs1 SanG genannten Voraussetzungen nach entsprechender Bewilligung nicht mehr überprüft werde, trifft auch nicht zu, ordnet doch §45 Abs3 SanG ausdrücklich die Zurücknahme der Bewilligung an, wenn die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht mehr vorliegen. Diese gesetzliche Verpflichtung bedingt geradezu eine laufende Kontrolle.

2.3.    Mangels Behauptung einer solchen Rechtsverletzung in der Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (VfSlg 9447/1982, 14.299/1995, 20.054/2016; VfGH 11.10.2017, E2201/2017).

IV.      Ergebnis

1.       Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Ob der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, ist dabei nicht zu prüfen, weil die Beschwerde eine derartige Rechtsverletzung nicht geltend macht.

2.       Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Vereinsrecht, Erwerbsausübungsfreiheit, Führerschein, Rettung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E4261.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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