TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/29 W186 2012384-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2018
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Entscheidungsdatum

29.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §13 Abs1

Spruch

W186 2012384-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. China, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx und RA Dr. Lennart BINDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2014, Zl. 1029575503/14907014, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt".

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge: BF), ein chinesischer Staatsangehöriger ohne religiösem Bekenntnis und Angehörige der Volksgruppe Han, stellte am 25.08.2014 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, zudem sie am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde.

Im Zuge der Erstbefragung gab sie an in HEISHAN geboren zu sein und die Grund- sowie die Mittelschule im Herkunftsland besucht zu haben. Zuletzt habe sie als Landwirtin gearbeitet. Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern sowie die Schwester der BF. Zuletzt habe sie im Dorf XXXX in der Stadt Heishan gelebt. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die BF aus, dass sie mit ihrem Freund fast 5 Jahre zusammen gebelieben sei. Es gäbe eine reiche und mächtige Familie, die einen geistig zurückgebliebenen Sohne namen XXXX habe, und die von den Eltern der BF verlangt habe, dass die BF ihren Sohn heirate. Da ihre Eltern damit nicht einverstanden gewesen seien, sei sie eines Tages auf ihrem Heimweg von XXXX vergewaltigt worden. Nach der Tat habe die BF aus Angst und Wut einen Stein auf seinen Kopf geschlagen. Am nächsten Tag hätten die Eltern von XXXX verlangt, dass die BF entweder XXXX heirate oder ihnen 400,000 RMB Schmerzensgeld zahle. Da die BF beides nicht habe machen wollen habe sie sich dazu entschlossen China zu verlassen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 10.09.2014 gab die BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die chinesische Sprache an, bis dato die Wahrheit gesagt zu haben und dass ihr die Angaben jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert worden seien. Sie sei in Heishan geboren und habe immer dort gelebt. Sie habe in einem kleinen Haus gewohnt, das im Familieneigentum gestanden sei. Dort habe sie mit ihren Eltern und einer jüngeren Schwester gewohnt. Sie habe 6 Jahre die Volksschule und 3 Jahre die Mittelschule besucht. Ihren Lebensunterhalt habe sie als Landwirtin verdient, indem sie eine eigene Landwirtschaft betrieben habe. Ihr Wohnhaus befinde sich in der Provinz LIAONING, Stadt HEISHAN, Dorf XXXX . Zu ihrem Fluchtgrund führte die BF aus, dass sie zum einen von ihrem Freund verlassen worden sei und zum anderen unter Druck gesetzt worden sei einen Geistesbehinderten im selben Dorf zu heiraten, dessen Familie reich und mächtig sei. Die BF habe sich dem Druck nicht beugen wollen und habe den Geistesbehinderten einmal mit einem Stein attackiert. Sie sei vor die Wahl gestellt worden den Mann entweder zu heiraten oder der Familie 400.000 RMB als Entschädigung zu zahlen. Ihr Freund habe sie zum einen verlassen, wegen der Geschichte mit dem Geistesbehinderten, und zum anderen, weil er schon eine andere Freundin gehabt habe. Die Eltern des Geistesbehinderten seien wiederholt bei ihr zu Hause gewesen und hätten gefordert, dass die BF ihren Sohn heirate. Der Erste Besuch sei vor ungefähr zwei Jahren gewesen. Beim ersten Besuch habe die BF ihnen mitgeteilt, dass sie ihren Sohn wie einen großen Bruder betrachte und nie den Wunsch gehegt habe ihn zu heiraten. Infolge dessen hätten die Eltern abermals die BF besucht. Wie viel Zeit zwischen dem ersten Besuch und dem zweiten Besuch vergangen sei wisse die BF nicht mehr. Es habe nur diese zwei Besuche gegeben. Sie könne sich nicht mehr genau erinnern wann der zweite Besuch gewesen sei, es sei jedenfalls innerhalb der letzten zwei Jahre gewesen. Nach dem letzten Besuch habe der Sohn der reichen Familie der BF auf ihrem Heimweg aufgelauert und habe die BF begrapscht. Die BF habe sich zunächst verbal gewehrt und ihn sodann mit einem Stein attackiert. Befragt danach wann sie dieser Vorfall ereignet habe, führte die BF aus, dass dies recht unmittelbar vor ihrer Ausreise aus China vorgefallen sei. Befragt danach, wie viel Zeit zwischen dem letzten Besuch der Eltern des Geistesbehinderten und dem Vorfall lag führte die BF aus, dass sie das nicht sagen könne, es könne kurz aber auch recht lang gewesen sein. Sie könne weder angeben ob es sich im ein Monat, ein halbes Jahr oder ein Jahr gehandelt habe. Nach dem Vorfalle habe sie ihren Eltern davon erzählt. Diese hätten sie getröstet. Am Folgetag sei der Geistesbehinderte mit seinen Eltern zur BF nach Hause gekommen und sie vor die Wahl gestellt entweder den Sohn zu heiraten oder die Summe als Entschuldigung zu zahlen. Die BF habe ihnen mitgeteilt, dass sie beide Bedingungen nicht erfüllen werde, wonach die Eltern gegangen seien. Auch das Datum dieses Besuches könne die BF nicht mehr angeben. Es sei irgendwann vor ihrer Ausreise gewesen, sie könne die Zeit nicht mal ungefähr angeben. Die BF stehe in Kontakt mit ihren Eltern. Diese hätten ihr mitgeteilt, dass sie den Eltern des Geistesbehinderten gesagt hätten, dass die BF im Ausland sei. Seitdem hätten die Eltern ruhe. Die Vorfälle mit dem Geistesbehinderten stehen in keinem Zusammenhang mit der Beendigung der Beziehung durch ihren Freund. Dieser habe den Vorfall nur als Ausrede genutzt. Die Beendigung der Beziehung sei nach der Stein Attacke gewesen, wann genau könne die BF nicht sagen. Befragt danach, was die BF konkret im Falle ihrer Rückkehr befürchten würde führte sie aus, dass sie einfach nicht in ihre Heimat zurückwolle. Befragt danach, wieso die BF in der Erstbefragung angegeben habe, vergewaltigt worden zu sein gab sie an, dass sie dies nie gesagt habe.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 11.09.2014, der BF zugestellt durch persönliche Übernahme am 12.09.2014, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zudem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach China zulässig ist; unter einem wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt begründete im Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die BF Schwierigkeiten mit Privatpersonen ins Treffen gebracht habe und ihre diesbezüglichen Ausführung nicht glaubhaft gewesen seien. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei oder sein werde. Die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der BF resultiere aus ihren vagen und widersprüchlichen Angaben. So führte sie in der Erstbefragung aus, dass sie von vergewaltigt worden sei. Bei der Einvernahme vor dem BFA gab sie jedoch an, lediglich berührt worden zu sein. Auf den Widerspruch angesprochen habe die BF verneint, gesagt zu haben das sie vergewaltigt gewesen worden sei. Dies könne nur als Ausrede gewertet werden, da die BF zu Beginn der Einvernahme vor dem BFA zur Frage der Richtigkeit der Protokollierung und Rückübersetzung mit ja geantwortet habe. Die Unglaubwürdigkeit sei auch dadurch untermauert worden, dass die BF nicht einmal ungefähre Zeiträume angeben habe können, in denen sich die geschilderten Vorfälle ereignet hätten. Auch habe sie bezüglich des behaupteten Vorfalls keinen "Tatort" angeben können, was ebenfalls nicht nachvollzogen werden könne. Ferner müsse die BF im Fall ihrer Rückkehr nach China nicht um ihr Leben fürchten. Es hätten sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, dass die BF bei ihrer Rückkehr ihren Lebensunterhalt nicht durch berufliche Tätigkeiten bestreiten könne. Sie sei eine gesunde, erwachsene Frau und es sei ihr auch zumutbar anfänglich mit Gelegenheitsjobs ihren Unterhalt zu bestreiten. Zudem verfüge sie über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte zumal sich ihre Eltern im Heimatland aufhalten. Ebenso sei in Betracht zu ziehen, dass sie den Großteil ihres Lebens dort verbracht habe und über Freund und Bekannte, sowie ihre Familie und Verwandte verfüge, welche sie unterstützten können.

Mit Verfahrensanordnungen vom 12.09.2014 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt. Unter einem wurde ihr die Information über die Verpflichtung zur Ausreise ausgehändigt. Die Verfahrensanordnung und die Information zur Ausreiseverpflichtung wurden der BF zusammen mit dem Bescheid zugestellt.

3. Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob die BF durch ihren gewillkürten Vertreter am 23.09.2014 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit wegen Verfahrensmängel und wegen des Inhaltes. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der BF Asyl gewähren, allenfalls subsidiären Schutz gewähren, allenfalls den Bescheid aufheben und zurückverweisen, die aufschiebende Wirkung gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, recherchieren ob der Fluchtauslösende Vorfall der BF stattgefunden habe, allenfalls festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung unzulässig sei, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, sowie allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach China unzulässig ist.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, Nachforschungen zu Stellen um das Vorbringen der BF beurteilen zu können. Der dargestellte Sachverhalt entspreche den Fluchtgründen der GFK, da die Zwangsverheiratung bzw. die Gefahr in Erziehungslagern eingesperrt zu werden, mit unbefristeter Länge wegen Schulden Menschenrechtswidrigkeiten darstellen würden, die zu berücksichtigen seien.

4. Das Bundesamt legte am 25.09.2014, hg. eingelangt am 29.09.2014, den Verwaltungsakt vor und teilte mit, an der Durchführung und Teilnahme einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

Mit Eingabe vom 03.12.2014 reichte das Bundesamt eine Stellungnahme der chinesischen Botschaft in Wien nach, wonach die Personendaten der BF an die chinesischen Polizeibehörden zur Überprüfung weitergeleitet worden seien, die BF jedoch unter den angegebenen Daten nicht existiere.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.05.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein der BF und einer Dolmetscherin der chinesischen Sprache durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm.

Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

"R: Haben Sie Halsschmerzen? Was ist passiert?

BF: Ich hatte Halsschmerzen, ich habe mich selbst am Kehlkopf "massiert" weil ich Schmerzen hatte.

Anmerkung: Der Hals der BF ist an der Stelle des Kehlkopfes rötlich gefärbt.

R: Woher in China stammen Sie?

BF: Ich komme aus der Stadt Heishan aus der Provinz Liaoning.

R: Welche Schulbildung haben Sie?

BF: Ich habe die neunjährige Schulpflicht absolviert.

R: Was haben Sie nach der Schule gemacht?

BF: Ich war zuhause, habe dort ein Jahr Schneiderei gelernt. Dann blieb ich wieder zuhause.

R: Waren bzw. sind Sie verheiratet?

BF: Ich hatte fünf Jahre lang einen Freund, aber wir waren nicht verheiratet.

R: Wer von Ihrer Familie lebt noch in China?

BF: Meine Eltern und meine jüngere Schwester.

R: Haben Sie Kontakt?

BF: Fast keinen mehr, selten, vielleicht einmal im Jahr.

R: In Österreich, Sie leben in Salzburg?

BF: Jetzt lebe ich in Wien.

R: Wovon leben Sie?

BF: Ich arbeite in einem Bordell.

R: Wohnen Sie mit Freundinnen zusammen?

BF: Ich wohne in diesem Etablissement.

R: Der Herr, der Sie begleitet, können Sie mir sagen wer das ist?

BF: Er ist mein jetziger Freund.

R: Soll er draußen warten?

BF: Beides geht.

R: Wer ist denn Ihr Freund, wie heißt er, woher kommt er?

BF: Er ist aus Afghanistan, er heißt XXXX .

R an Herr XXXX : Welchen rechtlichen Status haben Sie in Österreich?

Herr XXXX : Ich bin seit vier Jahren in Österreich, es gab in meinem Asylverfahren schon ein Interview aber noch keine Entscheidung.

Herr XXXX weiß sich durch die AB Karte 140117540-004 aus.

R: Was würde mit Ihnen passieren, müssten Sie nach China zurückkehren?

BF: Naja, also in China gibt es einen Mann, der mich gern hatte, den ich aber nicht ertragen kann. Ich habe Ihn geschlagen und die Familie wollte von mir 400 000 RMB (zirka 60 000 Euro) und wollte mich zwingen ihn zu heiraten. Das wollte ich nicht.

R: Wo lebt diese Familie?

BF: In meinem Dorf. Wir sind aus dem gleichen Dorf.

R: Können Sie sich erinnern, wann Sie diesen Mann verletzt haben?

BF: Nein.

R: Können Sie mir sagen wie groß Ihr Dorf ist? Wie viele Menschen dort leben?

BF: Ich weiß nicht wie groß, es gibt zirka 300 Familien.

R: Welchen Beruf haben Ihre Eltern?

BF: Sie sind Bauern. Sie bauen Mais und Rais an und Sojabohnen.

R: Haben sie ein eigenes Grundstück?

BF: Ja.

R: Sie schreiben etwas, hat das mit dem Verfahren zu tun?

BF: Ich bin nur nervös, ich zeichne,...

R: Sind Sie in Österreich in medizinischer Behandlung?

BF: Ja. Vor zwei, drei Monaten. Wegen Kreuzschmerzen und weil mein Magen geblutet hatte.

R: Läuft die Behandlung noch oder ist sie abgeschlossen.

BF: Es ist zu mühsam zum Arzt zu fahren, darum bin ich nicht mehr hingefahren.

R: Können Sie ein bisschen Deutsch?

BF: Ein bisschen, ich habe einen Deutschkurs besucht.

R: Haben Sie Unterlagen?

BF: Ja, aber ich habe Sie nicht mit.

R: Wissen Sie die Stufe des Kurses?

BF: Es war A1, ich habe noch keine Prüfung gemacht, ich war krank.

R: Können Sie mir sagen, wie lange Sie schon in dem Bordell arbeiten?

BF: Nicht seit Anfang an, so seit zirka zwei Jahren.

R: Wovon haben Sie vorher gelebt?

BF: In Salzburg habe ich ein, zwei Monate auf Kinder aufgepasst.

R: Haben Sie sonstige Bekannte, Freunde in Österreich?

BF: Nein. Außer XXXX und meinen Arbeitskolleginnen.

R: Wie oft in der Woche sehen Sie XXXX ?

Herr XXXX : So zwei, dreimal im Monat

BF: Stimmt, ja.

R: Wollen Sie zur Länderinformation Stellung nehmen?

BF: Was möchten Sie damit sagen?

R: Möchten Sie die Länderinformationen einsehen?

BF: Mein Deutsch ist noch nicht so gut.

BF fragt nach: An welche Adresse wird die Entscheidung geschickt?

R: Zu Ihrer Meldeadresse. Das dauert zirka vier Wochen.

R: Haben Sie alles gesagt, was Ihnen wichtig ist?

BF: Also am besten wäre es man würde mich nicht abschieben, ich möchte hier bleiben."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Identität der BF steht nicht fest. Sie ist chinesische Staatsangehörige und reiste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein, wo sie am 25.08.2014 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Sie ist 32 Jahre alt und gehört der Mehrheitsvolksgruppe der Han an.

Sie lebte bis zu ihrer Ausreise in der Stadt Heishan in der Provinz Liaoning in einer Eigentumswohnung mit ihren Eltern und ihrer Schwester. Ihre Eltern sind Bauern und bauen Mais, Reis und Sojabohnen an.

Sie besuchte im Herkunftsland die Grund- und Mittelschule neun Jahre lang und absolvierte danach ein Jahr eine Lehre zur Schneiderin. Zuletzt arbeitete sie als Landwirtin.

Die BF bezog im Bundesgebiet von 25.08.2014 - 16.09.2014 Leistungen aus der Grundversorgung. Sie ist strafrechtlich unbescholten und arbeitet und wohnt in einem Bordell in WIEN.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF in China eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht: Das Vorbringen des BF, von den Eltern eines geistig behinderten Mannes gezwungen worden zu sein diesen zu heiraten oder eine hohe Geldsumme wegen des Umstandes, dass die BF diesen Mann mit einem Stein geschlagen habe, zu bezahlen, hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen.

Nicht festgestellt werden kann des Weiteren, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF ist gesund und hat im Herkunftsstaat ihren Lebensunterhalt vor ihrer Ausreise selbständig durch Erwerbsarbeit gesichert.

Eine ausgeprägte und verfestigte, entscheidungserhebliche individuelle Integration der BF in Österreich kann nicht festgestellt werden: Seit Zulassung ihres Verfahrens verfügt sie über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Rahmen des Asylverfahrens. Sie verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens und musste sich ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein. Der BF bezog 2014 Leistungen aus der Grundversorgung und lebte während ihres Aufenthaltes zuerst in Salzburg bei einer Familie und derzeit in einem Bordell in Wien, wo sie auch arbeitet. Sie konnte keine Deutschkursbestätigung vorlegen und wies auch sonst keine integrationsbezeugenden Unterlagen oder Bestätigungen vor. Zwar gibt sie an, mittlerweile einen afghanischen Freund zu haben, der auch in der hg. Verhandlung anwesend war, doch beschränkt sich die Beziehung auf zwei bis drei Treffen im Monat. Die BF verfügt über keinerlei familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und verfügt auch sonst über keine hervor zu hebende Bindungen zu Österreich.

Im Gegensatz dazu lebte die BF im Herkunftsstaat zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einer Eigentumswohnung, wo sie gemeinsam mit ihren Eltern eine Landwirtschaft betrieb. Sie besuchte im Herkunftsstaat neun Jahre lang die Schule und absolvierte eine einjährige Ausbildung als Schneiderin.

Die BF befindet sich im erwerbsfähigen Alter und hat den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens, sohin knapp 28 Jahre im Herkunftsstaat verbracht, wo sie ihre Schulausbildung absolviert hat, über Arbeitserfahrung verfügt, der Mehrheitsvolksgruppe angehört und dessen Landessprache spricht.

1.2. Die Lage in China stellt sich wie folgt dar:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

-

DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

-

DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

-

DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

-

NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

-

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

-

China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

-

FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty Internationa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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