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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 Z2Leitsatz
Kompetenzwidrigkeit einer Regelung des Vorarlberger Baugesetzes betreffend die Ausnahme näher genannter Bauvorhaben vom Geltungsbereich dieses Gesetzes; Verkehrskontrollplatz an einer Bundesstraße samt darauf befindlichem Bauwerk vom Kompetenztatbestand "Bundesstraßen" erfasst; Gesetzwidrigkeit von Teilen des Räumlichen Entwicklungskonzepts und Teilen des Flächenwidmungsplanes wegen Verstoßes gegen die im Vorarlberger Raumplanungsgesetz vorgesehene Pflicht zur Berücksichtigung von Planungen des BundesRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge "unmittelbaren technischen" in §1 Abs1 litd des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl 52/2001 idF LGBl 11/2014 (in der Folge: Vbg BauG).
§1 Abs1 Vbg BauG nimmt näher bezeichnete Bauvorhaben vom Geltungsbereich des Gesetzes aus. So sind ua gemäß §1 Abs1 litd Vbg BauG Bauvorhaben betreffend "öffentliche Straßen, soweit es sich nicht um Gebäude handelt, es sei denn sie stehen in einem unmittelbaren technischen Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Straße", von der Geltung des Gesetzes ausgenommen. §1 Abs2 Vbg BauG bestimmt, das Gesetz sei "so anzuwenden, dass es in die Zuständigkeit des Bundes nicht eingreift".
Der Inhalt des Kompetenztatbestandes betreffend "Bundesstraßen" in Art10 Abs1 Z9 B-VG ist danach zu beurteilen, in welcher rechtlichen Prägung die Rechtsordnung diesen Kompetenztatbestand im Zeitpunkt seiner Schaffung mit der am 01.10.1925 in Kraft getretenen Bundes-Verfassungsnovelle BGBl 269/1925 verwendet hat.
Der VfGH sprach im (Kompetenzfeststellungs-)Erkenntnis VfSlg 4349/1963 zum Kompetenzbegriff der "Bundesstraßen" in Art10 Abs1 Z9 B-VG aus, dass "die Erlassung von gesetzlichen Vorschriften über die Herstellung und Erhaltung des Straßenkörpers in allen seinen Bestandteilen (einschließlich der Gehsteige) hinsichtlich der Bundesstraßen gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG Sache des Bundes" ist.
Ausgehend davon ist sohin zu untersuchen, ob ein Verkehrskontrollplatz als Bestandteil einer Bundesstraße und ein auf einem Verkehrskontrollplatz befindliches Gebäude oder Bauwerk als zugehörige bauliche Anlage im Zuge einer Bundesstraße anzusehen ist.
Ein Verkehrskontrollplatz bei einer Bundesstraße ist Bestandteil der Bundesstraße, und zwar eine Verkehrsfläche, die aus Sicherheitsgründen von der Hauptfahrbahn getrennt ist und der Verkehrskontrolle auf der Bundesstraße dient. Auf den Grundflächen des Verkehrskontrollplatzes soll im Rahmen der Verkehrskontrolle die Überprüfung der Einhaltung sämtlicher verkehrsbezogener gesetzlicher Vorschriften, beispielsweise im Hinblick auf die Sicherheit der Kraftfahrzeuge, welche die Bundesstraßen benützen, durchgeführt werden.
Ein auf einem Verkehrskontrollplatz an einer Bundesstraße befindliches Gebäude oder Bauwerk ist, jedenfalls soweit dieses in Zusammenhang mit der Erfüllung der Funktion des Verkehrskontrollplatzes steht, als bauliche Anlage im Zuge der Bundesstraßen anzusehen. Die Funktion eines solchen Verkehrskontrollplatzes besteht insbesondere auch in der Verkehrs- und Fahrzeugkontrolle. Obgleich solche Gebäude oder Bauwerke nicht als bauliche Anlagen in dem als Versteinerungsmaterial heranzuziehenden §24 Abs1 BundesstraßenG 1921 ("Anlagen, wie Straßengräben, Stütz- und Futtermauern, Brücken, Durchlässe u dgl") genannt sind, fällt ein Bauwerk auf einem Verkehrskontrollplatz, das in Zusammenhang mit der Erfüllung der Funktion des Verkehrskontrollplatzes steht, im Rahmen der sogenannten intrasystematischen Fortentwicklungsmöglichkeit der Art nach unter die in §24 Abs1 BundesstraßenG 1921 genannten Anlagen.
Entscheidend ist nicht, ob das Gebäude oder Bauwerk auf dem einen Bestandteil der Bundesstraße bildenden Verkehrskontrollplatz für die Hauptfahrbahn technisch notwendig ist, sondern vielmehr, ob das Gebäude oder Bauwerk in einem Zusammenhang mit der Funktion des Verkehrskontrollplatzes steht. Die Erfüllung der Funktion eines Verkehrskontrollplatzes (als Bestandteil einer Bundesstraße) ist nämlich ohne damit in Zusammenhang stehende Gebäude oder Bauwerke nicht möglich.
Die Regelung derartiger Einrichtungen fällt in die Bundeskompetenz unter den Kompetenztatbestand "Bundesstraßen" gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG und nicht in die Kompetenz der Länder gemäß Art15 Abs1 B-VG.
Verfassungskonforme Interpretation nicht möglich: Durch die Ausnahmebestimmung des §1 Abs1 litd Vbg BauG sollten gerade Gebäude auf Verkehrskontrollplätzen nicht erfasst werden, weil sie nicht "in einem unmittelbaren technischen Zusammenhang mit der Errichtung oder dem Betrieb der Straße" stünden. Bei diesem eindeutigen Verständnis des §1 Abs1 litd Vbg BauG scheidet es aus, diesen - im Lichte des §1 Abs2 Vbg BauG - verfassungskonform auszulegen.
Zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes ist es nicht notwendig, den gesamten §1 Abs1 litd Vbg BauG aufzuheben, sondern es genügt die Aufhebung der Wortfolge "unmittelbaren technischen" in §1 Abs1 litd Vbg BauG.
Aufhebung näher genannter Teile des Räumlichen Entwicklungskonzepts der Marktgemeinde Lauterach vom 17.09.2013.
Keine raumordnungsrechtliche Planungskompetenz des Landes oder der Gemeinde für einen Verkehrskontrollplatz an einer Bundesstraße und die darauf befindlichen Gebäude oder Bauwerke.
Die Zuständigkeit zu einer raumordnenden Tätigkeit ergibt sich als Ausfluss der Zuständigkeit zur Regelung der betreffenden Verwaltungsmaterie (VfSlg 2674/1954).
Daraus ist zu folgern, dass - nicht nur die im Erkenntnis VfSlg 2674/1954 ausdrücklich genannten planenden Maßnahmen auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens, des Bergwesens, des Forstwesens und des Wasserrechts, sondern - auch planende Maßnahmen, die Angelegenheiten der Bundesstraßen betreffen, nicht in die Zuständigkeit der Länder, sondern in die Zuständigkeit des Bundes gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG fallen. Im gegebenen Zusammenhang bedeutet dies, dass Landesvorschriften nicht mit verbindlicher Wirkung bestimmen können, wo und wie Bundesstraßen zu führen sind.
Der Verkehrskontrollplatz Lauterach liegt innerhalb der Bundesstraßentrasse, wie sie in der Verordnung BGBl 323/1973 festgelegt worden ist. Der Bund hat durch die geplante Errichtung des Verkehrskontrollplatzes an der A14-Rheintal-Autobahn seine Bundesstraßenkompetenz "aktualisiert" bzw in Anspruch genommen. Dies ist nach Auffassung des VfGH jedenfalls spätestens mit dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die geplante Errichtung des Dienstgebäudes und der Prüfhalle auf dem geplanten Verkehrskontrollplatz geschehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Lauterach das Verfahren zur Änderung des Räumlichen Entwicklungskonzepts (und des Flächenwidmungsplanes) durchführen müssen.
§11 Abs2 Vbg RPG sieht ausdrücklich vor, dass im Räumlichen Entwicklungskonzept unter anderem auf Planungen des Bundes Bedacht zu nehmen ist. Da die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Lauterach in dem in Prüfung gezogenen Räumlichen Entwicklungskonzept nicht auf die "Bundesstraßen-Widmung" für das Grundstück Nr 3546, EZ 700, KG Lauterach, Bedacht genommen hat, ist das Räumliche Entwicklungskonzept der Marktgemeinde Lauterach insoweit gesetzwidrig.
Aufhebung des Flächenwidmungsplans der Marktgemeinde Lauterach vom 13.03.2003, soweit er sich auf ein näher genanntes Grundstück bezieht.
Da die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Lauterach im Flächenwidmungsplan, soweit er sich auf das Grundstück Nr 3546, EZ 700, KG Lauterach, bezieht, die Widmung "Freifläche Freihaltegebiet" festgelegt und aufrechterhalten hat und damit nicht der gemäß §12 Abs3 Vbg RPG vorgesehenen Pflicht zur Berücksichtigung der Bundesstraßenplanung nachgekommen und auch nicht die gemäß §12 Abs5 Vbg RPG vorgesehene Ausweisung (Ersichtlichmachung) für die bestehende Bundesstraße A14-Rheintal-Autobahn vorgenommen hat, ist der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Lauterach insoweit gesetzwidrig.
(Anlassfall E778/2016, E v 27.06.2018, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Raumordnung, Kompetenz Bund - Länder, Berücksichtigungsprinzip, Baurecht, Flächenwidmungsplan, Baubewilligung, Straßenbaubewilligung, Verordnungsbegriff, Verordnungserlassung, TrassierungsverordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G254.2017Zuletzt aktualisiert am
30.07.2019