TE OGH 2018/5/28 21Ds3/17d

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Veröffentlicht am 28.05.2018
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Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Pressl und Dr. Grassner sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Oberkontrollorin Trsek als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung der Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Salzburg vom 25. April 2017, GZ DISZ/16-16-950.522-31, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** schuldig erkannt, „sie habe dadurch, dass sie in einer Wiederaufnahmsklage gegen den Richter des Bezirksgerichts *****, Herrn Dr. Günther R***** den Vorwurf erhoben habe, dass Herr Dr. Günther R***** das Verbrechen des Amtsmissbrauches begangen habe, gegen Berufspflichten verstoßen und Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt“.

Über die Beschuldigte wurde eine „Geldstrafe“ in Höhe von 2.000 Euro verhängt und die Entscheidung über die Kosten „einer gesonderten Beschlussfassung vorbehalten“.

Nach den den Spruch verdeutlichenden Feststellungen (Erkenntnis S 2 ff) bezichtigte sie in einer zu den verbundenen Rechtssachen AZ 1 C 766/13b und AZ 1 C 841/13g des Bezirksgerichts ***** erhobenen, unter anderem auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklage vom 28. Jänner 2016 den Erstrichter Dr. R*****, bei der Erlassung des Zwischenurteils vom 6. November 2014 den Tatbestand des § 302 StGB verwirklicht zu haben, indem er zumindest mit dem bedingten Vorsatz, die klagende Partei an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht habe, indem er wider besseres Wissen eine (näher bezeichnete) Sachverhaltsfeststellung getroffen, sowie in der Verhandlung vom 10. Oktober 2014 eine falsche Erinnerung an Vorgänge über die verfahrensgegenständliche Auflösung eines Mietvertrags kundgetan und gegenüber einer Zeugin falsche Vorhalte getätigt habe.

Unter einem erstattete die Beschuldigte Strafanzeige wegen der genannten strafbaren Handlungen gegen den Erstrichter, welche mit einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft endete.

Eine hinreichende Sachverhaltsgrundlage für die Vorwürfe konnte der Disziplinarrat nicht erkennen (ES 6 f).

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Erkenntnis richtet sich die – auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 1, 4 und 9 lit a StPO relevierende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung wegen Schuld und Strafe.

Die Besetzungsrüge (Z 1) benennt mit dem Hinweis auf zahlreiche beim Bezirksgericht ***** anhängige zivilrechtliche Auseinandersetzungen im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die weder mit dem anzeigenden Erstrichter noch der Beschuldigten noch mit den im Erkenntnis angeführten Mietrechtsstreitigkeiten in irgendeinem Zusammenhang stehen und in denen das Mitglied des Disziplinarrats Dr. Christoph G***** Rechtsvertreter der jeweiligen Gegenpartei der (von der Beschuldigten in den hier gegenständlichen Mietrechtsstreitigkeiten vertretenen) Pauline H***** „und/oder“ deren Tochter Mag. Sabine Hu***** (gewesen) sei, keinen Ausschließungsgrund nach § 26 Abs 1 DSt und macht (unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO [iVm § 77 Abs 3 DSt; vgl dazu RIS-Justiz RS0101391 {T4}; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 26 DSt Rz 7]) auch nicht deutlich, weshalb daraus Gründe für die Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung des bezeichneten Anwaltsrichters durch unsachliche Motive oder der Anschein einer solchen abzuleiten wären (vgl RIS-Justiz RS0114514; Lässig, WK-StPO § 43 Rz 9 ff [insbesondere Rz 11]).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) konnte der Antrag auf „Beischaffung und Abhörung des Tonbandes zum Beweis dafür, dass die fraglichen Passagen (gemeint: ES 4 f) nach Maßgabe dieser Tonbandaufnahme nicht feststellbar sind“ (ON 30 S 5), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil der Disziplinarrat den unter Beweis zu stellenden Umstand als erwiesen ansah (vgl ES 3 f und 6 f; § 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0124908 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).

Die – auf die Ausführungen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld verweisende – Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den hinreichende Indizien für die Annahme eines wissentlichen Befugnismissbrauchs durch den Erstrichter verneinenden Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats (ES 6 bis 8) und verfehlt damit die gesetzmäßige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Unter dem Aspekt der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Anwaltsstandes (Z 10) hat das gesetzte Fehlverhalten der Beschuldigten mit Blick auf die zur (nach dem Berufungsvorbringen im Übrigen über mehrere Instanzen erfolgte) Klagsführung sowie zur Befassung von Staatsanwaltschaft und Gericht getroffenen Konstatierungen auch hinreichende Publizitätswirkung (RIS-Justiz RS0054876, RS0055086, RS0055093; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 1 DSt, 859) entfaltet.

Die Berufung wegen Schuld vermag mit den Hinweisen auf die Tonbandaufnahme, das bezughabende Gutachten des Sachverständigen Ro***** und die Verantwortung der Beschuldigten sowie mit der Kritik an jeweils isoliert betrachteten beweiswürdigenden Erwägungen des Disziplinarrats und daraus abgeleiteten, für sie günstigeren Schlussfolgerungen keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken.

Die Berufungswerberin, welche vor den inkriminierten Äußerungen in der Wiederaufnahmsklage mit dem Verfahren nicht befasst war, war auf die Informationen von Seiten ihrer Mandantschaft angewiesen. Ihr war der Akteninhalt bekannt, nach dem der die Disziplinaranzeige erstattende Erstrichter seine Wahrnehmungen in Bezug auf Gespräche über den Auszugstermin der Prozessgegner als „seiner Erinnerung nach“ relativierte und erhob dennoch – ohne irgendein Motiv nennen zu können – dermaßen schwerwiegende explizite Vorwürfe eines Verbrechens, die weit über das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art 10 MRK und die Verpflichtung nach § 9 Abs 1 RAO hinausgehen.

Auch die Strafberufung versagt.

Der Disziplinarrat wertete als erschwerend die Uneinsichtigkeit der Beschuldigten, als mildernd deren disziplinäre Unbescholtenheit.

Der an sich nichtigkeitsbegründende (Z 11 zweiter Fall) Aggravierungsvorwurf ist, ohne dass es einer amtswegigen Maßnahme bedürfte, im Rahmen der Strafberufung zu beseitigen (RIS-Justiz RS0056731, RS0090897 [T7]).

Mit Blick auf den unbegründeten schweren Vorwurf eines Verbrechens erweist sich die vom Disziplinarrat gefundene Sanktion als moderat und keiner Herabsetzung zugänglich. Sie entspricht auch den durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eines Rechtsanwalts.

Einer Kostenentscheidung nach § 54 Abs 5 DSt ist die Basis entzogen, weil die erstinstanzliche Entscheidung keinen Ausspruch über die grundsätzliche Kostenersatzpflicht enthält (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 4).

Textnummer

E121883

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0210DS00003.17D.0528.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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