TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/9 VGW-251/078/RP10/4512/2018

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Veröffentlicht am 09.05.2018
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Entscheidungsdatum

09.05.2018

Index

90/02 Führerscheingesetz

Norm

FSG §4a Abs1
FSG §4b Abs1
FSG §4c Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Ziegler über die Beschwerde der Frau K. A. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt, vom 13.03.2018, GZ: ...,

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die neuerliche viermonatige Frist zur Befolgung der Anordnung mit 16.03.2018 (= Datum der Zustellung des bekämpften Bescheides) zu laufen begonnen hat.

Entscheidungsgründe

Der angefochtene Bescheid der Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt, vom 13.03.2018, GZ: ..., enthält folgenden Spruch:

„Die Landespolizeidirektion Wien – Verkehrsamt – ordnet gemäß § 4c Absatz 2 Führerscheingesetz 1997 an, dass Sie innerhalb von vier Monaten, ab Zustellung dieses Bescheides, die bzw. den nachfolgenden angeführten Ausbildungsabschnitt(e) der zweiten Ausbildungsphase absolvieren müssen (Fahrsicherheitstraining, Perfektionsfahrt 2).

Mit der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Ausbildungsabschnitte verlängert sich gemäß § 4c Absatz 2 i.V.m. § 4 Absatz 3 Führerscheingesetz 1997 die Probezeit um ein weiteres Jahr.

Sie haben gemäß § 4 Absatz 3 FSG 1997 den am 17.11.2016, unter der Zahl ..., von der LPD Wien/VA, für die Klasse(n) AM und B, ausgestellten Führerschein unverzüglich im Verkehrsamt der Landespolizeidirektion Wien abzugeben (Probezeitverlängerung).

Gemäß § 4c Absatz 2, i.V.m. § 4 Absatz 3, 2. Satz Führerscheingesetz 1997 haben Beschwerden gegen die bescheidmäßige Anordnung keine aufschiebende Wirkung.“

In der dagegen frist- und formgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin zusammengefasst im Wesentlichen vor, sie habe die Mehrphasenausbildung auf Grund ihrer Schwangerschaft und der anschließenden Geburt ihrer Tochter nicht innerhalb der gegebenen Frist beenden können. Nach der Geburt habe sie in Folge des Stillens und mangels Betreuungsmöglichkeit ihrer Tochter das Fahrsicherheitstraining nicht absolvieren können. Die Beschwerdeführerin habe nun das Fahrsicherheitstraining bereits gebucht und finde dieses am 30.03.2018 statt. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin erfülle sie daher die Bedingungen des Mehrphasentrainings, weshalb sie um Aufhebung des Bescheides ersucht.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 4a Abs. 1 FSG haben Besitzer einer Lenkberechtigung für die Klassen A oder B anlässlich des erstmaligen Erwerbes jeder dieser Lenkberechtigungsklasse(n) innerhalb des in § 4b Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Zeitraumes eine zweite Ausbildungsphase zu durchlaufen.

Gemäß § 4b Abs. 1 FSG hat die zweite Ausbildungsphase für einen Besitzer der Lenkberechtigung für die Klasse B - unbeschadet des Abs. 2 - folgende Inhalte in der genannten Reihenfolge zu umfassen:

1. eine Perfektionsfahrt im Zeitraum von zwei bis vier Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung;

2. ein Fahrsicherheitstraining und ein verkehrspsychologisches Gruppengespräch, das beides an einem Tag abzuhalten ist, im Zeitraum von drei bis neun Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung sowie

3. eine weitere Perfektionsfahrt im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung.

Diese Bestimmungen gelten auch für den Fall, dass der Betreffende bei Erwerb der Lenkberechtigung für die Klasse B bereits im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A1, A2 oder A ist. Zwischen der Perfektionsfahrt gemäß Z 1 und der Perfektionsfahrt gemäß Z 3 hat ein Zeitraum von mindestens drei Monaten zu liegen.

§ 4c Abs. 2 FSG bestimmt, dass dann, wenn eine oder mehrere der in § 4b genannten Stufen unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3 nicht innerhalb von zwölf Monaten (14 Monaten im Fall der Klassen A1, A2 oder A) nach Erteilung der Lenkberechtigung absolviert werden, der Führerscheinbesitzer zwölf Monate (14 Monate im Fall der Klassen A1, A2 oder A) nach Erteilung der Lenkberechtigung darüber zu verständigen ist. In diesem Schreiben ist auf die Verlängerung der Probezeit hinzuweisen, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nachgewiesen wird, sowie auf die Entziehung der Lenkberechtigung, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten nachgewiesen wird. Werden die fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf der im ersten Satz genannten Frist absolviert, hat die Behörde dem Betreffenden ausschließlich die Absolvierung dieser Stufe(n) anzuordnen. Mit der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) verlängert sich die Probezeit unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 4 Abs. 3 zweiter bis vierter Satz. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von weiteren vier Monaten nach, ist gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz vorzugehen. Die Behörde kann auf Antrag für eine angemessene Zeit von der Entziehung der Lenkberechtigung absehen, wenn die betreffende Person besonders berücksichtigungswürdige Gründe nachweist, aus denen hervorgeht, dass sie innerhalb der festgesetzten Frist den oder die fehlenden Teil(e) nicht absolvieren konnte.

Der Beschwerdeführerin wurde am 11.11.2016 unter der Zahl ... von der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, eine Lenkerberechtigung der Führerscheinklasse B mit einer Probezeit von zwei Jahren erteilt.

Sie hätte daher gemäß § 4a Abs. 1 iVm § 4b Abs. 1 FSG nach Erwerb der Lenkerberechtigung der Führerscheinklasse B innerhalb eines Zeitraumes von drei bis neun Monaten ein Fahrsicherheitstraining und innerhalb eines Zeitraumes von sechs bis zwölf Monaten eine zweite Perfektionsfahrt zu absolvieren gehabt. Da sie dies innerhalb der festgesetzten Frist (bis 11.11.2017) nicht getan hat, war ihr durch das Bundesrechenzentrum schriftlich das Verstreichen dieser Frist mitzuteilen und ihr eine Nachfrist von vier Monaten zur Absolvierung der fehlenden Ausbildungsstufen aufzutragen. Das vorgesehenen Fahrsicherheitstraining und die zweite Perfektionsfahrt hätten somit unter Nutzung der gesetzten Nachfrist von vier Monaten bis längstens 11.03.2018 absolviert werden müssen.

Die Beschwerdeführerin hat unbestritten gelassen, dass sie bis zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides (mit Zustellung am 16.03.2018) die geforderten fehlenden Ausbildungsstufen noch nicht absolviert hat.

Damit lagen die Voraussetzungen für die Erlassung der nunmehr angefochtenen bescheidmäßigen Anordnung vor.

Entgegen den Beschwerdeausführungen haben die Gründe, die die Beschwerdeführerin an der Absolvierung aller Stufen der zweiten Ausbildungsphase gehindert haben, in diesem Stadium des Verfahrens keine Berücksichtigung zu finden.

Es muss betont werden, dass es sich bei der Absolvierung der Ausbildungsabschnitte bzw. bei deren terminlicher Festlegung um eine gesetzliche Mussbestimmung handelt. Dies bedeutet, dass die Fristen für die Absolvierung der einzelnen Stufen der zweiten Ausbildungsphase in jedem Fall eingehalten werden müssen und durch kein wie immer geartetes Ereignis erstreckt werden können. Dies hat der Gesetzgeber wohl im Hinblick auf eine gründliche und kontinuierliche Durchführung der Ausbildung zum Lenken von Kraftfahrzeugen so festgelegt, weshalb auch die Verkehrsbehörde den angefochtenen Bescheid zu Recht erlassen hat.

Sowohl der Behörde als auch dem erkennenden Verwaltungsgericht Wien ist diesbezüglich kein Ermessen eingeräumt. Darüber hinaus dienen die maßgeblichen Vorschriften der Verringerung von Verkehrsunfällen, hervorgerufen durch Fahrfehler von Führerscheinneulingen.

Die an die Nichteinhaltung der großzügig bemessenen gesetzlichen Fristen zur Absolvierung der einzelnen Ausbildungsstufen anknüpfenden Rechtsfolgen, wie etwa die Verlängerung der Probezeit, sind ex lege vorgegeben und liegt es nicht an der Behörde, davon abzusehen und die genannten Fristen aus besonderen Gründen zu verlängern. Eine Berücksichtigung von Härtefällen ist zu diesem Zeitpunkt im Gesetzt nicht vorgegeben.

Die Bestimmung des § 4c Abs. 2 regelt die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der im § 4b Abs. 1 angeführten Fristen. Sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem eigentlich die zweite Ausbildungsphase komplett abgeschlossen sein sollte, die geforderten Ausbildungsphasen (im vorliegenden Fall: das Fahrsicherheitstraining und die Perfektionsfahrt 2) nicht absolviert wurden, soll nach dem Bericht des Verkehrsausschusses zum BG 2002, 1211 BlgNR 21.GP, dem Betreffenden eine Nachfrist von vier Monaten gewährt werden, um die fehlenden Teile nachzuholen.

Sind nach Verstreichen dieser Frist nach wie vor Teile der Ausbildung offen, sind von der Behörde diese fehlenden Teile mit Bescheid anzuordnen. Aus der Intention des Gesetzgebers sowie dem Wortlaut des § 4c Abs. 2, 3. Satz FSG ergibt sich, dass erst nach Ablauf der zwölfmonatigen Frist und viermonatigen Nachfrist ein konstitutiver, die verfahrensgegenständlichen Folgen auslösender Rechtsakt, nämlich die bescheidmäßige Anordnung der Absolvierung der fehlenden Ausbildungsschritte binnen gesetzter Frist, zu setzen ist.

Um allfällige Härtefälle abzufedern, hat der Gesetzgeber die Frist zur Absolvierung der Mehrphasenausbildung für Fahranfänger ohnedies sehr großzügig und flexibel gestaltet, womit sicher gestellt werden soll, dass die Ausbildung ohne Schwierigkeiten vollendet werden kann. Zu diesem Zweck erfolgte mit der bescheidmäßigen Anordnung neuerlich eine Verlängerung der Frist zur Absolvierung der noch ausständigen Stufe um weitere vier Monate.

Die Beschwerdeführerin hat daher vorerst zur Absolvierung der fehlenden Stufen der zweiten Ausbildungsphase die gesetzliche Frist (diese läuft bis 11.07.2018) zur Verfügung.

Sollte auch nach Ablauf dieser verlängerten Frist die Anordnung nicht befolgt worden sein, sieht das Gesetz die Entziehung der Lenkberechtigung vor. Erst in diesem Stadium besteht für die Behörde die Möglichkeit, auf Antrag des Führerscheinbesitzers, auf besonders berücksichtigungswürdige Umstände, die die fristgerechte Absolvierung der Mehrphasenausbildung verhinderten, einzugehen und von der schweren Sanktion des Entzugs der Lenkberechtigung für einen bestimmten vom Antragsteller vorgegebenen Zeitraum abzusehen. Auch dies bedeutet aber keine Verlängerung der gesetzlichen Fristen (s. hierzu Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 7. FSG-Novelle RV 794 BlgNR 22.GP).

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Die Abänderung im Spruch diente der Konkretisierung des Beginns der weiteren viermonatigen Frist, innerhalb der die Beschwerdeführerin das Fahrsicherheitstraining und die zweite Perfektionsfahrt durchzuführen hat.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 abgesehen werden.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der bescheidmäßigen Anordnung, die fehlenden Ausbildungsabschnitte (Fahrsicherheitstraining und 2. Perfektionsfahrt) zu absolvieren, die Verlängerung der Probezeit um ein weiteres Jahr verbunden ist, weshalb die Beschwerdeführerin den Führerschein zwecks Eintragung der Probezeitverlängerung unverzüglich bei der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, abzugeben hat.

Schlagworte

Führerschein, Mehrphasenausbildung, zweite Ausbildungsphase, gebundene Entscheidung, Ermessensentscheidung, gesetzliche Frist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.251.078.RP10.4512.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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