TE OGH 2018/5/29 8Ob28/18b

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Franz Marschall & Mag. Rene Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017, GZ 38 R 178/17h-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 25. April 2017, GZ 8 C 74/17x-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte hat vom Kläger als Generalpächter einer in Wien situierten Kleingartenanlage seit dem Jahr 1976 einen Kleingarten gepachtet. Des Weiteren wurde der Klägerin seit damals der Kfz-Abstellplatz Gruppe 3-K Nr 2 zur Verfügung gestellt. Ob zwischen den Parteien eine schriftliche Nutzungsvereinbarung für die Kleingartenparzelle und/oder den Kfz-Abstellplatz abgeschlossen wurde, war letztlich nicht mehr feststellbar. Der Kläger versuchte im Jahr 1996, das zugrundeliegende Vertragsverhältnis offenbar (neuerlich) schriftlich zu dokumentieren, und übermittelte der Beklagten sowohl einen Vertrag hinsichtlich des Kfz-Einstellplatzes als auch der Kleingartenparzelle. Beide Vertragsurkunden wurden von der Beklagten nicht unterfertigt. Die Beklagte bezahlt die in der Vorschreibung gesondert ausgewiesenen Beträge sowohl für die Kleingartenparzelle als auch den Kfz-Abstellplatz in der vorgeschriebenen Höhe.

Mit Schreiben vom 26. 9. 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, er benötige ab 1. 1. 2017 den Parkplatz für andere Mitglieder, die noch keinen Abstellplatz zur Verfügung haben und ganzjährig oder über die Sommersaison in der Kleingartenanlage wohnen, der gegenständliche Parkplatz stehe der Beklagten noch bis 31. 12. 2016 zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 7. 11. 2016 erklärte der Kläger den Einstellvertrag vom 20. 2. 1996 aufzukündigen und unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31. 12. 2016 aufzuheben.

Die Beklagte verweigerte die Rückstellung des Abstellplatzes.

Der Kläger begehrte von der Beklagten infolge Aufkündigung des Mietverhältnisses die Räumung des Abstellplatzes Gruppe 3-K Nr 2. Die zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisse über die Kleingartenparzelle einerseits und den Abstellplatz andererseits seien gänzlich voneinander unabhängig. Der Kläger vermiete die Stellplätze an seine Pächter stets losgelöst von den Pachtverträgen, weil für ihn die dadurch erlangte Flexibilität hinsichtlich der Auflösung und Neubegründung der Mietverhältnisse dringend erforderlich sei. Die Autoabstellgebühr sei auch nicht Teil des Pachtzinses, sondern werde seit Begründung des Pacht- und des Mietverhältnisses gesondert verrechnet.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Beklagte habe den Abstellplatz anlässlich des Abschlusses des Pachtvertrags 1976 mitgepachtet, sodass dieser nicht gesondert kündbar sei. Der Abstellplatz sei stets im Zusammenhang mit der Kleingartenparzelle benützt worden und sei der Beklagten bei Abschluss des Pachtvertrags zugesagt worden, dass sie den Einstellplatz so lange benutzen könne, als das Pachtverhältnis hinsichtlich der Kleingartenparzelle zwischen dem Kläger und ihr aufrecht sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Auf die Zurverfügungstellung von Kfz-Abstellplätzen sei das Kleingartengesetz nicht anwendbar. Dieser Umstand indiziere mangels Vorliegens einer schriftlichen Vertragsurkunde aus dem Jahr 1976 auch, dass zwischen den Parteien hinsichtlich der Kleingartenparzelle und des Kfz-Abstellplatzes zwei getrennte, weil rechtlich anders zu qualifizierende Verträge abgeschlossen worden seien. Durch die Übermittlung der schriftlichen Vertragsurkunden 1996 sei es mangels übereinstimmender Willenserklärungen zu keiner Vertragsänderung gekommen. Es sei daher vom Bestand der ursprünglichen Verträge aus 1976 auszugehen. Die Zurverfügungstellung von Parkraumfläche im Areal des Kleingartenvereins sei als Mietvertrag unter Einhaltung der Bestimmung des § 1116 ABGB auflösbar. Schon die schriftliche Mitteilung vom 26. 9. 2016 sei eine derartige Auflösungserklärung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Ein schlüssiges Zustandekommen des Einstellvertrags vom Februar 1996 könne aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden. Damit benütze die Beklagte den Stellplatz aufgrund der im Jahr 1976 getroffenen Vereinbarungen, die vom Kläger bislang nicht gekündigt worden seien, zumal sich der Kläger in seinem Vorbringen auf den wirksam gekündigten Einstellvertrag vom Februar 1996 stütze.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Klage stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Auslegung der Kündigungserklärung durch das Berufungsgericht korrekturbedürftig ist, und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands unterlassen: Strittig ist, ob das Bestandverhältnis über den Kfz-Abstellplatz aufgrund (außergerichtlicher) Aufkündigung zum 31. 12. 2016 beendet wurde (vgl RIS-Justiz RS0043261). Es liegt daher eine – von der wertgrenzenmäßigen Beschränkung der Revisionszulässigkeit ausgenommene – Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vor.

2. Die (Auf-)Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Annahme durch den Gegner bedarf, ihre rechtsgestaltende Wirkung mit Zugang entfaltet und definitionsgemäß darauf gerichtet ist, den auf unbestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrag zu einem bestimmten Termin zu beenden. Unterliegt das Bestandverhältnis keinen Kündigungsschutzbestimmungen und sind im Bestandvertrag Formerfordernisse für die Kündigung nicht vereinbart, genügt eine formlose, außergerichtliche Aufkündigung (Lovrek in Rummel/Lukas ABGB4 § 1116 ABGB Rz 9 mwN).

3.1.1 Auch auf einseitige Erklärungen, wie die Aufkündigung eines Bestandvertrags, ist die Auslegungsregel des § 914 ABGB anzuwenden (Rummel in Rummel/Lukas ABGB4 § 914 ABGB Rz 2 mwN). Danach ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen (RIS-Justiz RS0017915). Es kommt darauf an, welche Schlüsse der Adressat als redlicher Erklärungsempfänger (nach Treu und Glauben) unter Berücksichtigung aller Umstände abzuleiten berechtigt war (RIS-Justiz RS0014205 [T28]). Nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ geht ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille des Erklärenden, den der andere Teil erkennen musste, der Auslegung nach Verkehrssitte und Sprachüblichkeit vor (RIS-Justiz RS0013957).

3.1.2 In diesem Sinn ist das Bestandobjekt sogar bei einer – formstrengen – gerichtlichen Aufkündigung gemäß § 562 ZPO ausreichend bezeichnet, wenn der Kündigungsgegner keinen Zweifel daran haben kann, welcher Bestandgegenstand aufgekündigt wird (RIS-Justiz RS0111666; Iby in Fasching/Konecny2 § 562 ZPO Rz 8 mwN).

3.2 Unzweifelhaft wollte der Kläger mit den Schreiben vom 26. 9. 2016 und 7. 11. 2016 den zwischen den Parteien bestehenden Bestandvertrag über den – in beiden Schreiben konkret bezeichneten – Kfz-Abstellplatz 3-K Nr 2 per 31. 12. 2016 zur Auflösung bringen, auch wenn im zweiten (allerdings nicht im ersten) Schreiben auf den –  nach Ansicht der Vorinstanzen nicht wirksam vereinbarten  – „Einstellvertrag vom 20. 2. 1996“ Bezug genommen wurde. Da die Beklagte zu keinem Zeitpunkt einen anderen oder weiteren, sondern immer nur den Abstellplatz 3-K Nr 2 vom Kläger angemietet hatte, musste ihr die Absicht des Klägers eindeutig erkennbar sein, dieses – ob nun seit 1976 oder
1996 – aufrechte Bestandverhältnis zu kündigen.

3.3 Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe zwar den (gar nicht zustande gekommenen) Einstellvertrag vom Februar 1996, nicht aber den aus dem Jahr 1976 gekündigt, trifft daher nicht zu. Daran ändert auch nichts, dass sich der Kläger in seinem Vorbringen auf die Kündigung des Einstellvertrags „vom Februar 1996“ berufen hat, weil die richtige Datierung des Bestandvertrags nicht zum rechtserzeugenden Sachverhalt für das Räumungsbegehren gehört. Dieses erfordert vielmehr die rechtswirksame Kündigung des Bestandverhältnisses hinsichtlich des Kfz-Abstellplatzes.

3.4 Die Zulässigkeit der (außergerichtlichen) Kündigung kann hier allerdings im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, das Vertragsverhältnis über den Kfz-Abstellplatz sei nicht gesondert vom (Unter-)Pachtvertrag über die Kleingartenparzelle kündbar, noch nicht abschließend beurteilt werden.

4.1 Bei Vorliegen eines einheitlichen Bestandverhältnisses ist eine Teilkündigung unzulässig (Lovrek in Rummel/Lukas ABGB4 § 1116 ABGB Rz 17).

Ob mehrere in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt in erster Linie vom Parteiwillen bei Vertragsabschluss ab (RIS-Justiz RS0020405; RS0014368). Objektive Gemeinsamkeit (im Sinn gegenseitigen Erforderlichseins oder Nützlichseins), die sukzessive Abschließung von Verträgen zu verschiedenen Zeitpunkten, die gesonderte Mietzinsvereinbarung, aber auch der Umstand, dass in den Verträgen nicht festgehalten wurde, das neu hinzugemietete Bestandobjekt solle eine Einheit mit den bereits angemieteten Teilen bilden, sind bloße Indizien für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer einheitlichen Bestandsache (RIS-Justiz RS0020405 [T4, T5 und T12]; RS0014368; RS0020298 [T2]). Auch für die Beurteilung, ob eine „Nebensache“ ein einheitliches Schicksal mit der Hauptsache hat oder der Bestand des einen Mietvertrags von dem des anderen unabhängig sein soll, ist der Parteiwille von entscheidender Bedeutung (7 Ob 567/95; 4 Ob 83/15g).

4.2 Nach der allgemeinen Beweislastregel trägt jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm. Das bedeutet, dass im Regelfall derjenige, der ein Recht behauptet, die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen muss (RIS-Justiz RS0039939). Dementsprechend trifft die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines einheitlichen Bestandverhältnisses denjenigen, der sich darauf beruft (Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 1093 ABGB Rz 10), zumindest wenn – wie hier – beide Objekte von vornherein nicht notwendigerweise eine wirtschaftliche und technische Einheit bilden (vgl 1 Ob 315/98z). In diesem Fall muss also die Beklagte, die aus diesem Grund die Unzulässigkeit der Kündigung geltend macht, beweisen, dass eine einheitliche Bestandsache gegeben ist.

4.3 Die Beklagte hat vorgebracht, sie habe den Kfz-Abstellplatz anlässlich des Abschlusses des Pachtvertrags vor 35 Jahren mitgepachtet und ihr sei damals zugesagt worden, dass sie den Einstellplatz so lange benützen könne, als das Pachtverhältnis aufrecht ist.

Das Erstgericht hat seiner Entscheidung unter der (von der Beklagten im Revisionsverfahren geteilten) Prämisse, dass die Zurverfügungstellung von Kfz-Abstellflächen als solche dem Kleingartengesetz fremd ist, zwei gesonderte Verträge, und zwar einen (Unter-)Pachtvertrag über die Kleingartenparzelle einerseits und einen Mietvertrag über den Kfz-Abstellplatz andererseits, zugrunde gelegt. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass eine Kündigung des Mietvertrags unabhängig vom Pachtvertrag zulässig ist, weil das in erster Instanz erstattete Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe ihr die Nutzung des Kfz-Abstellplatzes während der aufrechten Dauer des Pachtvertrags zugesagt, bislang unbeachtet geblieben ist. Obwohl sich daraus der Wille der Parteien, ein einheitliches Bestandverhältnis zu begründen, oder auch ein Kündigungsverzicht des Klägers ergeben könnte, hat das Erstgericht dazu keine (ausdrücklichen) Feststellungen getroffen.

Das Erstgericht wird daher nach Ergänzung des Beweisverfahrens eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E121963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00028.18B.0529.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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