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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Gmunden gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 18. Jänner 2018, Zl. LVwG-651031/4/Kof/HK, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: A A in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht) vom 24. Oktober 2017 war der Antrag des Mitbeteiligten auf "Umschreibung eines syrischen Führerscheines für die Klassen AM und B" - auf Basis der Annahme, bei dem vorgelegten Führerschein handle es sich um eine "Totalfälschung" - gemäß § 23 Abs. 3 FSG abgewiesen worden.
2 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - statt und erteilte dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für die genannten Klassen unter folgenden Einschränkungen:
"- befristet bis 07. April 2018
- unter den aufschiebenden Bedingungen:
x zuerst positives Ergebnis einer Beobachtungsfahrt nach
§ 9 FSG im Beisein eines technischen Amtssachverständigen und
x danach positives Ergebnis einer Fahrprüfung nach § 11
Abs. 4 FSG".
3 Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt. 4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
außerordentliche Revision.
5 Die Revision ist - entgegen der nur formelhaften und damit unzureichenden Begründung des Verwaltungsgerichts - aus den in ihrer Zulässigkeitsbegründung geltend gemachten Gründen (Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Eignung einer Beobachtungsfahrt als taugliches Beweismittel für den Besitz einer ausländischen Lenkberechtigung) zulässig; sie ist auch begründet.
6 § 23 FSG lautet auszugsweise:
"Ausländische Lenkberechtigungen
§ 23. (1) ...
(3) Dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat oder sonstigem Gebiet erteilten Lenkberechtigung ist ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wenn:
1. der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt
der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) oder sechsmonatigem Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat.
2. der Antragsteller seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach
Österreich verlegt hat oder während seines Auslandsaufenthaltes
behalten hat,
3. keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit
bestehen sowie die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 nachgewiesen
ist und
4. entweder die fachliche Befähigung durch eine praktische
Fahrprüfung gemäß § 11 Abs. 4 nachgewiesen wird oder
5. angenommen werden kann, daß die Erteilung seiner
Lenkberechtigung unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt ist, unter denen sie in Österreich erteilt wird. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat mit Verordnung festzulegen, in welchen Staaten für welche Lenkberechtigungen eine derartige Gleichartigkeit besteht.
(3a) Wird in einem Verfahren gemäß Abs. 3 ein Nicht-EWR-Führerschein vorgelegt, dessen Frist bereits abgelaufen ist, so hat der Antragsteller eine praktische Fahrprüfung abzulegen, es sei denn, der Antragsteller kann nachweisen, dass die Lenkberechtigung trotz Ablauf der Frist im Führerschein nach wie vor gültig ist. Gelingt der Nachweis der Gültigkeit der Lenkberechtigung, so ist eine praktische Fahrprüfung nur in jenen Fällen abzulegen, in denen keine Gleichwertigkeit gemäß Abs. 3 Z 5 besteht.
(4) In einem gemäß Abs. 3 ausgestellten Führerschein ist einzutragen, auf Grund welcher Lenkberechtigung die Umschreibung des Führerscheines erfolgte. Der Antragsteller hat bei Ausfolgung des österreichischen Führerscheines seinen bisherigen Führerschein der Behörde abzuliefern.
..."
7 Die Erteilung einer (österreichischen) Lenkberechtigung gemäß 23 Abs. 3 erster Halbsatz FSG setzt den Besitz einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung voraus. Nur wenn das Ermittlungsverfahren ergibt, dass der Antragsteller Besitzer einer solchen Lenkberechtigung ist, kann ihm nach dieser Bestimmung die Lenkberechtigung erteilt werden. Daraus folgt, dass von der Führerscheinbehörde bzw. dem im Beschwerdeweg angerufenen Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung nachvollziehbar darzulegen ist, ob auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen ist, der Antragsteller sei im Besitz der genannten ausländischen Lenkberechtigung oder ob dies nicht der Fall sei. Zu letztgenanntem Ergebnis kann insbesondere dann gelangt werden, wenn ein ausländischer Führerschein vorgelegt wird und triftige Gründe gegen die Echtheit dieses Dokumentes sprechen.
8 Wichtigstes Beweismittel für das Bestehen der Lenkberechtigung ist zwar regelmäßig der Führerschein, also die über die Berechtigung von der ausländischen Kraftfahrbehörde ausgestellte Urkunde. Der Beweis für das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung kann aber auch auf jede andere Weise erbracht werden, die geeignet ist, die Überzeugung vom Besitz der genannten Lenkberechtigung zu verschaffen. Wenn die Behörde - wie im vorliegenden Fall auf Grund des Ergebnisses einer kriminaltechnischen Untersuchung des Führerscheines - davon ausgehen muss, dass es sich bei dem ihr vorgelegten Führerschein um eine Fälschung handelt, hat sie dies dem Antragsteller bekannt zu geben und ihn aufzufordern, andere geeignete Unterlagen vorzulegen, insbesondere solche betreffend die von ihm absolvierte Ausbildung und die von ihm erfolgreich abgelegte Prüfung. Insoweit trifft die Partei im Erteilungsverfahren eine spezifische Mitwirkungsobliegenheit, deren Verletzung zur Versagung der beantragten Lenkberechtigung führen kann (vgl. zum Ganzen VwGH 24.7.2013, 2013/11/0089, 24.5.2011, 2011/11/0045, und 20.9.2001, 2000/11/0331).
9 Das Verwaltungsgericht hat zwar die nach dem eben Gesagten maßgebende Rechtslage zutreffend (zusammengefasst) wiedergegeben, ist den sich daraus für die Entscheidung des vorliegenden Falles ergebenden Anforderungen aber nur unzureichend nachgekommen. In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird nach Wiedergabe der Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (zusammengefasst) Folgendes ausgeführt:
10 Gemäß § 46 AVG komme als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei ("Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel"). Gemäß § 9 FSG könne in den dort bezeichneten Fallkonstellationen eine Beobachtungsfahrt angeordnet werden, die Durchführung einer solchen sei aber auch in anderen Fällen nicht ausgeschlossen (Hinweis auf VwGH 20.9.2001, 2001/11/0111). Da eine Beobachtungsfahrt auch dazu diene, die fachliche Befähigung des Betreffenden festzustellen, könne sie als Beweis dafür dienen, dass der Mitbeteiligte tatsächlich über eine Fahrpraxis wie von ihm geltend gemacht verfüge bzw. "dass ihm in Syrien tatsächlich eine Lenkberechtigung erteilt wurde". Nach Durchführung einer positiven Beobachtungsfahrt habe der Mitbeteiligte noch gemäß § 23 Abs. 3 FSG eine praktische Fahrprüfung nach § 11 Abs. 4 FSG zu absolvieren. Es sei der Beschwerde daher insofern stattzugeben gewesen, als dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung befristet (im Einklang mit dem ihm - auf Basis der von ihm vorgelegten Bestätigungen - in Syrien ausgestellten Führerschein) und unter den aufschiebenden Bedingungen der positiven Absolvierung einer Beobachtungsfahrt nach § 9 FSG und einer Fahrprüfung nach § 11 Abs. 4 FSG erteilt werde. Ausdrücklich festzuhalten sei, dass eine wirksame Erteilung der Lenkberechtigung erst nach Erfüllung der Bedingungen vorliege.
11 Diese Begründung lässt erkennen, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, der entscheidungserhebliche Sachverhalt, ob also der Mitbeteiligte im Besitz einer syrischen Lenkberechtigung war, stehe noch nicht fest; vielmehr solle dies erst durch die Durchführung einer - von der belangten Behörde zu veranlassenden und zu beurteilenden - Probefahrt geklärt werden. So hat der erkennende Richter des Verwaltungsgerichts mit Schreiben vom 27. Februar 2018 auch festgehalten, das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei mit Zustellung des Erkenntnisses abgeschlossen; die "Beurteilung der Beobachtungsfahrt" erfolge durch die belangte Behörde.
12 Ein derartiges Verständnis steht aber schon deshalb nicht im Einklang mit der Rechtslage, weil das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat; eine Zurückverweisung an die Behörde kommt nur unter den - hier nicht in Betracht kommenden und in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch nicht angesprochenen - Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG in Betracht (vgl. zum Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte näher VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
13 Hat das Verwaltungsgericht aber in der Sache zu entscheiden, und damit im vorliegenden Fall aufgrund der Beschwerde des Mitbeteiligten über dessen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung abzusprechen, so hat es den Bestand aller gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung zu prüfen und, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, die Bewilligung zu erteilen, bzw. wenn sie nicht vorliegen, den Antrag abzuweisen (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2018/03/0004). Damit unvereinbar ist es, der belangten Behörde die entsprechende Feststellung bzw. Beurteilung zu überlassen. Schon deshalb hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet.
14 Im Übrigen war es auch verfehlt, zur Beurteilung der gemäß § 23 Abs. 3 FSG maßgebenden Sachverhaltsfrage, ob der Antragsteller im Besitz einer - aufrechten - Lenkberechtigung ist, eine Beobachtungsfahrt anzuordnen:
15 Nach dem iSd. §§ 46 AVG, 17 VwGVG auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgebenden Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel kommt als Beweismittel zwar alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Wie oben (unter Rn. 8) ausgeführt, kann demnach der Beweis für das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung (abgesehen von der Vorlage eines entsprechenden Führerscheins) auch auf jede andere Weise erbracht werden, die geeignet ist, die Überzeugung vom Besitz der Lenkberechtigung zu verschaffen. Maßgebliches Beweisthema iSd. § 23 Abs. 3 FSG ist das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung, nicht aber das Vorhandensein der für das Lenken eines Kraftfahrzeugs erforderlichen - theoretischen und praktischen - Fähigkeiten (hinzuweisen ist im gegebenen Zusammenhang darauf, dass für die Erteilung einer Lenkberechtigung nach § 23 Abs. 3 FSG ("Führerscheinumschreibung") zusätzlich die gesundheitliche Eignung - Abs. 3 Z 3 - sowie gegebenenfalls die fachliche Befähigung - Abs. 3 Z 4 - nachzuweisen ist). Vor diesem Hintergrund kann eine Beobachtungsfahrt nach § 9 FSG nicht als geeignetes Beweismittel für die maßgebliche Beweisfrage, ob der Antragsteller im Besitz einer (ausländischen) Lenkberechtigung ist, angesehen werden.
16 Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 15. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110059.L00Im RIS seit
11.07.2018Zuletzt aktualisiert am
19.07.2018