TE OGH 2018/5/23 3Ob89/18m

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*****, 2. H*****, beide vertreten durch Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei C*****gmbH, *****, als Insolvenzverwalterin im Konkurs über das Vermögen der E***** GmbH, vertreten durch muhri & werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen Feststellung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2018, GZ 4 R 174/17s-21, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. August 2017, GZ 35 Cg 18/16s-17, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.480,29 EUR (hierin enthalten 413,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Kläger investierten im Jahr 2010 über Beratung der späteren Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) insgesamt 52.032,65 EUR in die – mittlerweile ebenfalls insolvente – H***** AG. Die Berater der Beklagten klärten die Kläger unrichtig über das (riskante) Produkt auf, indem sie es als sicher darstellten. Die Haftung der Beklagten für die dadurch entstandenen Schäden aufgrund ihres Alleinverschuldens ist unstrittig. Ohne die Fehlberatung hätten die Kläger aus dem investierten Kapital einen Zinsertrag von 5.517,11 EUR erwirtschaftet. Vom Gesamtschaden in Höhe von 57.549,76 EUR entfallen (lt Klage [AS 5]) 46.418,68 EUR auf den Erstkläger und 11.131,07 EUR auf die Zweitklägerin. Eine Rückzahlung (eines Teils) der investierten Beträge ist nicht ausgeschlossen.

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten begehrten die Kläger den Zuspruch von 46.418,68 EUR sA bzw 11.131,07 EUR sA. Die Beklagte erhob unter anderem den Einwand, dass die Zahlung nur Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte der Kläger aus der Veranlagung zu erfolgen habe.

Nach Konkurseröffnung, Bestreitung ihrer angemeldeten Forderungen und Fortsetzung des Verfahrens modifizierten die Kläger ihr Begehren dahin, dass sie die Feststellung ihrer Schadenersatzansprüche als unbedingte Insolvenzforderungen anstreben. Eine bedingte Forderung liege nicht vor, weil der Schaden bereits mit Zeichnung des nicht gewünschten Produkts eingetreten sei. Die Forderung sei auch nicht Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche als unbedingte Forderung anzumelden gewesen. Eine Übertragung der Produkte auf die Beklagte wäre untunlich, weil die Kläger dennoch nur die Quote erhalten würden, was eine Bereicherung der Masse zur Folge hätte, und weil sie im Fall der Abtretung sämtlicher Ansprüche ihre Schadenersatzansprüche gegenüber weiteren Schädigern nicht mehr geltend machen könnten.

Die Beklagte anerkannte nach Konkurseröffnung das Klagebegehren insofern, als die Forderungen der Kläger (nur) Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Ansprüche gegenüber der H***** GmbH zu Recht bestünden. Die Höhe des Schadens stehe noch nicht fest, sodass entweder ein Feststellungsbegehren oder ein Zug-um-Zug-Begehren zu erheben sei.

Das Erstgericht stellte fest, dass den Klägern im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten jeweils eine bedingte Insolvenzforderung (über 46.418,68 EUR bzw 11.131,07 EUR) zustehe und wies das Mehrgehen auf Feststellung entsprechender unbedingter Insolvenz-forderungen ab. Bei einer fehlerhaften Anlageberatung trete der reale Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein. In diesem Fall gebühre ihm, sofern er die Anlageprodukte noch halte, grundsätzlich Naturalersatz in der Form, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden zurückzuzahlen sei. Ansprüche auf Ersatz künftiger Schäden seien im Konkursverfahren des Schädigers zu schätzen und als bedingte Forderung anzumelden. Gleiches müsse für Schäden gelten, die – wie hier – zwar bereits eingetreten seien, deren Höhe jedoch noch nicht ziffernmäßig beurteilt werden könne, weil noch nicht feststehe, ob die Anlageprodukte der Kläger noch werthaltig seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und hob das Urteil des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Die Forderung der Kläger sei nicht bedingt iSd § 16 IO, sondern bereits fällig. Die Zug-um-Zug-Abwicklung von Anlegerschäden habe keine Sicherungsfunktion; ihr Zweck sei nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten, sondern die Schadensberechnung durch sogenannte „Naturalrestitution“. Dabei solle eine ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten dadurch vermieden werden, dass er Zug um Zug gegen Ersatz der wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten zur Übertragung des Finanzprodukts verpflichtet werde. Die „Naturalrestitution“ sei daher eine besondere (Berechnungs-)Form des Geldersatzes. Die Höhe des vom Anlageberater letztlich zu tragenden Schadens hänge von der ihm überlassenen Zug-um-Zug-Abwicklung ab. Im Insolvenzverfahren müssten ziffernmäßig bestimmte Forderungen angemeldet werden. Eine Zug-um-Zug-Forderung des geschädigten Anlegers sei der Höhe nach unbestimmt und müsse im Insolvenzverfahren des haftenden Anlageberaters deshalb iSd § 14 Abs 1 IO als unbedingte Insolvenzforderung mit dem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet werden. Es bedürfe daher der Feststellung des Werts der Ansprüche der Kläger aus der erworbenen Veranlagung, zumal deren Wertlosigkeit bzw Uneinbringlichkeit nicht unstrittig sei und auch feststehe, dass eine Rückzahlung des von den Klägern veranlagten Geldes nicht ausgeschlossen sei, somit völlig unklar sei, ob und in welcher Höhe die Forderungen der Kläger im Insolvenzverfahren der Produktgesellschaft befriedigt würden. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Werthaltigkeit der Ansprüche der Kläger aus der über Beratung der Beklagten erworbenen Veranlagung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu treffen haben; davon werde abhängen, ob die ansonsten unstrittigen Forderungen der Kläger zu kürzen seien.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seine Entscheidung zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob und in welcher Weise bei (nachträglicher) Insolvenzeröffnung über das Vermögen der schadenersatzpflichtigen Anlageberaterin im Prüfungsprozess auf die seinerzeitige Verpflichtung der Beklagten zur Schadenersatzzahlung nur Zug um Zug gegen die Übertragung der von den Anlegern erworbenen Produkte Bedacht zu nehmen sei.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse beider Parteien. Die Kläger beantragen, dass ihrem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben werde. Die Beklagte begehrt dessen gänzliche Abweisung.

In ihrer Rekursbeantwortung beantragen die Kläger, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Beklagte beantragt, den Rekurs der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht (mehr) zulässig.

1.1. Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, der Aufhebungsbeschluss sei verfehlt, weil eine Feststellung der Werthaltigkeit ihrer Veranlagungen nicht zu erfolgen habe; richtigerweise sei ihrem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, weil ihnen unbedingte Insolvenzforderungen in der geltend gemachten Höhe zustünden.

1.2. Die Beklagte macht demgegenüber im Wesentlichen geltend, das Klagebegehren sei zur Gänze abzuweisen, weil § 21 IO analog auf das beiderseits noch nicht voll erfüllte Rückgewährschuldverhältnis anzuwenden sei, sodass dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht zwischen Erfüllung und Rücktritt zukomme. Bis zur Ausübung dieses Wahlrechts bestehe ein Schwebezustand, in dem der Geschädigte weder Insolvenz- noch Massegläubiger sei. Schon aus diesem Grund scheide das Bestehen einer unbedingten Insolvenzforderung iSd § 14 IO aus. Werde der unterbrochene Leistungsprozess vor Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter wegen der ohne das Zug-um-Zug-Element angemeldeten (ursprünglichen) Forderung des Anlegers fortgesetzt, habe das Prozessgericht festzustellen, dass es die geltend gemachte Insolvenzforderung nicht gebe.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich jüngst in der einen vergleichbaren Fall betreffenden Entscheidung 1 Ob 208/17w (= RIS-Justiz RS0124734 [T2]) mit der Frage der (nachträglichen) Forderungsanmeldung bei einem Schadenersatzanspruch eines Anlegers, der (richtigerweise) Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere zu erfüllen ist, beschäftigt und dazu Folgendes ausgeführt:

2.2. […] Bei einer Kapitalveranlagung liegt ein zu ersetzender Schaden bereits darin, dass ein Anleger kein wertstabiles (wie von ihm gewünscht), sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier (oder Edelmetall) erworben hat (RIS-Justiz

RS0120784 [T7]). Für das Vorliegen eines realen Schadens reicht es aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (6 Ob 7/15w mwN).

Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig noch zu behalten, besteht ein – vereinfacht gesagt auf 'Naturalrestitution' gerichteter – Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS-Justiz

RS0108267 [T15];

RS0120784 [T22]). […] Diese Variante des Leistungsbegehrens steht auch gegenüber dem bloßen Anlageberater zu, von dem die Finanzprodukte nicht erworben wurden (8 Ob 39/12m mwN). Hätte der Anleger bei richtiger Beratung die Vermögensanlage nicht gekauft, hat er daher im Rahmen der 'Naturalrestitution' (§ 1323 ABGB) Anspruch auf Rückzahlung der zum Erwerb der Vermögensanlage gezahlten Kaufpreise abzüglich allfälliger erhaltener Zinszahlungen Zug um Zug gegen Übertragung der Vermögensanlage (RIS-Justiz

RS0108267 [T5];

RS0120784 [T3]). […]

2.3. Zutreffend legte das Berufungsgericht dar, dass die von der Klägerin im Insolvenzverfahren der Schuldnerin angemeldete Schadenersatzforderung keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO ist; sie war vielmehr bereits im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz und der Insolvenzeröffnung fällig. Die klagende Anlegerin hat einen auf Geldersatz gerichteten schadenersatzrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der Investition. Bei diesem Anspruch auf 'Naturalrestitution' handelt es sich nicht um ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren über künftige Schadenersatzansprüche, die im Insolvenzverfahren als bedingte Insolvenzforderung (§ 16 IO) mit dem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 14 Abs 1 IO) anzumelden wären (vgl dazu RIS-Justiz

RS0124734 [T1]).

2.4. Die von der Beklagten herangezogene Bestimmung des § 21 Abs 1 IO, die von einem Teil der Lehre auch auf 'Rückabwicklungsschuldverhältnisse' (Verhältnisse, die sich aus der Auflösung von gegenseitigen Verträgen ergeben) angewandt wird (so etwa Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 21 KO Rz 39; aA Iro, Das Zug-um-Zug-Prinzip im Insolvenzverfahren, RdW 1985, 101 [102]; H. Kepplinger, Das Synallagma in der Insolvenz [2000], 347), gelangt nicht – auch nicht analog – zur Anwendung. In casu handelt es sich nicht um ein 'Rückabwicklungsschuldverhältnis', sondern um einen – ohne Beachtung der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens – zu berücksichtigenden Bereicherungsausgleich. Dabei geht es um eine Frage der Höhe des Anspruchs (vgl zum Vorteilsausgleich 7 Ob 89/14k; 10 Ob 85/15w; RIS-Justiz

RS0022788 [T4, T5]). § 21 IO betrifft im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten (RIS-Justiz

RS0119883). Die Schuldnerin hat ohne Zahlung gerade keinen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere, den grundsätzlich die wechselseitige Verpflichtung Zug um Zug sichern soll. § 21 IO ist hier auch nicht analog anzuwenden, weil die Zug-um-Zug-Abwicklung bei Anlegerschäden keine Sicherungsfunktion wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB hat, sondern eine Form des Bereicherungsausgleichs ist. Ihr Zweck ist nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten (den geschädigten Anleger trifft keine Herausgabepflicht), sondern die Schadensberechnung 'durch Naturalrestitution' (8 Ob 79/16z).

2.5. Die Klägerin hat ihre Schadenersatz-forderungen auf 'Naturalrestitution' zutreffend als unbedingte Forderungen angemeldet. Im Insolvenzverfahren kann grundsätzlich aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen vom Schuldner nicht die Zug-um-Zug-Einrede erhoben werden. Dieser Einwand steht ihm nur außerhalb des Insolvenzverfahrens offen (Tremel, Insolvenzaufhebung während anhängigem Prüfungsprozess, ZIK 2017/9, 11 [15]). Die Anmeldung einer Forderung Zug um Zug gegen die Übertragung der Finanzprodukte ist im Insolvenzrecht nicht vorgesehen. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass bei einer Zug-um-Zug-Verpflichtung eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 Abs 1 IO vorliegt.

Die 'Naturalrestitution' bzw der 'Naturalersatz' ist – wie dargelegt – beim Schaden durch Erwerb einer unerwünschten Anlage nur eine besondere Berechnungsform des Geldersatzes (8 Ob 79/16z ua; RIS-Justiz

RS0129706 [T4]). Gemäß § 14 Abs 1 IO sind insbesondere Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Steht daher eine Insolvenzforderung ihrer Höhe nach nicht fest, kann sie mit dem Schätzwert zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung angemeldet und im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden. Der Wert einer 'Zug-um-Zug-Einschränkung' eines Schadenersatzanspruchs ist im Insolvenzverfahren daher in entsprechender Anwendung des § 14 Abs 1 IO zu schätzen und – falls nicht null – vom Schadenersatzbetrag abzuziehen […]. Daher wäre (bei Werthaltigkeit) der Wert der Finanzprodukte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von den wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten abzuziehen und die Differenz als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden. Ein Prüfungsbegehren, das auf Feststellung einer Geldforderung zu lauten hat (RIS-Justiz

RS0065442), wäre auch nur in dieser Höhe berechtigt.

3. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin kann gegen diese während des Insolvenzverfahrens ein Leistungsurteil nicht erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige Leistungsprozess gemäß § 113 IO zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Gegenstand des Prüfungsprozesses ist der Teilnahmeanspruch, so wie er der Prüfungsverhandlung zugrunde lag (RIS-Justiz

RS0065601). Das Klagebegehren im Prüfungsprozess kann nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, denn die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt; es gibt daher in einem solchen keine Erweiterung oder Änderung des Klagsgrundes und auch keine Klagsänderung. Diese Begrenzung der Prüfungsklage ist von Amts wegen jederzeit zu beachten. Der Geltendmachung einer im Insolvenzverfahren nicht in diesem Sinn angemeldeten Forderung steht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Unzulässig sind Klageänderungen; Ergänzungen sind zulässig, wenn die Forderung schon in der Anmeldung individualisiert worden ist (RIS-Justiz

RS0039281 [besonders T12, T17];

RS0065597).

Gegenstand der Forderungsanmeldung der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin waren ihre unbedingt angemeldeten Schadenersatzforderungen aus der fehlerhaften Anlageberatung (Ankaufskosten zuzüglich kapitalisierte Zinsen aus einer Alternativveranlagung für die beiden Veranlagungsprodukte) ohne Abzug des Werts des Bereicherungsausgleichs ('Zug-um-Zug-Einschränkung'). Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin kein 'anderes Klagebegehren erhoben, als dieses Gegenstand der unbedingten Forderungsanmeldung ist'. Dass sich ihr Schadenersatzanspruch der Höhe nach um den Wert der jeweiligen Anlageprodukte vermindern könnte, führt nicht dazu, dass Gegenstand des Prüfungsprozesses eine andere als die angemeldete Forderung wäre. [...]“

2.2. Mittlerweile haben sich der vierte und der neunte Senat zu 4 Ob 57/18p und 9 Ob 81/17b dieser Rechtsauffassung angeschlossen.

3. Der erkennende Senat sieht sich durch die Rechtsmittelausführungen nicht veranlasst, von dieser mittlerweile gefestigten Rechtsprechung abzugehen. Andere als die in der Entscheidung 1 Ob 208/17w bereits behandelten Aspekte werfen die Rekurse nicht auf.

4. Die Rekurse sind daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten der Rekursbeantwortung der Kläger auf §§ 40, 50 ZPO und hinsichtlich jener der Beklagten auf §§ 41, 50 ZPO.

Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222 [T2, T4]; RS0035976 [T2]). (Nur) Die Beklagte hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des Rekurses der Gegenseite hingewiesen.

Textnummer

E121971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00089.18M.0523.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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