Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Kündigungsanfechtung, in eventu Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2018, GZ 6 Ra 59/17v-29, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Eventualkündigung durch den Arbeitgeber während der Dauer des Kündigungsanfechtungsverfahrens iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG zulässig ist (8 ObA 4/03a ua; zuletzt 9 ObA 127/16s). Eine solche Eventualkündigung ist als Kündigung unter einer Rechtsbedingung aufzufassen, sodass dies zu keiner unzumutbaren Ungewissheit für den gekündigten Arbeitnehmer führt (RIS-Justiz RS0028418 [T4]).
Unter diesem Gesichtspunkt begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte die Anlass dieses Verfahrens bildende Kündigung im Laufe des ersten Kündigungsanfechtungsverfahrens „aus Vorsichtsgründen“ ausgesprochen hat.
2. Zu 8 ObA 63/12s hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass das Bestreben des Arbeitnehmers, nicht gekündigt zu werden, angesichts der im österreichischen Arbeitsrecht geltenden Kündigungsfreiheit keinen durch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geschützten Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis darstellt. Der Arbeitgeber stellt daher mit einer Eventualkündigung für den Fall des Erfolgs der Anfechtung der ersten Kündigung nicht einen offenbar nicht unberechtigten Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis in Frage (RIS-Justiz RS0128404).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Eventualkündigung (nur) in Reaktion auf die Anfechtung der ersten Kündigung sei kein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, steht mit dieser Entscheidung in Einklang. Entgegen der Meinung der Klägerin ändert daran nichts, dass zum Zeitpunkt der zweiten Kündigung ihr Dienstverhältnis zur Beklagten noch aufrecht war, handelt es sich dabei ja gerade um die für die Eventualkündigung entscheidende Rechtsbedingung.
Im Übrigen war nach den Feststellungen der (sachliche) Grund sowohl für die erste als auch die zweite Kündigung die Schließung des Instituts „b*****“ und der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin. Im Unterschied zur ersten Kündigung stimmte aber nicht nur der Betriebsrat der Eventualkündigung zu, sondern versuchte die Beklagte davor auch erfolglos, in Entsprechung ihrer sozialen Gestaltungspflicht einen adäquaten Ersatzarbeitsplatz für die Klägerin zu finden. Schon in Anbetracht der damit verbundenen Änderung der Verhältnisse zwischen der Kündigung und der Folgekündigung (vgl Trost, Anfechtung einer Eventualkündigung und der „Anspruch“ auf Bestand und Bewahrung DRdA 2013, 422) vermag die Klägerin ein zu missbilligendes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht zur Darstellung zu bringen.
3. Die in der Revision aufrechterhaltene Behauptung, die Kündigung sei sittenwidrig, geht, wie schon das Berufungsgericht der Klägerin zutreffend entgegengehalten hat, nicht von den getroffenen Feststellungen aus.
Textnummer
E121966European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00014.18V.0529.000Im RIS seit
11.07.2018Zuletzt aktualisiert am
07.11.2018