TE OGH 2018/4/10 5Ob44/18h

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen außer Streitsache der Antragsteller 1. MMag. R***** B*****, 2. MMag. L***** G*****, vertreten durch Mag. Hubert Traudtner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Immobilienverwaltung ***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 30 Abs 1 Z 5 iVm § 52 Abs 1 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Oktober 2017, GZ 40 R 262/17a-11, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. August 2017, GZ 46 Msch 33/16w-7, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der Wohnungseigentum begründet ist und auf der sich 49 Kfz-Abstellplätze auf Allgemeinflächen befinden. Die Antragsgegnerin ist die Verwalterin dieser Liegenschaft.

Die Antragsteller begehrten, der Antragsgegnerin aufzutragen, ihnen umfassend Auskunft über die Verwaltung der auf den Allgemeinflächen gelegenen Kfz-Abstellplätze zu erteilen, ihnen Einsicht in alle Unterlagen über die Verwaltung dieser Abstellflächen zu ermöglichen, vollständige Information zu den Mietern der einzelnen Kfz-Abstellplätze und deren Mietverhältnisse zu erteilen und eine Liste der auf Allgemeinflächen befindlichen Kfz-Abstellplätze und Kopien aller Mietverträge zu übermitteln. Sie hätten die Antragsgegnerin bereits im März und Juni 2016 zur Erteilung diverser Auskünfte über die Verwaltung der Stellplätze aufgefordert, die diesem Begehren jedoch nur unzulänglich nachgekommen sei. Nach § 20 Abs 7 Satz 1 WEG sei der Verwalter verpflichtet, ihnen die gewünschten Auskünfte zu erteilen.

Das Erstgericht wies das von der Antragsgegnerin bestrittene Begehren ab. Der Verwaltervertrag bestehe zwischen der Eigentümergemeinschaft als Machtgeberin und dem Verwalter, sodass die einzelnen Wohnungseigentümer in keinem Auftragsverhältnis zu diesem stünden. Individualrechte einzelner Mit- und Wohnungseigentümer zur Durchsetzung von Verwalterpflichten bestünden daher nur soweit, als diese im Gesetz ausdrücklich vorgesehen seien. Das Individualrecht auf Auskunftserteilung sei auf die in § 20 Abs 7 Satz 2 WEG genannten Fälle beschränkt; der in § 30 Abs 1 Z 5 WEG enthaltene Verweis auf § 20 Abs 7 umfasse nicht auch allgemeine Verwalterpflichten nach dem ABGB.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragsteller nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts (§ 60 Abs 2 AußStrG) und führte – zusammengefasst – ergänzend aus, § 20 Abs 7 Satz 1 WEG regle entgegen dem Verständnis der Antragsteller keine Verwalterpflicht iSd § 30 Abs 1 Z 5 WEG, sondern bezwecke lediglich, dass die Bestimmungen des 22. Hauptstücks des 2. Teils des ABGB der vertraglichen Disposition entzogen seien. Die nicht in § 20 Abs 7 Satz 2 WEG genannten Auskunftspflichten seien mangels Normierung eines Individualrechts in § 30 Abs 1 Z 5 WEG im streitigen Verfahren zu verfolgen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine ausdrückliche Stellungnahme des Höchstgerichts zur Frage, ob die Durchsetzung der in § 20 Abs 7 WEG nicht explizit genannten Auskunftspflichten durch den Wohnungseigentümer im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 WEG zu erfolgen habe, nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller, der zulässig, aber nicht berechtigt ist.

Die Antragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Verfahren auf Durchsetzung von Verwalterpflichten durch einen Minderheitseigentümer gilt die Dispositionsmaxime uneingeschränkt, sodass das Gericht an das Vorbringen und den Sachantrag der Antragsteller gebunden ist (vgl 5 Ob 270/07b).

2.1 Nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG ist über Anträge zur Durchsetzung der Pflichten des Verwalters (§§ 20 Abs 1 bis 7, 31 Abs 3 WEG) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Minderheitsrechte der Wohnungseigentümer (§ 30 Abs 1 und Abs 2 WEG) sind gemäß § 52 Abs 1 Z 3 WEG ebenfalls im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen.

2.2 Bereits in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz haben die Antragsteller ausdrücklich klargestellt, dass sie ihr Auskunftsbegehren aus § 20 Abs 7 Satz 1 WEG (iVm § 30 Abs 1 Z 5 WEG) ableiten. Sie haben sich damit auf ein ihnen als Wohnungseigentümer zustehendes Minderheitsrecht berufen, das die Vorinstanzen zu Recht im Verfahren außer Streitsachen geprüft und sich dabei auf das Vorbringen und den Sachantrag der Antragsteller beschränkt haben.

3.1 Auch im Revisionsrekursverfahren stehen die Antragsteller auf dem Standpunkt, aus dem (uneingeschränkten) Verweis auf § 20 Abs 7 WEG in § 30 Abs 1 Z 5 WEG seien aus der in § 1009 ABGB normierten Treuepflicht Informationspflichten der Verwalterin als Gewalthaberin abzuleiten, die als Individualrecht von jedem Wohnungseigentümer im Verfahren außer Streitsachen durchgesetzt werden könnten.

3.2 Aus Anlass des Rechtsmittels der Antragsteller ist damit lediglich zu prüfen, ob der Verweis in § 30 Abs 1 Z 5 WEG den Wohnungseigentümern ein im Verfahren außer Streitsachen durchsetzbares Individualrecht auf Information in dem von den Antragstellern begehrten Umfang gibt, oder ob die in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG durchsetzbaren Auskunftspflichten des Verwalters auf die in § 20 Abs 7 Satz 2 WEG ausdrücklich geregelten Tatbestände beschränkt sind.

4.1 Nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG sind die im § 30 Abs 1 und 2 WEG geregelten Minderheitsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers in das Verfahren außer Streitsachen verwiesen. Das Individualrecht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, dem Verwalter die Einhaltung seiner Pflichten aufzutragen, wird dabei durch § 30 Abs 1 Z 5 WEG beschränkt (5 Ob 115/17y). Danach kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass dem Verwalter bei Verstößen gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG die Einhaltung dieser Pflichten aufgetragen oder der Verwaltungsvertrag wegen grober Verletzung der Pflichten des Verwalters aufgelöst wird.

4.2 Nach § 20 Abs 7 WEG können die dem Verwalter als Machthaber nach dem 22. Hauptstück des 2. Teils des ABGB auferlegten Verbindlichkeiten weder aufgehoben noch beschränkt werden (Satz 1). Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung hat der Verwalter auf Verlangen jedem Wohnungseigentümer Auskunft über den Inhalt des Verwaltungsvertrags, besonders über die Entgeltvereinbarungen und den Umfang der vereinbarten Leistungen, und im Fall einer schriftlichen Willensbildung (§ 24 Abs 1) über das Stimmverhalten der anderen Wohnungseigentümer zu geben.

4.3.1 Der 2. Satz des § 20 Abs 7 WEG wurde durch die Wohnrechtsnovelle (WRN) 2006, BGBl I 2006/124, neu eingeführt.

4.3.2 § 20 Abs 7 WEG idF vor der WRN 2006 lautete:

„Die dem Verwalter als Machthaber nach dem 22. Hauptstück des 2. Teils des ABGB auferlegten Verbindlichkeiten können weder aufgehoben noch beschränkt werden.“

Diese Bestimmung fand sich wortgleich bereits in § 17 Abs 3 WEG 1975. Nach dem Bericht des Justizausschusses (abgedruckt bei Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 § 17 Rz 7) sollte dadurch die Aufhebung oder Beschränkung der dem Verwalter als Machthaber in den §§ 1002 ff ABGB auferlegten Pflichten ausgeschlossen werden. Sie entzog daher die dem Verwalter nach dem ABGB auferlegten Pflichten einer vertraglichen Disposition.

4.3.3 In der Fassung vor der WRN 2006 betraf der Verweis in § 30 Abs 1 Z 5 WEG Verstöße des Verwalters gegen § 20 Abs 2 bis 6 WEG. § 20 Abs 7 WEG idF vor der WRN 2006 war davon nicht erfasst.

4.3.4 Nach den Materialien zur WRN 2006 (1183 BlgNR XXII. GP 24 f) sollte mit Satz 2 des § 20 Abs 7 WEG eine Klarstellung zu solchen Auskunftspflichten des Verwalters erfolgen, hinsichtlich derer es in der Praxis häufig zu Zweifeln und Friktionen gekommen sei. Eine abschließende Regelung der den Verwalter gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer treffenden Auskunftspflichten war danach jedoch nicht angestrebt.

4.4 Zugleich mit der Einfügung des § 20 Abs 7 Satz 2 WEG durch die WRN 2006 wurde § 30 Abs 1 Z 5 WEG geändert und der darin enthaltene Verweis auf diese Bestimmung erweitert. Diese Änderung ging auf einen Hinweis im Begutachtungsverfahren zurück, dass die mit dieser Novelle „in § 20 Abs 7 WEG ausdrücklich aufgenommene Informationspflichten des Verwalters von jedem Wohnungseigentümer im Außerstreitverfahren durchsetzbar sein sollten“ (vgl 1183 BlgNR XXII. GP 27).

5.1 Bereits die Gesetzeswerdung macht deutlich, dass der mit der WRN 2006 in § 30 Abs 1 Z 5 WEG aufgenommene Verweis auf § 20 Abs 7 WEG ausschließlich bezweckte, die im Gesetz zu diesem Zeitpunkt bereits normierten Individualrechte zur Durchsetzung von Verwalterpflichten um die mit dieser Novelle in § 20 Abs 7 Satz 2 ausdrücklich genannten Informationspflichten zu erweitern.

5.2 Auch haben die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0110934) und der Lehre (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 19 WEG Rz 26; Schauer in Illedits/Reichwig-Rohrwig, Wohnrecht2 § 20 WEG Rz 13; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 19 WEG Rz 5) Vertragspartner des Verwalters nicht die einzelnen Wohnungseigentümer sind, sondern die Eigentümergemeinschaft (§ 18 WEG) ist. Nach § 20 Abs 7 Satz 1 WEG 2002 sind die Bestimmungen über den Bevollmächtigungsvertrag (§§ 1002 ff ABGB) daher zugunsten der Eigentümergemeinschaft zwingend (5 Ob 98/12s; 5 Ob 110/12f; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 20 WEG Rz 44; Schauer aaO § 20 WEG Rz 34). Demgegenüber steht der Verwalter zu den einzelnen Wohnungseigentümern in keinem direkten Rechtsverhältnis (5 Ob 238/09z; 6 Ob 3/14f), sodass sich aus Treuepflichten des Verwalters als Gewalthaber (dazu allgemein Strasser in Rummel, ABGB3 § 1009, Rz 17) auch keine unmittelbaren Ansprüche zu deren Gunsten und damit auch keine nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG im Verfahren außer Streitsachen durchsetzbaren Minderheitsansprüche ableiten lassen. Auch daraus folgt, dass der Verweis in § 30 Abs 1 Z 5 WEG nur die in § 20 Abs 7 Satz 2 ausdrücklich genannten Pflichten des Verwalters zur Auskunftserteilung erfasst.

6. Zusammenfassend folgt, dass der Verweis auf § 20 Abs 7 WEG in § 30 Abs 1 Z 5 WEG abweichend von seinem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden muss und entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht dahin verstanden werden kann, dass die allgemeinen Pflichten des Verwalters nach dem 22. Hauptstücks des 2. Teils des ABGB als Minderheitsrecht von jedem einzelnen Wohnungseigentümer im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht werden könnten. Bereits die Gesetzwerdung macht deutlich, dass diese Bestimmung nur dahin verstanden werden kann, dass der Verweis lediglich § 20 Abs 7 Satz 2 WEG und die darin ausdrücklich genannten Auskunftspflichten erfasst. Das Auskunftsbegehren der Antragsteller fällt nicht darunter, sodass es die Vorinstanzen zu Recht nicht den im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machenden Individualrechten eines Wohnungseigentümers zugeordnet und den Antrag abgewiesen haben.

7. Die Antragsteller haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Textnummer

E121857

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00044.18H.0410.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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