TE Vwgh Beschluss 2000/1/31 2000/10/0012

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Veröffentlicht am 31.01.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/10/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über den Antrag der B Ges.m.b.H. & Co KG in Kaltenbach, vertreten durch Mag.Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in 6290 Mayrhofen, Waldbadgasse 537, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. August 1999, Zl. U-13.200/14, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, und die Beschwerde gegen den genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. August 1999 wies die Tiroler Landesregierung einen Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines Doppelsesselliftes ab.

Gegen diesen Bescheid erhoben die nunmehr beschwerdeführende Gesellschaft und die Gemeinde K. die beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 99/10/0235 protokollierte Beschwerde. Diese Beschwerde wurde mit Beschluss vom 15. November 1999 wegen Verspätung und wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen. Als unzulässig war die Beschwerde deshalb angesehen worden, weil mit dem ausdrücklich bezeichneten Beschwerdepunkt kein subjektiv-öffentliches Recht, aus dem die Beschwerdeberechtigung abgeleitet werden könnte, geltend gemacht worden war; die zweitbeschwerdeführende Gemeinde betreffend wurde überdies die Legitimation verneint, vor dem Verwaltungsgerichtshof neben oder gar an Stelle der Antragstellerin das Recht auf Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung geltend zu machen.

Mit Schriftsatz vom 10. Jänner 2000 begehrt die beschwerdeführende Gesellschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist; weiters wird neuerlich Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid erhoben. Begründend wird dargelegt, der Vertreter der Beschwerdeführer habe durch Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 29. Dezember 1999 davon Kenntnis erlangt, dass die am 20. Oktober 1999 zur Post gegebene Beschwerde um zwei Tage verspätet gewesen sei. Diese Versäumung sei auf ein unvorhergesehenes Ereignis in der Kanzlei des Vertreters zurückzuführen. Nach Übersendung einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides durch die beschwerdeführende Partei an das Büro ihres Vertreters, wo diese am 9. September 1997 eingelangt sei, habe die mit Vormerkungen befasste Bürokraft, die seit dem Jahre 1973 beim Rechtsanwalt angestellt sei, die Fristvormerkung vornehmen wollen, indem sie vom 7. September 1999 - einem Dienstag - im Fristenbuch die sechs Wochen durchgezählt habe. Dabei sei sie durch einen Telefonanruf unterbrochen worden; sodann habe sie begonnen, die Sechswochenfrist neu durchzuzählen. Versehentlich habe sie als Eingangsdatum statt Dienstag Donnerstag angenommen; vermutlich habe sie den Einlaufstempel des Übersendungsschreibens vom 9. September 1999 im Auge gehabt, weshalb nach Auszählung der sechs Wochen als "Endfrist" sowohl auf die Kopie des anzufechtenden Bescheides als auch im Fristenbuch der 21. Oktober 1999 eingetragen worden sei. Da es sich bei Frau Brigitte G. um eine langjährige verlässliche Kraft handle, der noch nie ein solches Versehen unterlaufen sei, sei der Vertreter der Beschwerdeführerin bzw. diese selbst bis zur Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses wegen Verspätung der Auffassung gewesen, die Beschwerde wäre seinerzeit rechtzeitig eingebracht worden.

Unter Vorlage von vier Ausfertigungen eines vom 10. Jänner 2000 datierten, als "verbesserte Ausfertigung der Beschwerde" bezeichneten Beschwerdeschriftsatzes wird weiters dargelegt, die Beschwerde werde "insoferne verbessert, als einerseits die Ausführungen hinsichtlich der nicht mehr am Verfahren beteiligten zweitbeschwerdeführenden Partei weggelassen wurden und überdies die Beschwerde durch eine bestimmte Bezeichnung des Rechtes, in dem die Beschwerdeführerin verletzt ist, dargestellt wird. Gemäß § 34 Abs. 2 VwGG sind Mängel, die die Vorschriften über Form und Inhalt (§§ 23, 24, 28 und 29) betreffen, verbesserungsfähig. Da im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in dem es sich vor Eintritt der Versäumung befunden hat, wäre dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Mangel gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch einen entsprechenden Verbesserungsauftrag zu begegnen gewesen, dem hiemit sofort entsprochen wird."

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachung dieses Bediensteten unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung zu § 46 VwGG und § 71 AVG weiters davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung. Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/10/0195,sowie den Beschluss vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0253, und die dort zitierte Vorjudikatur). Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 11. Mai 1998, Zlen. 97/10/0239, 98/10/0267, und vom 24. November 1997, Zlen. 97/10/0200, 97/10/0188).

Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag ist lediglich zu entnehmen, die unrichtige Fristvormerkung sei auf einen Fehler der ansonsten zuverlässigen Kanzleikraft des Beschwerdevertreters zurückzuführen. Welche organisatorischen Vorkehrungen im Kanzleibetrieb bestünden, mit denen die richtige Berechnung und Vormerkung von Fristen sichergestellt und vorgesorgt wird, dass Unzulänglichkeiten wie die im vorliegenden Fall eingetretene aller Voraussicht nach ausgeschlossen sind, wird nicht dargelegt.

Schon aus diesem Grund muss dem Wiedereinsetzungsbegehren der Erfolg versagt bleiben.

Die nunmehr überreichte Beschwerde weicht inhaltlich in wesentlichen Punkten von der ursprünglichen Beschwerde ab; es handelt sich somit nicht um die mit der Wiedereinsetzung verbundene Nachholung der versäumten Beschwerdeführung, sondern um eine weitere Beschwerde, die wegen Verbrauchs des Beschwerderechtes und wegen Verspätung zurückzuweisen war.

Wien, am 31. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000100012.X00

Im RIS seit

03.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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