TE OGH 2018/4/10 5Ob42/18i

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. F***** 2. B*****, beide vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte in Bad Hofgastein, gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der Liegenschaftsadresse P***** wegen § 52 Abs 1 Z 9 iVm § 32 Abs 5 zweiter Fall WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Dezember 2017, GZ 22 R 395/17t-29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag auf Neufestsetzung des Verteilungsschlüssels dahin ab, die Antragsteller zu 4/5 von der Tragung der mit der Liftanlage der Wohnungseigentumsanlage zusammenhängenden Gesamtkosten ab der Abrechnungsperiode 2017 zu befreien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. § 32 Abs 5 WEG 2002 ermöglicht einem Wohnungseigentümer, bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Die Abänderung des Aufteilungsschlüssels für die Kosten eines Aufzugs setzt voraus, dass die objektive Nutzungsmöglichkeit für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt (RIS-Justiz RS0083087). Die Beurteilung der Frage, inwieweit eine Befreiung von Liftkosten gerechtfertigt ist, ist eine Ermessensentscheidung im Einzelfall (RIS-Justiz RS0107157 [T3]), die für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar wäre, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Dies ist hier nicht der Fall.

2. Wohnungseigentümer von im Erdgeschoss liegenden Objekten werden zwar in der Regel um 4/5 von der Tragung der Liftkosten dann befreit, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können (5 Ob 129/14b = wobl 2015/74 mwN). In einem Fall (5 Ob 19/01g = wobl 2001/161 [Call]), wo der Lift einerseits allgemein nutzbare Dachterrassen und andererseits – oftmals benutzte – Coloniaräume im Kellergeschoss erschloss, wurde hingegen die Beurteilung, es lägen keine erheblichen Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit des Liftes vor, für jedenfalls vertretbar angesehen. Auch zu 5 Ob 55/15x = wobl 2015/128, wo die Antragstellerin als Wohnungseigentümerin zweier im Erdgeschoss liegender Geschäftsräumlichkeiten sowie eines Garagenstellplatzes und einer Garage im ersten Untergeschoss auch Lager und Küche in diesem Untergeschoss nutzen konnte, dazu eine allgemein zugängliche Dachterrasse und weitere allgemein zugängliche Räumlichkeiten im zweiten Obergeschoss, sah der Fachsenat durch die Beurteilung, über die Lifte seien nach objektiven Kriterien nicht nur selten aufgesuchte Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller erreichbar, den Ermessensrahmen nicht überschritten (in diesem Sinn auch 5 Ob 54/15z = wobl 2015/127).

3. Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer der Wohnung Top Nr 1 und des Tiefgaragenabstellplatzes TG 1. Ihre Wohnung liegt im „Erdgeschoss“, das allerdings vom Haupteingang über ein Treppenhaus und fünf Stufen zu erreichen ist. Neben der Wohnung der Antragsteller befinden sich dort zwei weitere Wohnungen, dieses „Erdgeschoss“ ist durch einen Liftzugang erschlossen. Über dem „Erdgeschoss“ befinden sich zwei Obergeschosse mit jeweils ebenfalls drei Wohnungen und je einem Liftzugang. Auch das Kellergeschoss ist über den Lift erschlossen, im Keller befinden sich der Technikraum, eine „Waschküche“, die mit Vorrichtungen zum Abstellen von Schiern ausgestattet ist, ein Kinderwagenraum, der auch zum Abstellen von Fahrrädern genutzt wird, und die Tiefgarage mit dem Tiefgaragenabstellplatz der Antragsteller. Außer über das Kellergeschoss ist die Tiefgarage auch über einen separaten Tiefgarageneingang erreichbar.

4. Die Vorinstanzen gingen vertretbar davon aus, die objektive Nutzungsmöglichkeit des Aufzugs für die Antragsteller bleibe nicht erheblich hinter der der übrigen Miteigentümer zurück. Ein Tiefgaragenabstellplatz ist keine nach objektiven Kriterien selten aufgesuchte Gemeinschaftsräumlichkeit. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt grundlegend von dem zu 5 Ob 129/14b (= wobl 2015/74) entschiedenen Fall. Die Antragsteller haben überdies über den Zugang zum Tiefgaragenabstellplatz die Möglichkeit, den Lift vom Kellergeschoss aus – ebenso wie die Wohnungseigentümer der darüber liegenden Geschosse – dazu zu verwenden, schwere Lasten direkt in das Erdgeschoss auf die Ebene ihrer Wohnung zu transportieren, ohne die Stufen vom Haupteingang zur Wohnungstür zurücklegen zu müssen. Insoweit ist daher von einer besonderen Attraktivität der Liftnutzung auch für die Antragsteller auszugehen.

Der zu 5 Ob 2423/96a beurteilte Sachverhalt ist nicht vergleichbar, weil dort der Lift im Halbstock hielt, das Geschäftslokal der Antragsteller sich allerdings – im Gegensatz zum hier zu beurteilenden Fall – im Erdgeschoss befand, sodass sie eine Reihe von Stufen überwinden mussten, um ihn zu verwenden. Hier liegt der Liftzugang des „Erdgeschosses“ hingegen auf derselben Ebene wie die Wohnung der Antragsteller. Auch 5 Ob 48/12p (= wobl 2013/19), wo der Lift ebenso wie die Ordination des Antragstellers im Hochparterre lag, ist nicht vergleichbar. Dort wurde eine erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit bejaht, weil der Antragsteller den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Geschäftsräumlichkeiten im Keller nutzen konnte, wobei auch über den Kellereingang kein barrierefreier Zugang für Patienten gewährleistet war. Über einen Tiefgaragenstellplatz verfügte der Antragsteller ebenfalls nicht.

                  Wenn die Vorinstanzen in diesem Fall eine teilweise Befreiung der Antragsteller von den Liftkosten ablehnten, bleiben sie in dem von der bisherigen Judikatur gezogenen Ermessensrahmen ohne dass es darauf ankäme, ob der Dachboden in die Wohnungseigentumsobjekte integriert ist oder nicht und ob das Haus über einen Fernwärmeanschluss oder eine Satellitenanlage am Dach verfügt.

5. Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 zurückzuweisen.

Textnummer

E121882

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00042.18I.0410.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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